Innenpolitik

Hochwasser: ÖVP könnte profitieren, Probleme für Kleine

Das Hochwasser fiel in die "heiße" Phase des Wahlkampfes
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Im Endspurt des Wahlkampfs könnte laut Experten doch Bewegung reinkommen, etwas Einfluss haben könnte auch die Hochwasserkatastrophe. In der jüngsten Umfrage von OGM-Chef Wolfgang Bachmayer lag die ÖVP mit 25 Prozent nur knapp hinter der FPÖ (26). Schwierig scheint es derzeit für die "kleinen" Listen. Verpassen diese den Einzug, so könnte sich rechnerisch eventuell auch eine Zweierkoalition mit ÖVP und SPÖ ausgehen. Freilich sind die Auswirkungen schwer abzuschätzen.

"In Krisenzeiten schließen sich die Reihen hinter dem Kanzler abwärts", sagte Bachmayer zur APA - dies könne der Kanzlerpartei ÖVP, aber eventuell auch den Grünen nutzen. Freilich betonte der Meinungsforscher, dass man die Daten mit Vorsicht genießen müsse: Die Umfrage sei exakt während des Hochwassers erhoben worden. "Es kann in der nächsten Woche schon wieder etwas anderes auf der politischen Agenda stehen", mahnte er zu Zurückhaltung bei der Interpretation der Umfrageergebnisse.

Die Reihenfolge der "Top 3" - FPÖ, ÖVP, SPÖ - bleibe aber auch in seiner am 19. September veröffentlichten Umfrage unverändert, so Bachmayer. Die SPÖ kommt laut der OGM-Erhebung hinter FPÖ und ÖVP auf 21 Prozent. Die Grünen liegen demnach bei zehn, die NEOS bei neun Prozent.

"Wie das ausgeht, wissen wir nicht, die FPÖ hat noch immer eine große Chance, als Erste über die Ziellinie zu gehen, aber es ist knapper als davor", sagte auch Politikberater Thomas Hofer im APA-Gespräch. Die Präsenz von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer im Krisenmanagement der Hochwasserkatastrophe habe der ÖVP aber die Chance eröffnet, näher an die FPÖ heranzurücken und "noch einmal Dynamik reinzubringen". Auch sei die Funktionärsbasis der Türkisen "deutlich stärker motiviert als jene der SPÖ".

Einen Schaden für die FPÖ sieht Hofer insofern, da die Themensetzung betroffen ist: "Bis zum Hochwasser war das Klimathema deutlich nach hinten gereiht hinter der Migration", verwies der Experte auf das blaue Kernthema.

Die FPÖ habe in der Hochwasserkatastrophe keinen Fehler gemacht, "aber (FPÖ-Chef Herbert, Anm.) Kickl war in der Zeit des Hochwasser-Krisenmanagements auf die Ersatzbank verbannt". Der Parteiobmann könne sich da gar nicht so positionieren wie etwa der Kanzler: "Er hat die Funktion nicht, ist auch nicht im Krisenstab. Er war verdammt, sich das erste Reihe fußfrei anzuschauen." Für SPÖ-Chef Andreas Babler sei es aufgrund seines Bürgermeisteramtes in Traiskirchen hingegen möglich gewesen, sich in Szene zu setzen, verwies er auf dessen Einsatz bei der Feuerwehr - "aber nicht so wie Nehammer oder Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner". Kickl habe sich wahrscheinlich auch deswegen zurückgehalten mit Inszenierungen, "weil er richtigerweise geahnt hat, dass das als Verkleidung und Maskerade gesehen wird", ergänzte auch Bachmayer.

Bei den Grünen, deren Kernthema Klimaschutz mit der Hochwasserkatastrophe wieder mehr in den Fokus rückte, könnten abwanderungswillige Wähler - "Richtung SPÖ, NEOS, Bierpartei" - aufgrund der Ereignisse eventuell umgestimmt werden, so Hofer.

Meinungsforscher Peter Hajek rechnet damit, dass die Auswirkungen des Hochwassers eher gering ausfallen dürften. Denn keiner der Kandidaten habe Fehler gemacht. Massive Verschiebungen der Wählergruppen seien daher nicht zu erwarten. In seiner jüngsten Umfrage - noch vor den Unwettern - vom 13. September lagen ÖVP und SPÖ ebenfalls bei 25 bzw. 21 Prozent, die FPÖ mit 28 etwas höher als bei OGM, die Grünen bei acht Prozent knapp hinter den NEOS mit neun.

Gemeinsam haben die jüngsten Umfragen allesamt, dass die "kleinen" Listen (auch jene mit potenziellen Chancen auf den Nationalratseinzug) in letzter Zeit eher unter der Vier-Prozent-Hürde ausgewiesen wurden. Vor allem die Bierpartei, der von Experten bis in den Spätsommer hinein recht gute Chancen zum Überspringen ebendieser attestiert wurde, schwächelte zuletzt deutlich. "Das Hochwasser spült die Kleinparteien unter die Vier-Prozent-Hürde", sagte Bachmayer.

Auch Hajek betonte, das die Naturkatastrophe wohl am ehesten Auswirkungen auf die hinteren Reihen haben könnte, die kleinen Listen würden nun aus der Debatte "völlig rausgedrängt". Gleichzeitig verwies er darauf, dass diese Schwäche freilich auch schon vor dem Hochwasser gesehen wurde, gerade die Bierpartei habe schon länger "echte Rücksetzer".

Sollten es weder KPÖ noch BIER in den Nationalrat schaffen, dann hat das Auswirkungen auf die Mandatsverteilung bei den übrigen Parteien. Bachmayer verwies darauf, dass die Kleinparteien (neben KPÖ und BIER kandidieren auch die Listen "KEINE" und "Madeleine Petrovic" bundesweit) zumindest sechs bis sieben Prozent der Stimmen erreichen werden. Damit werden die Mandate für die größeren Parteien "billiger".

Die Folge wäre, dass neben der ziemlich gesicherten gemeinsamen Mandatsmehrheit für FPÖ und ÖVP auch eine knappe Mandatsmehrheit für eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ entstehen würde. "Mit 45 oder 46 Prozent könnte sich eine Mandatsmehrheit ausgehen", so der OGM-Chef.

"Das ist der entscheidende Punkt: Plötzlich scheint eine Zweier-Koalition zwischen ÖVP und SPÖ auch möglich." Ähnlich sieht das Hofer: "Die Wahrscheinlichkeit ist durchaus wieder da, dass es nicht abseits der FPÖ unbedingt eine Dreier-Koalition braucht."

Vor allem für die ÖVP würde das Vorteile für die Verhandlungsposition nach der Wahl bedeuten, so Bachmayer. Außerdem käme sie dann gar nicht in die Situation über eine Dreierkoalition nachdenken zu müssen. Dass es eine der "Kleinen" doch noch über die Vier-Prozent-Hürde schafft, hält Bachmayer für eher unwahrscheinlich. "Das wird sehr, sehr schwer."

Auf die Ankündigung der ÖVP, mit der FPÖ unter Kickl nicht zu koalieren, gibt Bachmayer nicht allzu viel. Der Experte verwies etwa auf Niederösterreich, wo die ÖVP ja ebenfalls mit der FPÖ zusammenarbeitet. "Dass man vom absoluten Versprechen abgeht, das ist kein Problem". Inhaltlich sei eine Koalition zwischen ÖVP und FPÖ "kompatibler" als eine zwischen ÖVP und SPÖ, sagte er.

Thematisch ist laut Hofer das Thema Klimawandel "jetzt mit dem Extrem-Ereignis der Flut" wieder weiter nach vorne gekommen. Es sei aber "kein Gamechanger" wie etwa die Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015. Sehr stark vertreten im Wahlkampf sieht Hofer die Themen Teuerung und Leistbarkeit des Lebens, "die sind auch weiter da". Nach dem verhinderten Terroranschlag auf das Taylor Swift-Konzert und der Debatte um die Sozialhilfe seien auch andere Problemfelder im Vordergrund gestanden, die der FPÖ "noch einmal eine Chance" gegeben hätten, beim Thema Migration "reinzufahren".

Das Hochwasser sei aber eine Zäsur im Wahlkampf gewesen. Zuvor sei das Thema Klimawandel auch deshalb weniger im Fokus gestanden, weil es im Unterschied zum Jahr 2019 weniger positiv behaftet gewesen sei, verwies Hofer auf die Debatte rund um Proteste der "Letzten Generation" samt deren Klebeaktionen. Letztere seien selbst bei den Grünen Wählerschichten sehr polarisierend wahrgenommen worden. "Die Grünen haben sich da sehr schwer getan." Die Flut habe dies als "sehr einendes, wenn auch sehr trauriges" Thema wieder verändert. Jetzt sei die Debatte wieder "weniger heikel".

Andere Themen, etwa das der Gesundheitsversorgung, auf das die SPÖ stark setzte (etwa mit der Forderung nach einer Facharzt-Garantie innerhalb von 14 Tagen), seien weniger kontroversiell diskutiert worden, "weil alle sind dafür, die Versorgung zu verbessern".

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