Wasser im Norden Mosambiks ist zu wenig und macht krank
Wenn Joaquina Wasser braucht, muss sie zum Fluss gehen. Jeden Tag holt sie 20 Liter in einem Kübel. Dafür benötigt sie eineinhalb Stunden hin und noch einmal so lange für den Rückweg. Diese Tortur muss sie zweimal pro Tag auf sich nehmen, insgesamt sechs Stunden also. Sie muss schließlich auch drei Kinder, 15, zwölf und neun Jahre alt, versorgen. Und einen Mann. Das Wasser im Fluss ist alles andere als sauber. Joaquina weiß, dass es sie krank macht, aber immerhin ist es da.
Joaquina nimmt diesen Weg seit August 1989 auf sich. Die meiste Zeit war ein alter grüner Plastikkübel ihr Begleiter. Bis heute: Mitarbeiter der Hilfsorganisation CARE sind in ihr Dorf Gangolo in der Provinz Cabo Delgado in Nordmosambik gekommen und haben Pakete verteilt. In einem waren Hilfsutensilien für die Küche und das Haus: ein Topf, Geschirr, Matten zum Sitzen, eine Plane für das Dach ihrer Hütte und Decken. Im anderen Paket finden sich Hygieneutensilien: ein Mittel zur Wasseraufbereitung, Waschmittel, Seife und eine Capulana - ein Stoff, der unter anderem als Rock gewickelt werden kann, aber auch viele andere Zwecke erfüllt. Und zwei 20-Liter-Kübel. Der alte grüne Plastikkübel, der so lange von Joaquina zum Fluss getragen wurde und wieder nach Hause, hat ausgedient. Joaquina strahlt.
Mit dem Wasser bringt Joaquina jeden Tag aber auch Krankheiten mit. Wann sie zuletzt nicht Durchfall hatte, weiß sie schon gar nicht mehr. In der Person von Joaquina spiegeln sich viele Probleme in Cabo Delgado wider, abgesehen von den jihadistischen Terrorangriffen, mit denen Al-Shabaab-Milizen das Land überziehen und die Bevölkerung in Schrecken halten. Das Hauptproblem ist der Zugang zu Wasser: Viele, wie Joaquina, brauchen Stunden, um an Wasser zu kommen. Und wenn sie es bekommen, ist es nicht sauber.
Lebensbedrohliche Krankheiten und katastrophale hygienische Zustände sind die Folge. Wer ein - nicht zuletzt ebenfalls wegen des Wassers - sehr eingeschränktes Nahrungsangebot hat, sowohl was die Menge als auch was die Abwechslung betrifft, ist ohnehin geschwächt. Viele, wie eben auch Joaquina, leiden an chronischem Durchfall.
Dabei wäre, wie Mosambiks CARE-Länderdirektorin Katia dos Santos Dias der APA sagt, an sich genug Wasser in Mosambik vorhanden. "Das Problem ist die fehlende Infrastruktur. Wie bringen wir das Wasser dorthin, wo es benötigt wird, und das in Trinkwasserqualität?", fragt sie. Die NGO beteiligt sich natürlich daran, Wasserstellen im Norden zu erschließen und zu bauen. "Ein neues Bohrloch zu bohren ist hier im Norden aber gar nicht so einfach", sagt Santos Dias. "Das Wasser, das wir finden, ist oft salzig. Und damit unbrauchbar."
Wasserstellen zu bauen ist auch nicht billig. 10.000 Dollar (8.987,96 Euro) veranschlagt Santos Dias für den Bau einer: "Da ist dann aber alles dabei." Auch Wassersammelstellen kosten viel Geld, rund 4.500 Euro etwa. Und das in einem Land, wo zwei Drittel der Bevölkerung weniger als 2,15 Dollar pro Tag zur Verfügung haben.
Genug Wasser zu haben ist für die Bevölkerung essenziell. Um halbwegs über die Runden zu kommen, muss Improvisation her. Wie etwa in der Volksschule Ngeue, wo 1.072 Kinder unterrichtet werden, wie der Schuldirektor sagt - teils mit 100 Kindern pro Klasse. Die Volksschule umfasst in Mosambik die ersten sieben Schulstufen. Ein Schultag bringt auch einen erheblichen Wasserbedarf mit sich. Und weil es davon nie genug gibt, hat der Direktor die Eltern gebeten, dass ihre Kinder jeden Tag Wasser mitnehmen, das sie in ein im Boden eingelassenes Depot füllen. Wer Wasser braucht, holt es sich von dort mit einer kleinen Kanne. Auch hier kann von Trinkwasserqualität keine Rede sein.
Auch die 15-jährige Farsana bringt jeden Tag Wasser mit. Das Leben ist hart. Sie steht jeden Tag um 6.00 Uhr auf und hilft ihren Eltern in der Landwirtschaft. Oft beginnt der Tag mit Gras schneiden. Erst dann geht sie - mit Wasserkübeln bepackt - in die Schule. Wie viele andere junge Menschen auch träumt Farsana vom besseren Leben und weiß, dass dafür Bildung die Voraussetzung ist: "Ich will Ärztin werden", sagt sie.
Neben Lesen, Schreiben und Rechnen lernen die Mädchen in der Schule auch hygienisch mit der Menstruation umzugehen. CARE und seine lokalen Partnerorganisationen stellen "Begirl"-Pakete zur Verfügung, die den jungen Frauen in Mosambik dies ermöglichen sollen. Wie für viele andere Dinge wird normalerweise auch dafür die Capulana verwendet und immer wieder geteilt. "Mir hat das meine Mutter beigebracht. Aber ich mag die Capulana nicht. Ich fühle mich damit nicht sicher", betont Farsana. Die Pakete seien besser.
Dennoch: Hygiene steht und fällt mit sauberem Wasser. Das weiß auch die 50-jährige Ancha aus Macomia, die nach einem Überfall von Jihadisten in einem Camp für intern Vertriebene in der Umgebung von Ancuabe wohnt. Sie hält eine Plastikflasche mit einer Flüssigkeit in der Hand, die gelb-trüb wie Orangen- oder Ananassaft aussieht. "Das ist unser Wasser", sagt sie auf eine entsprechende Nachfrage. Auch Ancha ist durchaus bewusst, dass sie von dem Wasser krank wird. Aber was soll sie machen, es ist immer noch besser, als ohne Wasser zu sterben. "Wir leiden, wir brauchen eure Hilfe", sagte sie zu den Besuchern aus Österreich und Deutschland. "Was wir brauchen: erstens Wasser, ein Bohrloch. Zweitens Werkzeug für die Landwirtschaft. Drittens vernünftige Dächer und viertens Töpfe zum Kochen."
Hilfsorganisationen wie CARE tun, was möglich ist. Aber in Cabo Delgado sind so gut wie alle Menschen auf Hilfe angewiesen. Auch die medizinische Versorgung ist vielerorts so gut wie nicht vorhanden. In den Dörfern von Bilibiza etwa muss man 50 Kilometer über schlechteste Straßen zurücklegen, um zu einer medizinischen Versorgungseinheit zu gelangen. Kinder und besonders akute Fälle bekommen wenigstens in der örtlichen Militärgarnison Medikamente - so diese vorhanden sind.
"Wir können aber nicht allen helfen. Wir können nicht in jedem Dorf präsent sein", sagt Katia dos Santos Dias. "Wir helfen dort zuerst, wo die Unterstützung am dringendsten benötigt wird."
(von Gunther Lichtenhofer/APA)