„Es liegt ausschließlich an uns, uns aus internationalen Abhängigkeiten zu lösen“
Die wirtschaftlichen Auswirkungen für Österreich und die EU von Donald Trumps „America first“ werden gravierend sein. Doch die EU kann mehr tun, als es scheint.
Von Nico Knappe
Washington ist weit weg, doch die Wirtschaftspolitik Donald Trumps wirkt sich direkt auf österreichische Unternehmen und deren Wirtschaftslage aus. Kurz gesagt – Österreich ist stark von der deutschen Wirtschaft abhängig – zum Beispiel in der Automobil-Zulieferindustrie. Deutschland wiederum ist wirtschaftlich abhängig von den USA. Wenn also der künftige Präsident Donald Trump ankündigt, höhere Zölle auf europäische Güter zu erheben, dann trifft das die deutsche Wirtschaft und somit auch Österreich. Beim Europäischen Mediengipfel in Lech wurden Gegenstrategien diskutiert.
Mario Holzner, Direktor am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche, kritisierte, dass sich„ die europäischen Länder zu langsam aus internationalen Abhängigkeiten lösen“, die ins Bröckeln gerieten: „Europa ist wie ein fauler Schüler, der nur, wenn er unter Druck steht, etwas macht.“ Allein für Deutschland sieht etwa das deutsche Wirtschaftsforschungsinstitut ifo einen Rückgang der Exporte in die USA um 15 Prozent, sollte Trump seine Zoll-Drohungen wahr machen.
„Können nicht so weitermachen wie bisher“
Othmar Karas, ehemaliger Vizepräsident des Europäischen Parlaments und neuer Chef des Forum Alpbach, skizzierte, wie sich Europa entwickeln müsse, um in einer Welt zu bestehen, in der man sich nicht mehr wie selbstverständlich auf die USA verlassen könne. Sein Credo ist klar: „Wir können unabhängig von Wahlergebnissen anderswo nicht so weitermachen wie bisher.“
Er sieht aber auch die Chance, dass durch den Trump-Erfolg jetzt ein schneller und engagierter Wandel passiert. Die EU müsse enger zusammenstehen und„überall dort, wo wir erpressbar und abhängig sind, unsere Abhängigkeit auf null reduzieren.“ Karas fordert weniger eine internationale Abschottung, sondern vielmehr eine Stärkung und Deregulierung des europäischen Binnenmarkts, den er als zu fragmentiert und mit zu vielen Hindernissen belegt sieht.
Auch Mario Holzner findet, man solle viel mehr auf heimisches Wachstum setzen und Investitionen in Europa vorantreiben. Das würde nur in Kooperation auf EU-Ebene funktionieren und nicht „wenn jedes Land für sich investiert und sein eigenes Süppchen kocht“. Generell brauche es innereuropäisch mehr und erleichterte Zusammenarbeit, etwa beim Thema Energiebeschaffung.„ Wir verlieren elektrischen Strom in unseren Offshore-Windkraftanlagen in der Nord- und Ostsee, weil es quasi unmöglich ist, Hochspannungsleitungen zwischen Nord und Süd zu bauen.“ Hier brauche es europäische große Agenturen, die die gesamte Koordinierung des europäischen Energienetzes übernehmen.
Ein weiteres Problem sieht Holzner darin, dass das EU-Budget im Schnitt nur aus einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Staaten finanziert wird. Eine Erhöhung wäre nötig – auch zehn Prozent nicht undenkbar. Generell sind sich die Diskutierenden einig – Europa soll langfristig gestärkt werden, auch wenn eine Reduzierung der Abhängigkeiten nicht von heute auf morgen gehen wird: „Wir werden nicht auf die Schnelle Google kopieren oder ein neues Amazon in Europa etablieren, aber wir müssen uns überlegen, was wir in diesen Bereichen langfristig machen können“.
Mantra der Schuldenbremse bröckelt langsam
Man müsse mehr investieren, ist am Mediengipfel immer wieder zu hören. Doch Schulden machen gilt als verpönt, allzu oft wird in der öffentlichen Debatte privates Haushalten mit staatlichem fälschlicherweise gleichgesetzt. Mario Holzner verdeutlicht: „Schulden sind nur die eine Seite der buchhalterischen Definition von Investitionen. Das Mantra der Schuldenbremse wird langsam über Bord geworfen.“ Auch der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi positioniert sich in seinem kürzlich veröffentlichten Draghi-Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit Europas als Befürworter einer gemeinsamen europäischen Schuldenaufnahme für gemeinsame europäische Investitionen.
Es blieb unbestritten, dass die Europäische Union vor großen Herausforderungen stehe und sich neu aufstellen müsse. Die Lage sei aber nicht aussichtslos, meinte Othmar Karas: „Es liegt ausschließlich an uns.“
„Europa zwischen den Blöcken“
Vom 5. bis 7. Dezember 2024 treffen sich internationale Experten und Entscheidungsträger in Lech am Arlberg für eine Standortbestimmung. Ein Fokus liegt auf den Folgen der amerikanischen Wahlen für die weltpolitische Situation – wobei die Perspektive „Trump 2.0“ im Weißen Haus fundamentale Veränderungen für Europa und die Nato mit sich bringen kann. Dies wirkt sich auch direkt auf den Krieg in der Ukraine aus: Ohne Hilfe aus den USA droht Kiew eine Niederlage. Und will sich Europa diesem Szenario überhaupt resolut entgegenstellen?
Berichterstattung im Rahmen der Medienakademie
Die internationale Medienakademie zählt seit Jahren zum festen Bestandteil des Mediengipfels in Lech am Arlberg. Nachwuchsjournalist:innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bekommen hier die Möglichkeit, wertvolle Praxiserfahrungen unter Echtzeitbedingungen zu sammeln. Die Teilnehmer:innen begleiten den Europäischen Mediengipfel vor Ort und berichten mehrere Tage live von den Diskussionsrunden.