"Politische" Swarovski Wunderkammern als Poesie-Gegengewicht
Der mexikanisch-kanadische Künstler Rafael Lozano-Hemmer, der zwei neue "Wunderkammern" in den Swarovski Kristallwelten in Wattens in Tirol gestaltet hat, will mit seinen Werken unterschiedlichen Herzschlägen und Stimmen Raum geben. Seine Arbeiten seien damit "politisch" und ein Gegengewicht zur "poesielosen Politik". "Die Kunstwerke sollen dazu anregen zu reflektieren, dass wir unterschiedlich und doch eine Einheit sind und uns einen Planeten teilen", sagte er zur APA.
Die Kunst habe ganz unterschiedliche Möglichkeiten, um diesen Nachdenkprozess anzustoßen, betonte er. "Kunst hat dazu eben im Gegensatz zur Politik die Mittel der Schönheit und der Poesie zur Hand", erklärte er. Das bedeute beispielsweise, dass es der Kunst möglich sei, "das Unsichtbare sichtbar zu machen", so Lozano-Hemmer. Im besten Fall löse sie etwas bei den Betrachtern aus: "Wir brauchen deutlich mehr Empathie und nicht zuletzt das Bewusstsein, dass das Leben sehr zerbrechlich, kostbar und individuell ist."
Besonders der erste Raum "Pulse Voronoi" - der wie der zweite Raum Dienstagabend offiziell eröffnet wurde - stehe in dieser Funktion. "Man hört dort 7.000 unterschiedliche Herzschläge", führte er aus. Der Herzschlag sei etwas, das alle Menschen teilen, der sich aber tatsächlich jeweils stark unterscheide. "Wir sind uns also alle ähnlich und doch zugleich überaus unterschiedlich, sodass aus unseren Unterschieden rhythmische Musik werden kann", meinte der Elektronikkünstler. Zudem könne jeder Besucher zum Kunstwerk aktiv beitragen: "Das Kunstwerk ist interaktiv und jeder Gast kann seinen Herzschlag in einen der 7.000 Kristalle übertragen."
Die Gedanken von Unterschiedlichkeit bei gleichzeitiger Einheitlichkeit spiegeln sich auch in der Form der Kristalle selbst wider. "Ich gehe bei dem Werk von einer Explosion eines Kristall-Kubikmeters aus, der durch einen großen Knall in 7.000 Stücke zersplittert", so Lozano-Hemmer. Man könne diese Splitter allerdings damit auch wieder "zusammenfügen", wie ein "3D-Puzzle". Die Idee dahinter sei klar: "Wir sind verbunden, wir haben alle den gleichen Ursprung."
Einen ähnlichen Ansatz verfolge auch die Wunderkammer "Kristallstimmen", bei der mit 3.000 Lautsprechern 3.000 Stimmen und Geschichten von Swarovski-Mitarbeitenden erklingen. Diese erzählten von ihrem Werdegang bei dem Unternehmen und ihrem Bezug zum Thema Kristalle. "Ich als Sozialist mag es, dass diese Personen hinter dem Unternehmen hier ausreichend Platz im Museum finden", so Lozano-Hemmer. Auch diese Arbeit sei somit "politisch": "Aber sie ist eben auch schön und poetisch, das ist mir wichtig."
Diese Art von Arbeiten begrüßte auch Kristallwelten-Geschäftsführer Stefan Isser. Die Auseinandersetzung mit solchen "neuartigen, immersiven und interaktiven Erlebnissen" könne dazu beitragen, dass man "an der Kompromissfähigkeit als Gesellschaft arbeiten kann und damit die Spaltung reduziert wird", so Isser. Zudem trage die Wunderkammer der veränderten Erwartungshaltung auch bei jungen Menschen Rechnung: "Junge Menschen und Besucher insgesamt wollen mehr und mehr Räume mit Substanz, die auf unterschiedlichen Ebenen wahrgenommen werden können und dadurch auch inspirieren."