Mira Lu Kovacs zelebriert "Minimalismus und Reduktion"
In der Ruhe liegt die Kraft. Wie sehr das zutrifft, beweist die heimische Musikerin Mira Lu Kovacs auf ihrem neuen Soloalbum "Please, Save Yourself". Darauf versammelt sie neun äußerst bedacht instrumentierte Songs, die durch ihre Fokussierung große Wirkung erzeugen. "Minimalismus und Reduktion sind voll mein Ding", betont Kovacs, deren Soloschaffen sich in den vergangenen Jahren immer wieder gewandelt hat. Nun wirkt sie aber angekommen, ohne ihre Neugier zu verlieren.
Drei Jahre sind seit dem Vorgänger "What Else Can Break" vergangen, in dieser Zeit war Kovacs aber keineswegs untätig: Kollaborationen mit Kollegen wie Clemens Wenger, ein zweites Album mit der Indie-Supergroup My Ugly Clementine und Musik für eine Theaterinszenierung von Sara Ostertag waren nur die offensichtlichsten Ergebnisse ihres Schaffensdrangs. Anfang des Jahres galt dann die ganze Konzentration der neuen Platte, die sie mit Bassist Manu Mayr und Drummer Günther Paulitsch eingespielt hat.
Welche Songs dafür in Frage kommen, sei schnell klar gewesen. "Eigentlich veröffentliche ich alles, was ich schreibe", schmunzelt Kovacs im APA-Gespräch. "Es gibt ja Leute, die schreiben 100 Songs und nur zehn davon kommen raus. Bei mir ist es umgekehrt. Ich schreibe zehn und die kommen dann auch raus." Was für eine beeindruckende Quote spricht, weiß Kovacs doch seit ihrem Debüt als Schmieds Puls vor mehr als zehn Jahren mit jeder neuen Veröffentlichung gleichermaßen zu überzeugen wie zu überraschen.
"Please, Save Yourself" ist da keine Ausnahme, wobei sich diese Stücke fast wie eine logische Konsequenz aufdrängen: Teils zerbrechlicher Gesang trifft auf oft groovige, stets aber einnehmende Gitarrenmotive, während das Rhythmusfundament zunächst oft kaum wahrnehmbar im Hintergrund bleibt. Es braucht nicht immer den großen Ausbruch, aber noisige Parts wie im Finale von "Save Yourself" stehen der Musikerin außerordentlich gut zu Gesicht. Andererseits beweist sie mit souligen Liedern wie "Shut The Fuck Up And Let Go" ihr ungemein sicheres Händchen für Ohrwurmmelodien.
All das scheint sie locker aus dem Ärmel zu schütteln, nach großer Anstrengung klingt hier nichts. "Wenn man etwas sagen möchte, was wichtig ist, dann braucht es dafür nicht unbedingt lange Sätze oder etwas Komplexes", beschreibt sie ihren Zugang. "Zu viele Instrumente, zu viel Tamtam würden nur ablenken." Nicht umsonst heiße es: "Die Musik ist das, was zwischen den Noten ist. Wie Licht und Dunkelheit, das eine geht nicht ohne dem anderen." Entsprechend könne sie auch nur schwer erklären, warum die Songs ihre Endform erhalten. "Das ist so wie meine Augenfarbe. Oder: So groß bin ich nun mal gewachsen. So red ich halt, so transportiere ich meine Messages, so spiele ich meine Lieder, so zelebriere ich die Stille."
Ein wesentlicher Faktor für diese Direktheit und Intimität, die Kovacs erzeugt, sei Vertrauen. "Das Album ist mit sehr viel Vertrauen und Selbstvertrauen entstanden", nickt sie. "Das ist sehr, sehr angenehm. Ich bin froh, dass ich nicht mehr die ganze Zeit Angst habe vor irgendwas. Ich will nie wieder unter 30 sein", lacht die Sängerin. "Alles wird besser nach 30, finde ich." Für sie gehe es darum, sich auf den Moment einlassen zu können. "Und nur weil es da zehn Sekunden still ist, heißt das nicht, dass dich ein Gedanke auffressen wird. Du fällst in kein Loch hinein. Und wenn, wirst du wieder herauskommen."
Damit sind auch bereits viele Themen und Aspekte von "Please, Save Yourself" angeschnitten. Kovacs bereitet in diesen Songs das Feld für Selbstermächtigung und Selbstheilung. "Es geht um gesunde, sinnvolle, liebevolle Grenzen." Nicht jeder Mensch lasse sich retten, oft müsse das aus der Person selbst herauskommen. "Das gilt es zu akzeptieren." Sie sei froh, dass immer mehr Menschen in ihrem Umfeld sich um sich selbst kümmern. "So bin ich nicht unbedingt aufgewachsen. Es war Drama, Zeit vergeht, man vergisst. Hm. Und dann geht man mit 25 in Therapie oder was auch immer. Jetzt setzen sich die Leute aber damit auseinander, was sie machen können, damit es ihnen besser geht." Und davon würden nicht zuletzt Beziehungen profitieren.
Apropos positive Wirkung: Den schönsten Teil ihrer Arbeit kann Kovacs sofort identifizieren. "Ich bin sehr zielstrebig, gleichzeitig geht es aber zum Glück immer weniger um dieses Ziel. Das Schönste an meinem Beruf ist für mich, die Idee zu haben. Das ist mein absoluter Lieblingsmoment. Nicht die Produktion, nicht das fertige Lied, auch nicht das Konzert - sondern die Idee. Und das ist eben kein Ziel, sondern ein Prozess." Das habe dazu geführt, dass sie weniger im Gestern oder Morgen sei, "sondern mehr im Heute. Ich versuche, die Geschwindigkeit in meinem Kopf zu drosseln. Das ist auch gemeint mit 'Shut The Fuck Up And Let Go'. Und das ist sehr, sehr gesund."
Wer nun gemeinsam mit Mira Lu Kovacs in Richtung Selbstermächtigung wandern möchte, muss konzerttechnisch noch auf Februar und März warten, wenn die Musikerin ihre neuen Stücke live präsentieren wird. Bereits diesen Mittwoch steigt aber in der Wiener Semmelweisklinik ein spezielles Listening Event, bei dem nicht nur das Album in Gänze vorgespielt wird, sondern auch Bilder der Künstlerin Ina Aydogan ausgestellt werden, die für das Cover der Platte verantwortlich zeichnet. "Party ist das falsche Wort dafür, eher teekränzchenmäßig", lacht Kovacs, die aber in Aussicht stellt: "Vielleicht singe ich ja ein kleines Ständchen."
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)