Furrers "Begehren" endete bei Wien Modern in Sprachlosigkeit
Ein Ständchen wäre noch verfrüht gewesen. Dennoch stand Dienstagabend im Wiener Konzerthaus alles im Zeichen des 70. Geburtstags von Beat Furrer. Diesen begeht der österreichische Komponist Schweizer Herkunft am 6. Dezember und durfte sich im Rahmen von Wien Modern bereits feiern lassen. Anlass war eine konzertante Aufführung von "Begehren", Furrers wortgewandter und klangreicher Orpheus-Bearbeitung, die am Ende sprachlos machte.
2001 in Graz uraufgeführt, hat sich Furrer für seine Oper bei Autoren wie Cesare Pavese, Günter Eich, Ovid und Vergil bedient, um dem Mythos des griechischen Sängers, der seine geliebte Eurydike aus der Unterwelt zurückholen will, nachzuspüren. Doch steht hier kein narrativer Bogen im klassischen Sinn im Vordergrund, sondern werden vom Darstellerpaar - simpel als "Er" und "Sie" benannt - unterschiedliche Seelenzustände beleuchtet, die in erster Linie von Verlangen, Erinnerung und Sehnsucht erzählen.
Wie schon bei den Salzburger Festspielen diesen Sommer, führte Furrer selbst das von ihm gegründete Klangforum Wien durch die Erkundungsreise, die sich aus kaum wahrnehmbaren Fragmenten ebenso speiste wie aus kraftvollen Eruptionen. Auf dieses vielseitige Feld setzte zunächst Christoph Brunner (Er) seine Wortpflänzchen, die nicht selten aus rhythmischem Atmen erwuchsen. Von Schatten, Leere und Schemen war da die Rede, ein ums andere Mal vom Chor Cantando Admont kommentiert oder gar verstärkt.
Sarah Aristidou durfte als sein Gegenüber zunächst nur zaghaft ins vage Geschehen eingreifen, ließ ihren Sopran dafür aber umso heller erklingen, wenn es gefragt war. Die Distanz zwischen gesprochenem Wort und Gesang wurde noch gesteigert, als sich immer wieder deutsche und lateinische Abschnitte gegenüberstanden. Der Tod, ein Gebirge, die Nacht - Trennendes gab es reichlich, und doch schien das Empfinden füreinander ungeahnte Kräfte zu mobilisieren. Einzig ein Happyend war ihnen nicht beschieden.
Die Musikerinnen und Musiker des Klangforums erklommen eindrucksvoll steilste Anstiege, um danach in dunkel schimmernde Tiefen abzutauchen. Entsprechend abwechslungsreich gestalteten sich auch die zehn Szenen, die für "Begehren" in kurzweiligen 80 Minuten durchschritten wurden. Dass dem großen Sänger Orpheus, der selbst die Steine erweichen konnte, am Ende die Stimme gänzlich versagt und einzig ein Atmen, Säuseln, Hecheln übrig bleibt, passt natürlich. Immerhin ist es nicht zuletzt die Stille, die Furrer im Lauf seiner Karriere zu vielen erinnerungswürdigen Momenten verhalf.
(Von Christoph Griessner/APA)