Anhörungen der künftigen EU-Kommissare beginnen
In Brüssel haben am heutigen Montag die Anhörungen der künftigen EU-Kommissarinnen und -Kommissare begonnen. Die Abgeordneten des Europaparlaments befragen das 26-köpfige Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über eine Woche lang in den jeweiligen Fachausschüssen. Österreichs Kommissarsanwärter Magnus Brunner (ÖVP) wird sich am Dienstagabend den Fragen der EU-Parlamentarier stellen müssen.
Den Anfang machten am heutigen Montagnachmittag (seit 14.30 Uhr) die designierten EU-Kommissare aus der Slowakei, Maroš Šefčovič (Handel, ökonomische Sicherheit, Transparenz und interinstitutionelle Beziehungen) und Malta, Glenn Micallef (Sport, Jugend, intergenerationelle Fairness und Kultur). Am Abend folgen der Luxemburger Christoph Hansen (Landwirtschaft) und der Grieche Apostolos Tzitzikostas (Transport und Tourismus).
Nach den Hearings entscheiden die Abgeordneten der jeweiligen Ausschüsse, ob sie die Kandidatin oder den Kandidaten absegnen oder nicht. Ein Selbstläufer sind die Anhörungen nicht, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Vor der ersten Amtszeit von der Leyens 2019 hatten die Parlamentarier drei Anwärterinnen und Anwärter abgelehnt.
Noch-Finanzminister Brunner, der am Dienstagabend vom Ausschuss für "bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres" befragt wird, zählt in Brüssel nicht zu den Wackelkandidaten. Für eine Überraschung sorgte er aber bereits mit einer schriftlichen Antwort auf einen Fragenkatalog der EU-Abgeordneten: Darin sprach er sich entgegen der Regierungslinie in Wien für eine vollständige Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in den Schengen-Raum aus.
Brunner kündigte auch an, rasch das vom EU-Gipfel geforderte und von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte neue EU-Gesetz für schnellere Abschiebungen vorlegen zu wollen. Als EU-Kommissar für Migration und Inneres wird Brunner zudem maßgeblich für die Umsetzung des EU-Asyl- und Migrationspaktes verantwortlich sein.
Brunner dürfte neben der Stimmen aus der eigenen konservativen EVP-Fraktion auch auf jene der Sozialdemokraten und Liberalen zählen dürfen, da diese zum Durchbringen ihrer eigenen Kandidaten auf die EVP-Stimmen angewiesen sind. Zusätzlich bedarf Brunner aber auch der Stimmen der Grünen oder der rechten EKR-Fraktion, zu denen unter anderen die italienischen Fratelli d'Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehören.
Die Fraktionen im EU-Parlament halten sich mehrheitlich bedeckt, wie sie abstimmen wollen, ergab ein Rundruf der APA unter den österreichischen Delegationen. Die Fraktion "Patrioten für Europa" wird laut einem FPÖ-Sprecher geschlossen gegen Brunner stimmen. Die Partei hatte bereits sehr kritisch auf die Nominierung Brunners für das Migrationsressort reagiert.
Brunners eigene ÖVP gibt sich optimistisch, dass der Vorarlberger das Hearing positiv absolvieren wird. Aus EVP-Kreisen heißt es, mit Querschüssen der Grünen oder der Patrioten werde gerechnet. Die eigene Fraktion dürfte Brunner aber ihr Ja geben.
Die EU-Fraktionen, denen SPÖ, Grüne und NEOS angehören, wollen laut eigenen Aussagen das Hearing abwarten. Das Stimmverhalten hänge von den Antworten des Kommissaranwärters ab. "Auch wenn wir nicht direkt über Magnus Brunner abstimmen, beobachten wir seine Positionen zur Schengen-Erweiterung genau - Österreich darf sich nicht weiter isolieren und Fortschritte bei Sicherheit und Wohlstand blockieren. Wir hoffen, dass Brunner in seiner neuen europäischen Aufgabe dazu beitragen wird", kommentierte NEOS-Delegationsleiter Helmut Brandstätter zur APA.
Nach den Hearings wird das EU-Parlament dann nochmals über die neue EU-Kommission als Ganze abstimmen. Dies dürfte laut aktuellem Plan Ende November passieren. Sollten in den kommenden Tage aber einige Anwärter nicht bestätigt werden, könnte der Zeitplan ins Wanken kommen und die neue Kommission dürfte nicht, wie geplant, am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen.