Die Volksoper lässt schwungvoll den "Krieg der Knöpfe" toben
"Der Krieg der Knöpfe" aus 1912 ist ein Klassiker der französischen Jugendliteratur. Bei der Uraufführung des von Johanna Arrouas inszenierten Stückes an der Wiener Volksoper brachten die rivalisierenden Jugendbanden aus dem benachbarten Longeverne und Velrans den Bretterboden kräftig zum Schwingen - auch aufgrund der schwungvollen Chansons, die die jungen und alten Dorfbewohner anstimmen, sowie gelungener Slapstickeinlagen. Eine bejubelte Musiktheatermatinee.
Die Fehde übernahmen die Banden um den adoleszenten Anführer Julien Lebrac aus Longeverne sowie seinen Gegenspieler Aztec aus Velrans schon von ihren Eltern. Es gilt als große Schande, mit beim Kampf im Wald von der Gegenseite abgeschnittenen Knöpfen nach Hause zurückzukehren. Hier regiert nämlich der Ernst des Lebens - oder vielmehr der Ärger der Eltern. Aber das Ringen miteinander ist eben auch ein Spiel: Als beim Kampf der Buben ein Hase verletzt wird, halten beide Lager inne und verarzten das arme Tier gemeinsam (welches letztlich Obhut beim leicht verschrobenen, an Waldgeister glaubenden Gendarm Joseph findet).
Das Kämpfen ist von Strategie und Cleverness geprägt - nicht zuletzt, weil die Mädchen um Marie aus Longeverne kräftig mitmischen. Und sie wollen sich auch so gar nicht in herkömmliche Geschlechterklischees drängen lassen. Vielleicht wäre das Bekriegen - beim letzten großen Kampf prügeln sich auch die Mädchen mit - ewig so weitergegangen, wenn da nicht der durchgreifende, den Kindern sehr wohlgesonnene Lehrer Louis aus Longeverne gewesen wäre - der übrigens auch ein bisschen in die Dorfwirtin, Maries Mutter, verliebt ist. Oder der strenge, sich eigentlich vielmehr sorgende Vater von Julien, der am Ende seine Drohung wahr macht und den Bub aufs Internat schickt.
Die gebürtige Wienerin Johanna Arrouas, Ensemblemitglied der Volksoper und vielleicht manch jungem oder älteren Besucher des Hauses am Gürtel etwa als weibliche Titelfigur aus "Hänsel und Gretel" bekannt, setzt ihre Bühnenfassung in Frankreich vor 100 Jahren an. Während auf der großen Leinwand im Hintergrund mal die Silhouette des rivalisierenden Nachbardorfes, mal der Wald das Geschehen begleiten, findet vorne Leben am Dorfplatz, das Büffeln in der Schule ("Was ist Frankreich?"- "Eine Republik!") oder eben das Bekriegen statt. Es ist ein sehr gelungenes Spiel mit Kulisse und Requisiten.
Rasanz erhält das Stück, das in Anlehnung an den schon mehrfach verfilmten Roman "La Guerre des boutons" von Louis Pergaud (1882-1915) entstand, vor allem auch über die inbrünstig vorgetragenen Chansons, darunter Stücke von Jacques Brel oder Georges Brassens, und das schwungvolle Spiel von Helmut Thomas Stippich (musikalische Leitung) mit Baskenmütze am Akkordeon und seinen Begleitern. Gesungen wird mal auf Deutsch, mal auf Französisch, auch von den überzeugenden Jungdarstellerinnen und -darstellern des Kinderchors der Volksoper.
Hier vibriert spürbar die französische Seele. "Liberté, Égalité, Fraternité" - von allem ist etwas dabei, etwa das adoleszente Festhalten an der Freiheit, die im Spiegel von Geschlechterstereotypen eingeforderte Gleichheit sowie - und vor allem - die Brüderlichkeit, die auch das Ende des etwa 70-minütigen Stückes prägt. Eine kraftvolle, unterhaltsame Darbietung, sicherlich nicht nur für Frankophile und für Groß und Klein. Beim Verlassen des Theaters vernahm man einige, die "Les Champs-Élysées" summend auf die Straße und mit in den restlichen Sonntag trugen.
(Von Lena Yadlapalli/APA)