Steiermark hat gewählt: Erdrutschsieg für die FPÖ, ÖVP verliert massiv
Bei der Landtagswahl in der Steiermark konnte die FPÖ den ersten Platz für sich verbuchen. Die Freiheitlichen kommen auf 34,8 Prozent, die ÖVP stürzt mit 26,8 Prozent – einem Minus von 9,3 Prozent – auf den zweiten Platz ab. Die SPÖ landet mit 21,4 Prozent auf Platz drei.
Graz – Die FPÖ hat bei der Landtagswahl in der Steiermark am Sonntag einen Erdrutschsieg eingefahren. Nach Auszählung aller Gemeinden kommt die FPÖ inklusive einer APA/ORF/Foresight-Briefwahlprognose auf 34,8 Prozent, mit großem Abstand vor der ÖVP, die nur noch 26,8 Prozent verzeichnet. Die SPÖ fuhr mit 21,4 Prozent ein weiteres Rekord-Minus ein. Die Grünen kommen auf nur mehr 6,2 Prozent. NEOS (5,9 Prozent) und KPÖ bei (4,4) schafften den Einzug.
Schwarz-Rot hat damit knapp keine Mandatsmehrheit mehr. Das Ergebnis inklusive Briefwahlschätzung umfasst auch die (wenigen) noch am Montag auszuzählenden Briefwahlstimmen. Die meisten der Briefwahlkarten sind bereits am Wahlsonntag mitausgezählt worden. Die Schwankungsbreite beträgt nur mehr +/- 0,3 Prozentpunkte.
Die FPÖ legte damit gegenüber der Wahl 2019 um das Rekordplus von 17,3 Prozentpunkten zu, was einer Verdoppelung entspricht. Die ÖVP büßte 9,3 Punkte ein und verzeichnet mit den 26,8 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten. Die SPÖ unterbot ihr historisch schlechtestes Ergebnis von der letzten Wahl noch einmal um 1,6 Prozentpunkte. Die Grünen halbierten sich (-5,9), die NEOS legten minimal zu (+0,5). Die KPÖ verlor deutlich - und zwar um 1,6 Prozentpunkte.
In Mandaten bedeutet das für die FPÖ künftig 17 Mandate (+9). Die ÖVP kommt auf nur mehr 13 (-5), die SPÖ auf elf Sitze (-1). Schwarz und Rot hätten damit im 48 Sitzen starken Landtag damit gemeinsam nur mehr 24 Sitze und die Mehrheit um einen Sitz verpasst. Durch die Wahlkarten könnte noch ein Mandat von der SPÖ zu den NEOS wandern, so Foresight.
Die Grünen verlieren die Hälfte ihrer Mandatare und sind künftig nur noch mit drei Mandaten vertreten. Die NEOS kommen demnach wie die KPÖ auf zwei Abgeordnete.
Die nur im Wahlkreis Graz und Umgebung angetretenen Listen KFG, MFG und DNA haben allesamt den Einzug deutlich verpasst. Die Wahlbeteiligung bei der diesjährigen Wahl lag bei 70,3 Prozent (2019: 63,46 Prozent).
Das von der Landeswahlbehörde am Sonntagabend veröffentliche Ergebnis weicht von jenem inklusive der APA/ORF/Foresight-Briefwahlprognose nur wenig ab: Im Sonntags-Ergebnis (ohne die restlichen Briefwahlstimmen, die am Montag ausgezählt werden) kam die FPÖ auf 35,02 Prozent, die ÖVP auf 26,87 Prozent und die SPÖ auf 21,36 Prozent. Die Grünen erzielten 6,07 Prozent, die NEOS auf 5,85 Prozent und die KPÖ auf 4,41 Prozent. Die Liste KFG erzielte 0,09 Prozent, die MFG 0,08 Prozent und die Liste DNA 0,25 Prozent.
Beim Urnengang 2019 war die ÖVP mit großem Abstand auf Platz eins gekommen: Damals erreichte die Volkspartei 36,05 Prozent. Platz zwei ging mit Respektabstand an SPÖ, die mit 23,02 ein historisches Minus einfuhr. Die FPÖ lag bei nur 17,49 Prozent. Die Grünen konnten damals mit 12,08 Prozent ihr Rekordergebnis in der Grünen Mark verzeichnen. Die KPÖ lag bei 5,99 Prozent, die NEOS kamen auf 5,37 Prozent.
Insgesamt waren 941.509 Steirerinnen und Steirer aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Neun Parteien standen am Stimmzettel, sechs davon landesweit. Wahlschluss war 16 Uhr.
Reaktionen aus Tirol
Der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger zeigte sich über das Wahlergebnis in der Steiermark sehr erfreut: „Ein großer Tag für die Steiermark, ein großer Tag für Österreich“. Die hohe Zustimmung für den FPÖ-Spitzenkandidaten Mario Kunasek und die FPÖ generell zeige, dass die Menschen eine Veränderung wollen.
Für Philip Wohlgemuth (SPÖ) ist das Ergebnis ohne Zweifel ein „politisches Erdbeben“. Er sieht dahinter einen klaren Auftrag: „Wir müssen Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit finden. Die SPÖ Tirol und ich sind dazu entschlossen und motiviert.“ „Natürlich hätten wir uns als SPÖ ein anderes Ergebnis für die Steiermark und unsere Bewegung gewünscht. Nichtsdestrotrotz: Anton Lang, sein Team und die SPÖ Steiermark haben einen engagierten und fairen Wahlkampf geführt“
FPÖ sieht historisches Ergebnis
Der freiheitliche Spitzenkandidat Kunasek hätte das Ergebnis in dem Ausmaß nicht erwartet. Ob er Landeshauptmann werde, würden die kommenden Tage zeigen. Die Freiheitlichen erhalten jetzt automatisch den Regierungsbildungsauftrag. Landesgeschäftsführer Stefan Hermann betonte, ihre Hand sei in Richtung ÖVP und SPÖ ausgestreckt.
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Kunasek hat Sieg „in dieser Höhe nicht erwartet“, Drexler sieht sich als Bauernopfer
Die ÖVP hatte für die Niederlage mit einem Minus von fast zehn Prozentpunkten schnell einen Schuldigen gefunden - den Bundespräsidenten, weil dieser nicht FPÖ-Chef Herbert Kickl den Regierungsbildungsauftrag gegeben habe: "Ich komme mir heute ein bisschen wie das Bauernopfer der Republik vor", klagte Landeshauptmann Drexler und hoffte: "Die Sonne wird uns wieder scheinen." Drexler wird am Montag in der ÖVP die Vertrauensfrage stellen, ist aber hoch motiviert weiter zu arbeiten. VP-Generalsekretär Christian Stocker zeigte sich über das Ergebnis in der Steiermark enttäuscht, sieht die Koalitionsverhandlungen im Bund aber davon nicht betroffen.
Genauso sieht das SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim: "Das ist eine steirische Wahl und ein steirisches Ergebnis." Auf Bundesebene gehe es darum, ein Bündnis der konstruktiven Kräfte zu schmieden. Landesgeschäftsführer Florian Seifter sah als Ursache für das schwache Abschneiden seiner Partei mit einem Minus von fast zwei Prozentpunkten einen nationalen und globalen Trend, der bereits bei der Nationalratswahl zu beobachten gewesen sei. Eine Personaldebatte um Landesparteichef Anton Lang kann er sich nicht vorstellen.
Enttäuschung bei kleinen Parteien
"Das Ergebnis tut einfach nur weh", sagte der Landesgeschäftsführer der steirischen Grünen, Timon Scheuer, in einer ersten Reaktion. Offensichtlich habe die Zuspitzung auf das Rennen um Platz eins eine Situation geschaffen, in der es nicht gelungen sei, mehr Menschen zu überzeugen.
Mit einer "schwierigen bundespolitischen Lage" begründete auch KPÖ-Geschäftsführer Robert Krotzer das enttäuschende Ergebnis der Kommunisten. NEOS-Spitzenkandidat Niko Swatek freute sich über den leichten Zugewinn seiner Partei und meinte, man bleibe die treibende Kraft in der Steiermark.
Freiheitliche legten in allen Gemeinden zu
Das starke Abschneiden der FPÖ bei der Landtagswahl in der Steiermark spiegelt sich auch in den Gemeinde-Ergebnissen wider. Die Freiheitlichen konnten in allen 286 Gemeinden zulegen und schafften es in 194 auf Platz eins. Die ÖVP hingegen, die landesweit massive Verluste einfuhr und wie die SPÖ einen historischen Tiefststand hinnehmen musste, konnte nur in einer einzigen Gemeinde zusätzliche Stimmen lukrieren. Die SPÖ verlor in 246 Gemeinden, die Grünen in 282.
Stimmenstärkste blaue Gemeinde war die vom geplanten Leitspital Liezen betroffene Gemeinde Rottenmann mit 63,23 Prozent – dort will die FPÖ das bestehende Spital statt des Neubaus in Stainach-Pürgg ausbauen. Am schwächsten schnitt die Partei in Graz mit 21,43 Prozent ab, wo es aber auch ein Plus von 8,32 Punkten gab.
Ein schwarzes Minus setzte es in 285 Gemeinden, die Partei konnte aber dennoch überall punkten. In 197 der Gemeinden betrug der Verlust mehr als zehn Prozentpunkte. Das schlechteste schwarze Ergebnis setzte es in Rottenmann mit nur 5,07 Prozent (minus 9,6 Punkte).
Auch die massiven Verluste der Grünen (minus 5,9 Punkte auf ein Ergebnis von 6,2 Prozent) zeigen sich auf Gemeindeebene: In 282 davon verloren die Grünen Stimmen. In 223 davon erzielte die Partei weniger als fünf Prozent. Die noch stimmenstärkste grüne Gemeinde war Graz mit 14,02 Prozent, wo es allerdings ein Minus von 10,65 Prozentpunkten setzte. Ein Plus gab es in nur vier Gemeinden.
Blaue Welle in Spitalsgemeinden
Inhaltlich eines der herausragenden Themen des Wahlkampfs war das geplante Leitspital. In den von einer Auflassung der eigenen Krankenhäuser bedrohten Gemeinden konnte die FPÖ erdrutschartige Gewinne verzeichnen. In Rottenmann wählten mehr als 63 Prozent freiheitlich, in Schladming rund 51 Prozent. Auch in Bad Aussee reichte es zu Platz eins. Doch selbst in Stainach-Pürgg, wo das neue Leitspital stehen soll, kam die FPÖ mit plus 17 Punkten und fast 30 Prozent Stimmenanteil auf ein starkes Ergebnis.
Die Freiheitlichen "wilderten" auch in den roten Kerngebieten in der Obersteiermark. So holte man etwa in Bruck/Mur oder Judenburg Platz eins. In Kapfenberg und Leoben verpasste man ihn nur knapp.
Wenn es für Landeshauptmann Drexler heute irgendwo Trost gab, dann in seiner Wohnort-Gemeinde Passail. Dort legte die ÖVP ganz gegen den Landestrend rund acht Prozentpunkte zu und holte mit 54 Prozent eine satte absolute Mehrheit. (TT.com, APA)