Wissenschaftsautor im Gespräch

Gedimmte Sonne gegen die Erderwärmung: Revolutionäre Methode oder Wahnsinn?

Thomas Ramge im Gespräch mit Teresa Klotzer.
© Medienakademie, Müllner

Der deutsche Wissenschaftsautor Thomas Ramge schlägt vor, „die Sonne zu dimmen, um die Temperaturen langfristig zu senken“. Ein Modell für Österreich? Das verrät Ramge im Interview am Rande des 16. Europäischen Mediengipfels, wo er sein neues Buch „Die Sonne dimmen“ vorgestellt hat.

Von Teresa Klotzner

Es fällt immer weniger Schnee in den Alpen, wie Studien belegen. Wäre lokales „Geoengineering“, also eine technische Methode, um das Klima künstlich zu beeinflussen, eine Möglichkeit?

Ramge: Nein, weil man die Temperaturen dadurch nicht senken kann. Es wäre nur eine kurzfristige Lösung, so wie die Schneekanonen. In den deutschen Skigebieten funktioniert die künstliche Beschneiung kaum noch, weil es zu warm ist.

Was schlagen Sie vor?

Ramge: Das „solare Geoengineering“ ist eine langfristige Chance, um die Temperaturen so zu stabilisieren, dass zumindest die höher gelegenen Skigebiete weiter gut betrieben werden können. So könnte man auch die Restgletscher noch retten. Deshalb wäre diese Methode für die Alpenländer hochinteressant.

Könnte das hierzulande einfach umgesetzt werden?

Ramge: Meine Idee ist, einen globalen Eingriff durchzuführen. In diesem Fall würde man das Schwefeldioxid am Äquator freisetzen, dass sich dann zügig um den gesamten Globus verteilen würde. Jeder Mensch, jede Pflanze, jedes Tier wäre davon betroffen, weil man weltweit das Klima manipulieren würde. Wenn man das hierzulande machen würde, würden die Gase zum Nordpol abwandern. Deshalb wäre nur ein globaler Eingriff erfolgsversprechend.

📽️ Video | Thomas Ramge im Gespräch

Das hört sich total verrückt an.

Ramge: Das dachte ich auch, als ich das erste Mal von diesem Ansatz hörte. Der Mensch betreibt aber „Geoengineering“, also Eingriffe in das Klima, seit 200 Jahren. Durch den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid erwärmt er das Klima permanent. Die Temperaturen steigen, wir steuern am Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 2 Grad Celsius und mehr zu.

Aber indem man die Sonne dimmt, bekämpft man nicht die Ursachen der Erderwärmung…

Ramge: Mit „solarem Geoengineering“ erkaufen wir uns ein paar Jahrzehnte mehr Zeit, um die Dekarbonisierung voranzubringen. Es ist nur eine Zwischenlösung.

Sie wollen alle Länder an einen Tisch bringen. Bei der Weltklimakonferenz in Baku hat man erst vor Kurzem gesehen, wie schwierig das ist.

Ramge: Es wäre das wünschenswerte Szenario, dass sich die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (UN) auf einen Plan einigt und eine Struktur schafft, sodass der Eingriff so sicher wie möglich umgesetzt werden kann. Aber das ist nicht das einzige Szenario: Auch einzelne Staaten können sich dafür entscheiden, weil sie besonders unter den Folgen der Erderwärmung leiden, z. B. eine Koalition von Staaten aus Afrika.

Im Frühling hat die Schweiz bei der Umweltversammlung der Vereinten Nationen gefordert, eine Expertengruppe einzusetzen, die „solares Geoengineering“ untersuchen soll. Das hat nicht geklappt…

Ramge: Die Schweiz ist bislang das einzige europäische Land, dass diesem Ansatz zurzeit offen gegenübersteht und versucht, ihn in der internationalen Klimadebatte zu diskutieren. Sie sind in der Tat mit ihrem Antrag gescheitert, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Je wärmer es wird, desto klarer wird werden, dass diese scheinbar verrückte Methode ein Rettungsanker sein kann.

Welche Auswirkungen hätte das für die Menschen, wenn die Sonne gedimmt wird? Wäre der Himmel dann nicht mehr blau, könnte man keine Sonnenbrille mehr tragen?

Ramge: Soweit man weiß, würden die Menschen es gar nicht oder so gut wie gar nicht mitbekommen. Der dünne Film, der einen Teil des Sonnenlichts zurück reflektiert, wäre vom Boden aus kaum sichtbar. Man muss noch mehr forschen, aber es hätte aller Voraussicht nach auch kaum einen Einfluss auf das Pflanzenwachstum oder den Energieertrag von Solarzellen.

Die Risiken sind aber hoch…

Ramge: Wenn man „solares Geoengineering“ nicht kontrolliert und wissenschaftlich begleitet, ist die Methode mit Gefahren verbunden. Das Ozonloch könnte zurückkommen oder Wettermuster, wie der Monsun in Südasien, könnten sich verändern. Was ist aber riskanter? Dass die Temperaturen wie bisher steigen oder dass man versucht mit Technologie das Klima zu beeinflussen, um die Erderwärmung auf 1,8 Grad Celsius zu begrenzen? Es gibt eine sehr interessante Standardformulierung in der „Geoengineering-Gemeinde“, die besagt: „Solares Geoengineering“ ist eine schlechte Idee, deren Zeit aber leider gekommen ist.

Hintergrund: „Solares Geoengineering“ oder ein Sonnenschirm für die Erde

Die Sonne verdunkeln, um die Erde zu kühlen: Das ist die Idee hinter „Solar Geoengineering“: „Der Mensch setzt eine große Menge von Schwefeldioxid in die Stratosphäre mittels Flugzeugen frei“, erklärt Wissenschaftsautor Thomas Ramge den Ansatz. So geschieht es bei Vulkanen: Bei ihren Ausbrüchen stoßen sie große Mengen des Gases aus. „Der letzte große Vulkanausbruch ereignete sich 1991 auf den Philippinen. Der Vulkan Pinatubo stieß Schwefeldioxid aus, es bildete sich eine dünne weiße Aerosolschicht, ein weißer Film. Dieser reflektierte einen Teil des Sonnenlichts direkt wieder ins All. Die Temperaturen sanken dadurch vorübergehend auf der Erde, im darauffolgenden Jahr waren sie um einen halben Grad niedriger“, erinnert er sich.

Dieses natürliche Verfahren kann laut Ramge auch der Mensch in Gang bringen, „für relativ wenig Geld, laut einer Studie 20 Milliarden US-Dollar im Jahr“. In den USA gebe es ein Start-up, das bereits erste Versuche durchführe. „Das ist wissenschaftlich nicht begleitet und umstritten“, weiß Ramge. Er fordert weitere Forschungen zum Thema und einen politischen Entscheidungsprozess, der im Idealfall alle Länder einbinde. „Die Methode muss überwacht werden, sodass die Risiken, die mit diesem gigantischen Eingriff ins Erdsystem einhergehen, minimiert werden können“, erklärt er.

Gegner kritisieren, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zumindest gleichbleibt, zudem könnte die Ozonschicht geschädigt werden. Die Manipulation hätte starken Einfluss auf globale Niederschlagsmuster, insbesondere den Monsun, und damit auf die Landwirtschaft, die auf die Verfügbarkeit von Wasser angewiesen ist. Experten sagen, das Wichtigste sei die Reduzierung der Emissionen – technische Methoden könnten eine Hilfe, aber keine Lösung bieten.

„Europa zwischen den Blöcken“

Vom 5. bis 7. Dezember 2024 treffen sich internationale Experten und Entscheidungsträger in Lech am Arlberg für eine Standortbestimmung. Ein Fokus liegt auf den Folgen der amerikanischen Wahlen für die weltpolitische Situation – wobei die Perspektive „Trump 2.0“ im Weißen Haus fundamentale Veränderungen für Europa und die Nato mit sich bringen kann. Dies wirkt sich auch direkt auf den Krieg in der Ukraine aus: Ohne Hilfe aus den USA droht Kiew eine Niederlage. Und will sich Europa diesem Szenario überhaupt resolut entgegenstellen?

Berichterstattung im Rahmen der Medienakademie

Die internationale Medienakademie zählt seit Jahren zum festen Bestandteil des Mediengipfels in Lech am Arlberg. Nachwuchsjournalist:innen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bekommen hier die Möglichkeit, wertvolle Praxiserfahrungen unter Echtzeitbedingungen zu sammeln. Die Teilnehmer:innen begleiten den Europäischen Mediengipfel vor Ort und berichten mehrere Tage live von den Diskussionsrunden.