Fünf Tote und mehr als 200 Verletzte bei Todesfahrt auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Die Zahl der Toten nach der Attacke in Magdeburg ist mittlerweile auf fünf angestiegen. Mindestens 200 Personen wurden teils schwerst verletzt. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen. Zu dem 50-Jährigen gibt es inzwischen auch neue Erkenntnisse.
Magdeburg – Die Opferzahlen in Magdeburg steigen: Am Freitagabend sind bei einer Todesfahrt auf den Weihnachtsmarkt mindestens fünf Menschen getötet. Den Ermittlern zufolge ist unter den Todesopfern ein neun Jahre altes Kind, die weiteren vier Toten seien Erwachsene. Es gebe mehr als 200 Verletzte, davon seien viele schwerst- und schwerverletzt, ergänzte Haseloff am Samstag nach einem Besuch des Tatorts mit Kanzler Olaf Scholz. Dieser sagte, fast 40 Menschen seien so schwer verletzt, „dass man große Sorge um sie haben muss“.
Über Flucht- und Rettungsweg auf Markt gelangt
Bei der tödlichen Attacke handelt es sich nach Polizeiangaben um einen Einzeltäter. Nach derzeitigem Ermittlungsstand könne ein zweiter Täter ausgeschlossen werden, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Bei der Attacke auf dem Weihnachtsmarkt soll der mutmaßliche Täter über den Flucht- und Rettungsweg auf den zentralen Platz gelangt sein. Die Fahrt habe rund drei Minuten bis zur Festnahme gedauert, sagte Tom-Oliver Langhans, Direktor der Polizeiinspektion Magdeburg.
Die Staatsanwaltschaft gab erste Hinweise auf ein mögliches Motiv. „Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen“ könne der Auslöser der Tat gewesen sein, sagte der verantwortliche Oberstaatsanwalt Horst Nopens am Samstag. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelt gegen den mutmaßlichen Täter bisher wegen fünffachen Mordes. Der Tatvorwurf darüber hinaus laute versuchter Mord in 200 Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
So reagiert Innsbruck:
Nach Todesfahrt in Magdeburg
Mehr Poller und Polizeipräsenz: Schutz auf Innsbrucker Christkindlmärkten wird verstärkt
Täter möglicherweise unter Drogen
Der mutmaßliche Täter wurde noch am Freitagabend vor Ort festgenommen. Er ist ein seit 2006 in Deutschland lebender Arzt aus Saudi-Arabien und soll ein Islamkritiker sein. Der 50-jährige Arzt bezeichnet sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur selbst als „Ex-Muslim“. In sozialen Medien und Interviews erhob er jüngst teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen unter anderem vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen.
Die Polizei äußerte sich am Samstagvormittag zunächst zurückhaltend zu der Frage, ob sie die Tat als Anschlag wertet. Man sei noch in der Klärung, hieß es. Der Fahrer stand einem Bericht der Bild zufolge womöglich unter Drogen. Ein erster Drogenwischtest sei positiv ausgefallen, berichtet das Blatt ohne Angaben von Quellen.
In sozialen Medien und Interviews erhob der Tatverdächtige zuletzt zudem teils wirr formulierte Vorwürfe gegen deutsche Behörden. Er hielt ihnen vor, nicht genügend gegen Islamismus zu unternehmen. Nachdem er vor Jahren mit seiner Unterstützung für saudi-arabische Frauen, die aus ihrem Heimatland fliehen, an die Öffentlichkeit gegangen war, schrieb er später auf seiner Website in englischer und arabischer Sprache: „Mein Rat: Bittet nicht um Asyl in Deutschland.“ Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bestätigte, dass der Mann eine islamfeindliche Haltung hatte.
Saudi-Arabien warnte vor Täter
Saudi-Arabien hat Deutschland saudischen Sicherheitskreisen zufolge vor dem mutmaßlichen Täter Taleb A. der Attacke auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt gewarnt. Das Königreich habe seine Auslieferung beantragt, darauf habe Deutschland nicht reagiert, hieß es. Der Mann stammt demnach aus der Stadt Al-Hofuf im Osten Saudi-Arabiens. Er sei Schiit gewesen.
Nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung in dem mehrheitlich sunnitischen Land sind schiitisch. Es gibt immer wieder Berichte über Diskriminierungen gegenüber Schiiten im Land. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin hatte es vor rund einem Jahr eine Art Warnhinweis zu dem Mann an die deutschen Behörden gegeben.
📽️ Video | Todesfahrt in Magdeburg: Was bisher bekannt ist
Scholz kündigt harte Konsequenzen an
Kanzler Scholz kündigte am Samstag zudem harte Konsequenzen an. Zunächst müsse man aber genau verstehen, was passiert sei und welche Motive der mutmaßliche Täter gehabt habe. „Dann werden wir mit der notwendigen Konsequenz darauf reagieren“, so der deutsche Kanzler.
Es sei wichtig, dass das Land nun zusammenbleibe und nicht Hass das Miteinander der Menschen in Deutschland bestimme. Man werde diejenigen, die Hass säen, nicht durchkommen lassen, sondern mit aller Härte des Gesetzes gegen sie vorgehen, sagt Scholz.
Video soll Festnahme zeigen
Auf Videoaufnahmen des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) soll die Festnahme des Tatverdächtigen zu sehen sein. Sie zeigen, wie ein Polizist seine Waffe auf den Verdächtigen richtet und ihm zuruft, sich hinzulegen: „Die Hände auf den Rücken!“, und „Bleib liegen!“
Der Mann legt sich neben einem schwarzen – sichtbar beschädigten – Auto auf den Boden und befolgt die Anweisungen. Schließlich kommt Verstärkung, mehrere Polizisten springen aus dem Einsatzwagen und umkreisen den am Boden liegenden Verdächtigen. Der Polizist weist seine Kollegen an, „nicht so nah ran“ zu gehen.
📽️ Video | Festnahme im Video
Oberbürgermeisterin unter Tränen
Haseloff sagte, weitere Tote könnten nicht ausgeschlossen werden. „Das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg und für das Land und auch generell für Deutschland“, so der Ministerpräsident.
Am Abend ist eine Gedenkfeier für die Opfer im Magdeburger Dom geplant. Man wolle Betroffenen, Angehörigen und allen anderen Bürgern eine Möglichkeit zum Trauern geben, erklärte Oberbürgermeisterin Simone Borris am Abend unter Tränen vor Journalisten. „Wir werden eine lange Zeit zum Trauern brauchen“, sagte sie sichtlich fassungslos. „Wir werden das alles umfassend aufarbeiten.“
Stadtsprecher Michael Reif sagte am Freitagabend, es sei „ein Anschlag“ gewesen. Die Stadt Magdeburg lässt in den kommenden Tagen alle Kultureinrichtungen geschlossen, Theater, Puppentheater und auch andere Spielstätten.
Innenministerin Nancy Faeser hatte zuletzt wiederholt zu Wachsamkeit bei Weihnachtsmarktbesuchen aufgerufen. Konkrete Gefährdungshinweise gebe es aktuell nicht, sagte die SPD-Politikerin Ende November.
Bundeskanzler Scholz schrieb am Freitagabend auf der Plattform X: „Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir stehen an ihrer Seite und an der Seite der Magdeburgerinnen und Magdeburger. Mein Dank gilt den engagierten Rettungskräften in diesen bangen Stunden.“
Internationales Entsetzen und Mitgefühl
NATO-Generalsekretär Mark Rutte drückte – wie er berichtete – dem deutschen Kanzler sein Mitgefühl aus. „Meine Gedanken sind bei den Opfern und deren Familien“, schrieb Rutte auf der Plattform X. „Die NATO steht an der Seite Deutschlands.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte die Attacke. „Meine Gedanken sind heute bei den Opfern der brutalen und feigen Tat in Magdeburg“, schrieb sie auf X. Ihr Beileid gelte den Angehörigen und Freunden, ihr Dank der Polizei und den Rettungskräften. „Diese Gewalttat muss aufgeklärt und hart geahndet werden.“ Die Vereinten Nationen zeigten sich bestürzt und sprachen den Familien der Opfer, der Regierung und den Menschen in Deutschland Beileid aus.
Mehrere ausländische Regierungen verurteilten die tödliche Attacke – darunter auch Saudi-Arabien. „Das Königreich bringt seine Solidarität mit dem deutschen Volk und den Familien der Opfer zum Ausdruck“, schrieb das Außenministerium in einer Mitteilung auf X, ohne den Verdächtigen, der aus Saudi-Arabien stammt, zu erwähnen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich auf X „zutiefst schockiert“ angesichts des „Horrors, der an diesem Abend den Weihnachtsmarkt in Magdeburg“ getroffen habe. Frankreich teile „den Schmerz des deutschen Volkes und bringt seine volle Solidarität zum Ausdruck“. Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der spanische Regierungschef Pedro Sánchez zeigen sich in dem Online-Dienst entsetzt.
Die USA versicherten ihre Solidarität und zeigten sich bereit, Unterstützung zu leisten für einen seiner engsten Partner und stärksten Verbündeten, wie Außenministeriums-Sprecher Matthew Miller sagte.
Der Milliardär und Berater des kommenden US-Präsidenten Donald Trump, Elon Musk, griff indes den deutschen Kanzler frontal an. „Scholz sollte sofort zurücktreten“, schrieb der Chef des Autobauers Tesla auf seiner Plattform X in Reaktion auf das Attentat in Magdeburg. Zudem nannte Musk Scholz „incompetent fool“, was so viel wie „unfähiger Idiot“ bedeutet. Der designierte US-Vizepräsident J.D. Vance zeigte sich hingegen auf X betroffen: „Was für eine entsetzliche Attacke so kurz vor Weihnachten.“
Österreichs Politik schockiert
„Die Nachrichten aus Magdeburg sind erschütternd und machen uns fassungslos. Unsere Gedanken sind in diesen schwersten Stunden bei den Opfern, ihren Familien und den Rettungskräften“, schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf X. „Wir stehen eng an der Seite unserer deutschen Freunde!“, versicherte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP).
Angesichts dieses dramatischen Ereignisses erfolgt „selbstverständlich eine aktuelle Lagebeurteilung auch in Österreich“, teilte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) mit. Zudem seien die Sicherheitsmaßnahmen für Weihnachtsmärkte bereits vor mehreren Wochen erhöht worden, seither seien sowohl Spezialkräfte als auch Zivilermittler im Einsatz. Der Verfassungsschutz stehe im engen Austausch mit zahlreichen europäischen Sicherheitsbehörden, um permanent die Lage beurteilen zu können.
Acht Jahre nach Berliner Anschlag
Fast auf den Tag genau vor acht Jahren, am 19. Dezember 2016, war in Berlin ein islamistischer Terrorist mit einem entführten Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gerast. Dabei wurden 12 Menschen getötet, das 13. Opfer starb 2021 an den Folgen. Mehr als 70 Menschen wurden verletzt. Der Attentäter floh nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.
Auch in anderen Städten mit Weihnachtsmärkten ist die Polizei nun besonders achtsam. In Stuttgart sagte ein Polizeisprecher, die Polizeikräfte seien vor Ort sensibilisiert worden. In Berlin sagte ein Sprecher, man habe die Beamten aufgerufen, ein erhöhtes Augenmerk auf Weihnachtsmärkte zu richten. (APA/dpa/AFP/Reuters)