Nebenklage-Plädoyers in Vergewaltigungsprozess in Avignon
Im Missbrauchsprozess von Avignon hat der mutmaßliche Serienvergewaltiger Dominique Pelicot sich mit Blick auf seine Familie reumütig gezeigt. "Ich hatte keine Ahnung, dass ich ihnen so viel Leid angetan habe", sagte er am Mittwoch bei seiner letzten Anhörung von Gericht. "Ich bedaure, was ich getan habe." Pelicot wandte sich auch direkt an seine Tochter Caroline, die ihrem Vater vorwirft, sie - wie ihre Mutter - mit Medikamenten betäubt und missbraucht zu haben.
"Ich kann ihr nicht das Gegenteil beweisen", sagte er. "Es fällt mir schwer, sie so zu sehen, ich möchte mit ihr darüber reden", begann der Angeklagte, bevor seine Tochter ihm von der anderen Seite des Gerichtssaals aufgebracht das Wort abschnitt. "Gib es doch zu, vor diesem Gericht", schrie sie ihn an. "Ich werde dich niemals wiedersehen. Du wirst allein zugrunde gehen."
Am Mittwoch haben die Plädoyers der Nebenklage begonnen. Gisèle Pelicot, die von ihrem Mann über Jahre hinweg immer wieder betäubt und gemeinsam mit fremden Männern vergewaltigt wurde, hatte während des Prozesses betont: "Eine Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung". Mehrere der 51 Angeklagten hatten argumentiert, sie hätten den Eindruck gehabt, sich an einem sexuellen Spiel eines freizügigen Paares zu beteiligen, in dem sich die Frau nur schlafend stellt.
Die Nebenklage um Opfer Pelicot betonte die Verantwortung aller 51 Angeklagten für die zigfache Vergewaltigung. "Alle haben, zumindest als sie dieses Horrorhaus verlassen haben, verstanden, dass andere vor ihnen kamen und andere folgen würden", sagte Anwalt Antoine Camus. "Jeder hat in seinem Maß, auf seinem Niveau zu dieser Monstrosität, zu diesem Martyrium dieser Frau beigetragen." Alle 50 neben Pelicots Ex-Mann angeklagten Männer hätten entschieden, einen Körper zu missbrauchen, der keine Einwilligung geben konnte. Alle hätten entschieden, sich vom Denken zu verabschieden.
Dominique Pelicot hatte den Mitangeklagten - und zahlreichen weiteren Männern, die nicht identifiziert werden konnten - in Internetforen angeboten, seine betäubte Frau zu vergewaltigen. Nur wenige der Angeklagten hatten sich in dem seit Anfang September laufenden Prozess bei Gisèle Pelicot für ihre Taten entschuldigt.
Gisèle Pelicot wird in Frankreich inzwischen als feministische Heldin gefeiert. "Es ist an der Zeit, Vergewaltigung mit anderen Augen zu sehen", hatte die 72-Jährige am Vortag bei ihrer letzten Anhörung erklärt und vor der "Verharmlosung" sexueller Gewalt gewarnt.
Pelicot habe mit der Entscheidung, den Prozess offen zu führen, auch zeigen wollen, wie eine Vergewaltigung im Jahr 2024 in Frankreich verteidigt wird, erklärte ihr Anwalt Camus. Nicht alle Opfer hätten das Glück, jeden Tag Applaus zu erhalten sowie Bestärkung, am nächsten Tag wiederzukommen. "Sie durchleben das allein im Saal mit ihrem Vergewaltiger."
Zu dem Vorgehen des Ex-Mannes, seine Frau mit Medikamenten zu betäuben, sagte Camus: "Die chemische Unterwerfung ist nichts anderes als der Modus Operandi des perfekten Verbrechens." Jeden Tag sei Pelicot bei sich zu Hause mit ihrem Ehemann aufgewacht. Das andere Gesicht ihres Mannes habe sie nicht gekannt.
Camus sagte, 99 Prozent der Opfer eines solchen Vorgehens hätten keine Beweise. Die Tochter der Pelicots, die vermutet, ebenfalls von ihrem Vater betäubt und missbraucht worden zu sein, bestätige diese Regel. Gisèle sei durch die Masse an Videos und Fotos der Taten die Ausnahme. "Ohne diese Videos ist es wahrscheinlich, dass diese Misshandlung Gisèles angedauert hätte, bis dies sie umgebracht hätte."
Von Montag an soll die Staatsanwaltschaft ihre Plädoyers halten, anschließend sind die Anwälte der Angeklagten an der Reihe. Das Urteil soll spätestens am 20. Dezember fallen.