Ex-Außenministerin Plassnik in Lech: „Europa muss erwachsen werden“
Zum Auftakt des 16. europäischen Mediengipfels in Lech sprachen Ex-Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP), China-Experte Cheng Chaoting und der Journalist Ivo Mijnssen über die weltpolitische Situation und die Rolle Europas.
Von Raphael Gruber
Lech – Österreichs ehemalige Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) nimmt die EU und Österreich angesichts des drohenden Handelskonflikts zwischen China und den USA unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump in die Pflicht. „Es wird von beiden Seiten Druck auf Europa geben. Dem müssen wir uns entgegenstellen“, sagte Plassnik am Donnerstagabend zum Auftakt des 16. europäischen Mediengipfels in Lech.
„Wir müssen endlich erwachsen werden und raus aus unserer Komfortzone“, forderte die ehemalige Außenministerin (2004-2008) im Gespräch mit dem China-Experten Cheng Chaoting und dem Journalisten Ivo Mijnssen. Derzeit verschließe Europa lieber die Augen vor seinen Problemen, obwohl man in vielen Bereichen weit hinterherhinke. „Wir müssen lernen, unser Schicksal selbst zu bestimmen“, forderte Plassnik. Einen Handelskrieg zwischen den USA und China gelte es auf jeden Fall zu vermeiden.
China-Experte warnte vor „neuem Kalten Krieg“
Plassnik verurteilte den Angriffskrieg in der Ukraine, plädierte aber auch für mögliche Friedensverhandlungen. „Wir sollten uns aber nicht fragen, was die Ukraine für einen Frieden aufgeben muss". Einen Friedensprozess müsse Europa selbst initiieren. „Wir dürfen nicht darauf warten, dass das andere wie Orban und Trump machen“, sagte Plassnik. „Wir wollen kein internationales System, in dem die Starken diktieren.“
„Die Europäer haben eine Rolle zu spielen zwischen den USA und China“, forderte China-Experte Chaoting, der die EU als „Mini-Macht“ und „kleinen Bruder der USA“ bezeichnete. „Wenn Trump seinen Handelskrieg beginnt, wird Chinas Wirtschaft noch mehr leiden“, sagte Chaoting. Europa werde trotz aller Differenzen in Peking als Gegengewicht zu einer Trump-geführten US-Regierung gesehen.
Dennoch seien Europa und China „mental sehr unterschiedlich“, sagte der Forscher von der Freien Universität Berlin. Chaoting warnte wiederholt vor einem „neuen Kalten Krieg“, der „wiederkommen“ werde. „Die Welt wird bald wieder in zwei Blöcke gespalten sein“, prophezeite er.
„Europa zwischen den Blöcken“
Vom 5. bis 7. Dezember 2024 treffen sich internationale Experten und Entscheidungsträger in Lech am Arlberg für eine Standortbestimmung. Ein Fokus liegt auf den Folgen der amerikanischen Wahlen für die weltpolitische Situation – wobei die Perspektive „Trump 2.0“ im Weißen Haus fundamentale Veränderungen für Europa und die Nato mit sich bringen kann. Dies wirkt sich auch direkt auf den Krieg in der Ukraine aus: Ohne Hilfe aus den USA droht Kiew eine Niederlage. Und will sich Europa diesem Szenario überhaupt resolut entgegenstellen?
Berichterstattung im Rahmen der Medienakademie
Die internationale Medienakademie zählt seit Jahren zum festen Bestandteil des Mediengipfels in Lech am Arlberg. Nachwuchsjournalist:innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bekommen hier die Möglichkeit, wertvolle Praxiserfahrungen unter Echtzeitbedingungen zu sammeln. Die Teilnehmer:innen begleiten den Europäischen Mediengipfel vor Ort und berichten mehrere Tage live von den Diskussionsrunden.