Außenpolitik Österreich

EU-Innenminister beraten über Schengen

Schengen-Abkommen einmal mehr im Fokus
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Die EU-Innenministerinnen und -minister beraten am Donnerstag in Luxemburg über den Zustand des Schengen-Raumes, Grenzkontrollen sowie die EU-Rückführungsrichtlinie. Vor dem Start des Treffens appellierten einige Teilnehmende für raschere Rückführungen und eine rasche Umsetzung der EU-Asylreform. Auch über die vollständige Aufnahme Rumäniens und Bulgariens in den Schengenraum soll diskutiert werden. Österreich wird von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) vertreten.

Heute gebe es zwei bestimmende Themen, so Karner vor dem Treffen: "Wie können wir Abschiebungen konsequenter durchführen?", und die Beratungen zum Schengen-Raum. "Die zusätzlichen Grenzkontrollen haben dazu geführt, das in vielen Ländern der Druck geringer geworden ist", so Karner. Er nennt als Beispiel die Grenze Österreich-Ungarn, wo die Zahl der illegalen Grenzübertritte deutlich gesunken sei. Trotzdem ist für ihn die Zeit noch nicht reif für eine Schengen-Aufnahme Rumäniens und Bulgariens: "Wir sind auf dem richtigen Weg, aber nicht am Ende des Weges."

Österreich blockiert derzeit die volle Aufnahme Bulgariens und Rumäniens, die seit Ende März Mitglied von "Air Schengen" sind. Die Kontrollen an den Luft- und Seegrenzen wurden damit aufgehoben. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson äußerte vor ihrem letzten Ratstreffen als Kommissarin für Inneres und Migration den Wunsch, die Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen zu Rumänien und Bulgarien noch im Amt mitzuerleben. Sie dürfte im Dezember oder Jänner an ihren designierten Nachfolger, Noch-Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), übergeben.

"Wir haben gute Erfahrungen an den Luftgrenzen gemacht und ich denke, es ist an der Zeit, auch die Kontrollen an den Landgrenzen aufzuheben", bekräftigte Johansson. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tritt dafür ein. Rumäniens Innenminister Cătălin Predoiu betonte erneut, sein Land habe alle Verpflichtungen erfüllt und sei bereit für eine vollständige Aufnahme in Schengen. Er verwies auf einen "deutlichen Rückgang der illegalen Migration".

Der rumänische Regierungschef Marcel Ciolacu hatte sich am Mittwochabend gegenüber Journalisten in Bukarest überzeugt gezeigt, dass Rumänien in diesem Jahr noch den Schengen-Vollbeitritt schafft, berichtete die Agentur Agerpres. Um den Termin für die Aufhebung aller Kontrollen festzulegen, bedarf es eines weiteren Ratsbeschlusses. Dieser ist für diesen Donnerstag noch nicht geplant.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) appellierte unterdessen an Karner, die Blockade aufzuheben. "Es ist an der Zeit, das leidige Schengen-Thema ad acta zu legen. Die Forderungen des österreichischen Innenministers, die Kontrollen der EU-Außengrenzen zu verstärken, wurden inzwischen von den Amtskollegen erfüllt. Eine Fortsetzung der Blockade des Vollbeitritts schadet den europafreundlichen und demokratischen Kräften in Rumänien und Bulgarien", so Kogler in einer Aussendung.

"Österreich darf nicht länger auf der Bremse stehen", forderte auch NEOS-Außenpolitiksprecher und EU-Delegationsleiter Helmut Brandstätter. "Das taktische Spiel hat Österreich isoliert, schadet direkt unserem Wirtschaftsstandort und belastet Familien, die auf Pflege angewiesen sind", übte er in einer Aussendung Kritik an der "Blockadehaltung" der ÖVP. "Das Schengen-Veto muss noch dieses Jahr fallen."

Die Rückführung irregulärer Migranten und abgelehnter Asylbewerber wird Thema des Arbeitsessens der Minister sein. Dabei soll auch das von Österreich und den Niederlanden initiierte Non-Paper zur Rückführung diskutiert werden, das 15 weitere Schengen-Länder unterstützen. Darin wird die Europäische Kommission aufgefordert, die fast 20 Jahre alte EU-Rückführungsrichtlinie zu erneuern, um Migrantinnen und Migranten einfacher zurückschicken zu können.

"Wir sollten insgesamt als EU weniger attraktiv werden für Menschen, die das System oft missbrauchen", so Karner. "Wir sehen konkret, dass sich viele dem Abschiebeverfahren entziehen." Er hält es für notwendig, Menschen, die kein Recht haben zu bleiben, in ihre Herkunftsländer zurück oder leichter in Schubhaft zu bringen. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser zählt hier zu den Unterstützerinnen. So fordert sie raschere Verfahren und die Möglichkeit zur Zurückweisung an den Grenzen.

Faeser plädierte vor dem Ratstreffen für eine rasche Umsetzung des neuen Asylsystems, möglicherweise in Teilen schon früher als geplant. Sie stehe in Austausch mit der Kommission, "ob wir nicht Regelungen vorziehen könnten". Viele Mitgliedstaaten könnten sich das laut Faeser gut vorstellen. Auch ihr spanischer Amtskollege Fernando Grande-Marlaska sprach sich für eine rasche Umsetzung aus.

Heute werde es natürlich auch um die Grenzkontrollen gehen, die sie seit Mitte September an allen deutschen Landgrenzen durchführen lasse, so Faeser. Zahlreiche Länder haben aufgrund von Sicherheitsbedenken wieder (zeitlich begrenzte) Kontrollen an ihren Binnengrenzen eingeführt, darunter Österreich, Deutschland oder Italien.

"Mit den Grenzkontrollen wollen wir die illegale Migration zurückdrängen, Schleuser stoppen und Islamisten frühzeitig erkennen", begründete die deutsche Innenministerin die von einigen EU-Partnern kritisierte Entscheidung. Auch andere EU-Länder führten Grenzkontrollen durch. Sie kündigte an, die Kontrollen aufrecht zu erhalten, "bis wir europäische Lösungen für stärker geschützte Außengrenzen haben". Für Faeser ist daher "prioritär, das Asyl- und Migrationspaket schnellstmöglich umzusetzen".

Den von der niederländischen Regierung angekündigten Ausstieg aus dem EU-Asylsystem kommentierte sie mit: "Das ist keine gute Idee." Auch die belgische Staatssekretärin für Asyl und Migration, Nicole de Moor, erklärte dazu: "Wir müssen uns über unser Migrationssystem einig sein. Wir müssen es umsetzen." Sie tritt auch für effizientere Rückführungen ein: "Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied, und das gilt besonders für das europäische System der Rückführungen, das verbessert werden muss." Ihr seien besonders schnellere Verfahren und die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den Behörden bei der Rückkehr wichtig.

Weitere Themen auf der Agenda sind die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, IT-Systeme für die Strafverfolgung in der EU sowie die Folgen externer Konflikte auf die innere Sicherheit der EU. Karner wird auch zu einem bilateralen Gespräch mit dem ungarischen Innenminister Sándor Pintér zusammenkommen, dessen Land derzeit den Ratsvorsitz hat.

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