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"Das große Spiel": Reichhaltiger Roman von Richard Powers

Autor Richard Powers ist ein fantastischer Erzähler
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Richard Powers ist ein fantastischer Erzähler, der naturwissenschaftliche und philosophische Themen in packende Romane gießt. Für "Die Wurzel des Lebens" erhielt er 2019 den Pulitzer Preis. Nun erschien mit "Das große Spiel" ein weiterer großer Wurf. Das Buch ist reichhaltig wie der Ozean, dessen Fauna zentrale Rolle in dem faszinierenden literarischen Geflecht aus Warnung vor KI und Umweltzerstörung, postkolonialer Allegorie und einer Geschichte einer Freundschaft einnimmt.

Der Inhalt lässt sich in wenigen Sätzen kaum greifbar machen. Powers berichtet vom Lebensweg zweier Freunde, die beide aus dysfunktionalen, sehr unterschiedlichen Familien stammen. Beide haben Leidenswege hinter sich (Coming-of-Age-Saga inbegriffen) und sind begeisterte Schachspieler, später wechseln sie zu Go. Der eine, Rafi Young, ist Büchernarr, der andere, Todd Keane, Computernerd ab der Frühzeit dieser Technologie. Letzterer entwickelt als Erwachsener die Online-Plattform "Playground", so auch der Originaltitel des Romans, und treibt die Entwicklung künstlerischer Intelligenz weiter, während Rafi einen anderen Weg einschlägt.

Powers lässt Todd als Ich-Erzähler sein Leben offenlegen - wem, das erfährt man erst am (durchaus überraschenden) Ende. Dazwischen springt der Autor als Beobachter in der dritten Person zwischen Zeiten, Orten und Biografien. Da wäre die Taucherin Evie Beaulieu, deren Ausflüge in die Tiefen des Ozeans beim Lesen das Gefühl erwecken, man befinde sich selbst am Meeresgrund, so intensiv und wunderschön beschreibt Powers die Unterwasserwelt. Evie muss sich zu Beginn ihrer Karriere in einer Männerdomäne behaupten - auch feministische Themen verarbeitet der Autor.

Von Illinois wechselt die Story immer wieder nach Makatea, einer Insel in Französisch-Polynesien. Die wenigen verbliebenen Einwohner nach der Ausbeutung des Eilandes durch die Europäer leben im Einklang mit der Natur, träumen aber auch vom Aufschwung. Dieser bietet sich durch ein Projekt eines Unternehmers aus Übersee, der die vernachlässigte Infrastruktur wiederbeleben möchte, um autarke schwimmende Städte zu bauen. Die Künstlerin Ina Aroita schafft unterdessen ein Kunstwerk aus vom Meer angeschwemmtem Plastikmüll. Sie ist die große Liebe von Rafi. Verwirrend? Ist es aber nicht, schon nach wenigen Seiten wird man in den Sog der originellen Geschichte gezogen, deren Fäden Powers konsequent zusammenführt.

Man verliert sich in den aufgeworfenen Welten, aufgebaut mit magischer Sprache, und man zieht Schlüsse - oder lässt sich im geschilderten Geschehen einfach treiben. Powers stellt Bewahrung, Fortschritt, Kapitalismus und Ökologie gegenüber, ohne sie gegeneinander auszuspielen, aber die Denkanstöße ergeben sich ohnehin von selbst. Kann uns künstliche Intelligenz weiterbringen, oder bedroht sie uns? Die Botschaft des Romans steckt so nebenbei im ersten Drittel: "Man musste nur innehalten und hinsehen." Powers lenkt die Blicke auf so viele Themen, die aufzuzählen viel Platz einnehmen würde, und doch ist "Das große Spiel" alles andere als überladen.

Wenn man glaubt, alles durchschaut zu haben, schlägt Powers auf den allerletzten Seiten einen Haken. So hallt "Das große Spiel" noch lange nach und lässt einen nicht mehr los.

(Von Wolfgang Hauptmann/APA)

(S E R V I C E - Richard Powers: "Das große Spiel", aus dem Amerikanischen von Eva Bonné, Penguin Verlag, 512 Seiten, 26,80 Euro)

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