Warum die CDU/CSU sofort wählen will und die SPD erst später
Die Mehrheit der Deutschen, die Opposition und selbst der verbliebene Ampelpartner, die Grünen – alle sind für einen raschen Neuwahltermin.
Berlin – Seine Regierungserklärung will der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch wie geplant im Bundestag halten. Dem Wunsch der Opposition, gleich die Vertrauensfrage zu stellen, werde der Kanzler aber auf keinen Fall entsprechen, sagte Regierungssprecher Stefan Hebenstreit am Montag.
Scholz plant, erst dann den Weg zur Neuwahl freizumachen, wenn es eine Einigung über jene Gesetzesvorhaben gibt, die mit den Stimmen der Union (CDU/CSU) bis zum Jahresende beschlossen werden könnten. Gelinge dies, habe er kein Problem damit, sich noch vor Weihnachten vom Bundestag abwählen zu lassen, sagt Scholz Sonntagabend in der ARD. Ursprünglich hatte er dafür einen Termin im Jänner vorgesehen, doch der Druck auf ihn wurde zu groß, und das nicht nur von der Opposition. Auch 65 Prozent der Deutschen sind für die Neuwahl „zum frühesten Zeitpunkt“, ergab eine Befragung des „ARD-Deutschlandtrend“.
Sogar der verbliebene Koalitionspartner, die Grünen, fordert den Kanzler auf, „auf jeden Fall in dieser Woche noch Klarheit zu schaffen“. Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang mahnte die SPD zudem, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei, um eigene „Lieblingsprojekte“ im Tausch gegen eine etwas schnellere Neuwahl durchzusetzen. So verfolgt die SPD etwa ein Rentenpaket mit einer Stabilisierung der Altersbezüge.
Die Union beharrt weiter darauf, dass zuerst das Datum für die Vertrauensfrage feststehen müsse, um dann Gespräche über „etwaige noch zwingend zu behandelnde Themen“ zu führen.
Scholz über ein Misstrauensvotum zu stürzen, kommt für die Union bislang nicht infrage, denn dazu bräuchte sie die Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD. Das würde ihr als Aufweichen der Brandmauer gegen AfD ausgelegt werden. Also wird weiter um den Termin gefeilscht.
Beweggründe für frühen bzw. späten Termin
Die Beweggründe beider Seiten sind offensichtlich. Die SPD versucht so viel Zeit wie möglich herauszuschlagen, um ihre desaströsen Umfragewerte (rund 16 Prozent) zu verbessern. Und die Union (CDU/CSU) will so schnell wie möglich wählen, weil sie mit rund 33 Prozent derzeit unangefochten an der Spitze aller Umfragen steht. Jeder kleine Fehler bis zur Wahl könnte sie Prozente kosten.
In der SPD andererseits bricht gerade eine Diskussion über die Kanzlerkandidatur aus. Während CDU-Chef Friedrich Merz von der Union bereits aufgestellt wurde, muss Olaf Scholz noch warten. Auch wenn die Parteispitze immer wieder betont, an Scholz führe kein Weg vorbei, die Deutschen sehen das anders. Sie hätten gern Verteidigungsminister Boris Pistorius als SPD-Kandidaten. Er war im Oktober der beliebteste deutsche Politiker. (sta)