US-Wahl in vollem Gang - warten auf Ergebnisse
Nach einem hitzigen und teils aggressiven Wahlkampf haben in den USA Millionen Menschen über den künftigen Kurs des Landes abgestimmt. Die Präsidentschaftswahl zwischen der Demokratin Kamala Harris und dem Republikaner Donald Trump verlief ohne größere Zwischenfälle. Beide Kandidaten zeigten sich trotz des laut Umfragen zu erwartenden Kopf-an-Kopf-Rennens zuversichtlich. Die Bürger stimmen auch über das Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im US-Senat ab.
Erste Wahllokale sollten in den Staaten Kentucky und Indiana um Mitternacht MEZ schließen, aussagekräftige Ergebnisse zum landesweiten Ausgang dürfte es aber frühestens in einigen Stunden geben. Im Fokus standen dabei sieben Swing States, in denen das Ergebnis offen war und die über die landesweite Mehrheit entscheiden dürften. Wegen der verzögerten Auszählung von Briefwahlstimmen könnte es erst in einigen Tagen einen Sieger geben.
Eine am späten Dienstagnachmittag (Ortszeit) veröffentlichte Nachwahlbefragung des Instituts Edison Research ließ erste Rückschlüsse auf den Wahlausgang zu. Demnach gab es mit 53 Prozent einen deutlicheren Frauen-Überhang in der Wählerschaft als vor vier Jahren (52 Prozent). 48 Prozent haben eine positive Meinung von Harris, 44 Prozent eine positive Meinung von Trump. Für 35 Prozent der Wähler war die Demokratie das wichtigste Thema bei der Stimmabgabe, gefolgt von der Wirtschaft mit 31, Abtreibung mit 14, Einwanderung mit elf und der Außenpolitik mit vier Prozent. Detailergebnisse aus den Swing States zeigten, dass Harris in Pennsylvania, North Carolina, Georgia, Michigan und Wisconsin höhere Beliebtheitswerte als Trump. Lediglich in Nevada und Arizona war es umgekehrt.
Trump stimmte in Palm Beach im Bundesstaat Florida in der Nähe seines Wohnsitzes ab. "Ich bin sehr zuversichtlich. Wir sind mit einem sehr großen Vorsprung reingegangen", sagte er vor Reportern. Der Wahlausgang werde alles andere als knapp sein, prognostizierte er. Trump kam mit seiner Frau Melania in das Wahllokal. Er erklärte, dass er im Fall seiner Wahlniederlage diese unter der Bedingung eines fairen Wahlverlaufs anerkennen würde: "Wenn ich eine Wahl verliere, wenn es eine faire Wahl ist, wäre ich der erste, der das anerkennt." Doch schon kurze Zeit später säte er in sozialen Medien Zweifel am Wahlverlauf, nachdem es in der Metropole Philadelphia Probleme bei Wahlmaschinen gegeben hatte. "Es wird viel über massiven BETRUG in Philadelphia geredet. Die Strafverfolgungsbehörden kommen!!!", schrieb er auf Truth Social.
Vizepräsidentin Harris verbrachte den Wahltag teils in ihrer Residenz in der US-Hauptstadt Washington. Dem Radiosender KDKA sagte die 60-Jährige, sie wolle im Kreise ihrer Familie Zuhause Abendessen und später zu einer demokratischen Wahlparty an ihrer ehemaligen Universität gehen. "Ich werde an meiner Alma Mater sein, der Howard University", so Harris.
Bei der Wahl steht viel auf dem Spiel: Die innenpolitische Stabilität der USA sowie das ohnehin wackelige Gleichgewicht der Weltpolitik. Die Demokratin Harris könnte die erste Frau an der Spitze der USA werden. Trump könnte nach seiner Abwahl vor vier Jahren erneut ins Weiße Haus einziehen. Bidens 60-jährige Vizepräsidentin steht inhaltlich eher für Kontinuität und für eine stabile Außenpolitik der Weltmacht. Der Ex-Präsident hingegen ist stolz auf seinen unberechenbaren und aggressiven Kurs.
Der Ausgang der Wahl wurde nicht nur mit Spannung, sondern auch mit Sorge vor möglichen Ausschreitungen erwartet. Die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land wurden hochgefahren - zunächst gab es aber nur punktuell Zwischenfälle.
Zwischenzeitlich sorgten Bombendrohungen unter anderem im besonders umkämpften "Swing State" Georgia für Unterbrechungen beim Wählen. Die US-Bundespolizei FBI sah eine Spur nach Russland: "Dem FBI sind Bombendrohungen gegen Wahllokale in mehreren Bundesstaaten bekannt, von denen viele von russischen E-Mail-Domänen zu stammen scheinen. Bisher konnte keine der Drohungen als glaubwürdig eingestuft werden", hieß es in einer Mitteilung. US-Geheimdienste hatten am Montag gewarnt, dass Russland wie schon in den Tagen zuvor versuchen könnte, die Abstimmung zu beeinflussen. Außerdem warnte das FBI vor manipulierten Videos, die angeblich von der US-Bundespolizei stammen sollen. In einem sei von Terrorgefahr an Wahllokalen die Rede und Amerikaner würden aufgefordert, per Briefwahl abzustimmen. In einem anderen Video gehe es um vermeintlichen Wahlbetrug durch Insassen von fünf Gefängnissen, hieß es. Beide Videos seien nicht authentisch, erklärte die Behörde.
Am Besucherzentrum des US-Kapitols in Washington nahm die Polizei einen Mann fest, der nach Benzin roch und eine Leuchtpistole bei sich hatte. Das teilte die Kapitol-Polizei auf der Plattform X mit. Der Mann sei bei der Sicherheitskontrolle aufgefallen. Im Besucherzentrum werde es während der Ermittlungen nun vorläufig keine Touren mehr geben. Das Kapitol in der US-Hauptstadt ist der Sitz des Kongresses, also der beiden Kammern des US-Parlaments. Dort befinden sich das Repräsentantenhaus und der Senat.
Viele US-Amerikaner fürchten gewalttätige Zwischenfälle rund um die Wahl. Trump antwortete auf eine entsprechende Frage, dass er nicht mit Ausschreitungen seiner Anhänger rechne. "Natürlich wird es keine Gewalt geben", sagte er. Das müsse er seinen Unterstützern auch nicht explizit sagen. "Meine Unterstützer sind keine gewalttätigen Menschen", sagte der 78-Jährige. Auch er selbst wolle keine Gewalt. Trump hatte in den vergangenen Wochen immer wieder Zweifel an der Integrität der Wahl gesät und von angeblichem Betrug der Demokraten gesprochen.
Seine Wahlniederlage 2020 hatte Trump nie eingestanden. Am 6. Jänner 2021 hatte er seine Anhänger stattdessen durch unbelegte Behauptungen aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg durch massiven Betrug gestohlen worden sei. Ein gewalttätiger Mob stürmte daraufhin das Kapitol, in dem der Sieg des Demokraten Joe Biden formal bestätigt werden sollte. Infolge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.
Der US-Präsident wird nicht direkt vom Volk gewählt. Die Stimmen der Wählerinnen und Wähler entscheiden über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums, das im Dezember dann den Präsidenten wählt. Jeder Bundesstaat hat eine bestimmte Stimmenanzahl, die sich in etwa nach der Einwohnerzahl richtet.
Bei der Wahl gilt in fast allen Bundesstaaten das Prinzip, dass der Kandidat, der dort gewinnt, die Stimmen aller Wahlleute des Bundesstaats erhält. Für den Einzug ins Weiße Haus braucht ein Kandidat letztlich also nicht absolut die meisten Stimmen ("popular vote"), sondern die Mehrheit der 538 Wahlleute - mindestens 270.
Viele Wähler gaben schon vor dem Wahltag ihre Stimme ab. Nach Angaben des "Election Lab" der Universität Florida stimmten rund 83 Millionen US-Bürger per Brief oder in vorher geöffneten Wahllokalen ab. Das entspricht mehr als der Hälfte der 2020 bei der Präsidentenwahl insgesamt abgegebenen Stimmen.