Prozess gegen Le Pen wegen Veruntreuung von EU-Geld
Vor einem Pariser Strafgericht hat der Prozess gegen Marine Le Pen und weitere französische Rechtsnationale in der Affäre um mögliche Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament begonnen. Den insgesamt 28 Angeklagten wird Veruntreuung öffentlicher Gelder angelastet. Zentraler Vorwurf ist, dass Le Pens Partei Geld für parlamentarische Assistenten vom Europäischen Parlament bekommen hat, die aber eigentlich teils oder zur Gänze für die Partei gearbeitet hätten.
Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 2004 bis 2016 und richten sich gegen die Partei Rassemblement National (früher: Front National), damalige Abgeordnete und Assistenten. Dabei geht es um die mögliche Scheinbeschäftigung von Assistenten von mehreren französischen Europaabgeordneten. Insgesamt soll es um eine Summe von knapp sieben Millionen Euro gehen.
Noch vor Prozessstart wies Marine Le Pen die Vorwürfe zurück. "Wir haben gegen keine politische Regel und keine Regel des Europäischen Parlaments verstoßen", sagte die langjährige Parteivorsitzende beim Eintreffen im Gericht. Und beim Verlesen der Anklage betonte sie: "Ich antworte auf alle Fragen, die mir gestellt werden." Le Pen hatte vor einem Jahr bereits vom Europaparlament zurückgeforderte 330.000 Euro überwiesen. Ihre Partei betonte aber, dass dies kein Eingeständnis eines Fehlverhaltens sei.
Neben Marine Le Pen gehört auch ihr Vater und Parteigründer Jean-Marie Le Pen (96) zu den Beschuldigten. Aus Gesundheitsgründen erschien er aber nicht vor Gericht, wie auch ein weiterer Angeklagter.
Die Affäre belastet Le Pen und ihre Partei bereits seit Jahren. Die juristische Aufarbeitung der Vorwürfe fällt in eine Phase, in der das Rassemblement National so stark wie noch nie dasteht. Die bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni bereits als potenzieller Sieger gehandelten Rechtsnationalen landeten am Ende zwar nur auf Rang drei. Da die Partei im Parlament aber stark vertreten ist, kann sie auf die frisch formierte Mitte-Rechts-Regierung des konservativen Premiers Michel Barnier großen Einfluss ausüben.
Dass Le Pen und weitere Parteiverantwortliche nun auf der Anklagebank Platz nehmen müssen, wirkt dem Bestreben einer Normalisierung der Partei entgegen. Le Pen hatte der Partei nicht nur einen neuen Namen gegeben, sondern auch von allzu radikalen Positionen Abstand genommen, um die früher klar rechtsextremistische Partei bis hin in die bürgerliche Mitte wählbar zu machen. In der Parlamentsarbeit bemühten sich die Rechtsnationalen zuletzt - anders als die Linkspartei - um eine konstruktive und zurückhaltende Oppositionsarbeit.
Der Prozess ist bis Ende November terminiert. Sollte es zu Schuldsprüchen kommen, drohen den Angeklagten empfindliche Geldstrafen sowie Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Im Falle einer Verurteilung könnten die Angeklagten außerdem für fünf Jahre für unwählbar erklärt werden, was eine Kandidatur von Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2027 ausbremsen könnte.