Präsident des Klimagipfels klagt über zähe Verhandlungen
Zur Halbzeit der zweiwöchigen Klimakonferenz in Aserbaidschan hat sich der Präsident des UN-Treffens, Mukhtar Babayev, besorgt über das schleppende Tempo der Verhandlungen über milliardenschwere Klimahilfen für arme Staaten geäußert. "Ich mache mir Sorgen, dass sich die Parteien nicht schnell genug aufeinander zu bewegen", sagte er in Baku. Den größtmöglichen Ehrgeiz zu zeigen, sei schwierig und erfordere Mut.
Er richtete auch einen direkten Appell an die G20-Staaten, die sich zurzeit in Brasilien treffen und ebenfalls über die Klimakrise beraten. Diese stünden für 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und für 80 Prozent der klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen. Ihre Führungsrolle sei daher von entscheidender Bedeutung. "Ohne sie können wir keinen Erfolg haben. Und die Welt wartet darauf, von ihnen zu hören", sagte er. "Dies ist ihre Chance, ihre Führungsstärke unter Beweis zu stellen."
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) wird in der zweiten Woche der UNO-Klimakonferenz COP29 in Baku wie schon in den beiden Vorjahren als EU-Vertreterin federführend zu Fragen der Klimawandelanpassung verhandeln. Doch die Rahmenbedingungen in Aserbaidschan sind zuletzt nochmals schwieriger geworden. "Leider sehen wir noch zentrale offene Punkte in allen Bereichen. Mehr als zur selben Zeit letztes Jahr", sagte Gewessler am Montag vor Journalisten.
Laut Beobachtern gab es in der ersten Woche auf technischer Ebene kaum Fortschritte. Das Segment zu Klimawandelanpassungen auf Minister- und Ministerinnen-Ebene werde nun vermutlich am morgigen Dienstag beginnen. Dabei geht es darum, Maßnahmen zu setzen, um etwa Länder und Gegenden für nicht mehr verhinderbare Extremwetterereignisse durch die menschengemachte Erderwärmung zu wappnen. Dadurch sollen Risiken minimiert und Schäden begrenzt werden. Dazu zählen etwa Initiativen zum Schutz vor Starkregen, Überschwemmungen und Sturm oder die Umgestaltung von Städten, um die Gesundheit der Bevölkerung bei großen Hitzewellen zu schützen.
"Es zeichnet sich noch kein Kompromiss ab", sagte Gewessler. Aber die Bekämpfung der Wasserknappheit oder die Resilienz der Gesundheitssysteme seien besonders für afrikanische Länder sehr wichtig. Die "Überschriften" zu diesem Thema seien gut: "Aber was heißt das genau?", so Gewessler. Essenziell seien Ziele, die sowohl erreichbar als auch fair seien.
"Meine Erwartungen sind für dieses Jahr realitätsbezogen niedriger, aber umso wichtiger wird sein, dass wir hier um jeden Fortschritt ringen und umsetzen", sagte Gewessler. Wenn das Signal von Baku aus in die Welt gehe, dass der Prozess weitergehe und der "Multilateralismus lebt", sei dies laut Ministerin bereits ein Erfolg.
Konkret ist laut Beobachtern die Klimafinanzierung das größte Thema der diesjährigen COP. Zentrale Aufgabe der Delegationen aus fast 200 Ländern ist es, bis Ende der Woche einen neuen finanziellen Rahmen für die Zeit nach 2025 festzulegen. Expertenschätzungen zufolge sind künftig mindestens eine Billion Dollar pro Jahr notwendig, um Länder des Globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu unterstützen. Einige Berechnungen kommen sogar auf 2,4 Billionen Dollar.
"Es schwirren viele große Zahlen im Raum. Das macht das Vorankommen extrem schwierig und schürt große Erwartungen." Gewessler stellte in den Raum, dass einige Länder, die selbst nicht auf die Gelder angewiesen sind, die hohen Summen als Verhandlungstaktik einsetzen könnten.
Laut Beobachterinnen und Beobachtern der COP würden vor allem China und Länder aus dem arabischen Raum, allen voran Saudi-Arabien, viele Punkte in den Verhandlungen blockieren. Auch die Präsidentschaft des Gastgeberlandes Aserbaidschan lasse eine durchsetzungsfähige Vorsitzführung vermissen. Einige Länder hätten sich nach APA-Informationen aus informierten Kreisen nun aber an Aserbaidschan gewandt und eindringlich mehr Fortschritte bei den Verhandlungen eingefordert.
"Bei der Klimafinanzierung geht nicht um Almosen, sondern um ein Recht auf Unterstützung von Milliarden Menschen in Ländern des globalen Südens, die sich vor den Folgen der Klimakrise nicht schützen können. Es braucht mindestens eine Billion US-Dollar jährlich aus öffentlichen Mitteln, damit ausreichend Maßnahmen ergriffen werden können", forderte auch Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von Global 2000.
Beim Klimaschutz selbst, also der Reduktion von Emissionen, sei die Lage laut Gewessler jedoch noch ernster. Im vergangenen Jahr ist es bei der COP in Dubai erstmals geschafft worden, den Ausstieg aus klimaschädlichem Öl und Gas schriftlich festzuhalten. "Es ist immer nach einem großen Durchbruch so, dass es im Jahr danach wieder technischer und damit schwieriger wird." Der Bereich sei aber umso relevanter, als dass die Länder im kommenden Jahr wieder nationale Klimaziele (sogenannte NDCs) einreichen müssen.
Die EU-Kommission rief Österreich und zwölf weitere Mitgliedstaaten kürzlich dringend zur Vorlage ihrer endgültigen nationalen Energie- und Klimapläne (NEKP) auf und leitete ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Dieser Missstand soll laut Ministerium zeitnah beendet werden. Das finale Papier solle "so schnell wie möglich" nach Brüssel geschickt werden, sagte Gewessler. Grund für die Verspätung Österreichs, bereits der Entwurf war nicht zeitgerecht eingereicht worden, war ein innerkoalitionäres Gezerre zwischen Gewessler und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Wegen des fehlenden Entwurfs eröffnete die EU-Kommission bereits Ende Dezember 2023 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich.