Geld da, kann aber nicht ausgegeben werden: Tirol fordert mehr regionale Kompetenzen von Gesundheitskasse
Bei der Österreichischen Gesundheitskasse werden Ausgaben zentral geregelt. Das will man in der Landesstelle Tirol nicht länger hinnehmen. Unterstützung gibt es von ÖGK-Obmann Andreas Huss.
Innsbruck – Fünf Jahre sind die ehemals neuen Länderkassen nun in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) vereint. Seither geht ohne die Zustimmung in der Wiener Zentrale nichts mehr. Das betrifft die aktuellen Tarifverhandlungen mit der Ärztekammer (am Freitag tagte das Gremium in Tirol) genauso, wie die Auswahl von VertragsmedizinerInnen, Gruppenpraxen und Primärversorgungseinheiten, die Verwendung der eigenen Rücklagen und Mitteln aus Fonds und Verhandlungen bzw. Zusammenarbeit mit dem Land. Im Prinzip dürfen die einzelnen Kassenstellen in den Tiroler Orten nicht einmal einen Wasserkocher auf Firmenkosten anschaffen, ohne das Okay aus Wien. Was seit Jahren für Diskussionen sorgt, spitzt sich angesichts der immer höheren Anforderungen an das Gesundheitssystem zu.
Viel Geld in Tirol „übrig“
„Das Geld der Tiroler ArbeitgeberInnen und -nehmerInnen geht nach Wien, und wir müssen um jedes Projekt, das wir hier umsetzen wollen, betteln“, fasst Werner Salzburger, Vorsitzender des Landesstellenausschusses Tirol, zusammen. So seien in der Vergangenheit diverse Pläne (teilweise außerhalb des Strukturplans) für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Tirol an der fehlenden Bewilligung aus Wien gescheitert. Insbesondere die Verhandlungen um das neue Zahngesundheitszentrum in Kitzbühel hätten sich so enorm in die Länge gezogen, sagt Salzburger.
Dabei schneidet Tirol in finanzieller Sicht im Vergleich zu anderen Bundesländern gut ab. 2023 wies die Gewinn- und Verlustrechnung ein Plus von mehr als neun Mio. Euro auf, heuer dürften es fast 43 Mio. sein. Niederösterreich machte heuer Miese von 36 Mio. Euro (2023: 98 Mio.), im Kärnten waren es fast 97 Mio. Euro (98 Mio.). Spitzenreiter ist Wien mit knapp 262 (235) Mio. Euro. Das, obwohl andernorts mehr Beitragsgelder pro Kopf zur Verfügung stehen, als in Tirol: Hier sind es (2023) 2326 Euro, in Wien dagegen 2994 Euro.
„Wir waren immer eine der besten Kassen. Warum werden wir bestraft, nur weil die anderen nicht wirtschaften können?“ wettert Salzburger. Er sei nicht gegen eine gemeinsame Finanzierung eines österreichweiten Systems. „Das Produkt ÖGK mag interessant sein. Aber man muss den Leuten vor Ort eine Eigenständigkeit zugestehen. Denn sie wissen, was vor Ort gebraucht wird.“
ÖGK will wieder regionaler werden
Diese Kritik eint die Bundesländer, bestätigt ÖGK-Obmann Andreas Huss. Hinter dem Konzept einer österreichweiten Gesundheitskasse steht er, fordert allerdings von der kommenden Regierung eine Gesetzgebung, die den Ländern wieder mehr Kompetenzen einräumt. „Die ÖGK werden wir nicht abschaffen, die ist gekommen, um zu bleiben. Aber sie ist keine Wiener Institution. Sie muss auch in den Ländern entsprechend verankert sein.“
Die Zusammenlegung hätte eine Harmonisierung in der Leistung für PatientInnen gebracht, doch „die regionalen Bedürfnisse sind dabei etwas unter die Räder gekommen. Dahin müssen wir wieder zurückkehren“.
Die von der Türkis-Blauen Regierung erhoffte Einsparung von einer Milliarde Euro hat die Zusammenlegung der Kassen nicht gebracht. Im Gegenteil: Laut Huss sollen damit bis 2018 1,7 Milliarden Euro an Kosten produziert worden sein. Auch die 1,4 Milliarden Euro an Rücklagen, die es vor der Fusion 2020 gegeben hat, sind aufgebraucht.
Die Entwicklungen in der Bevölkerung und am Gesundheitsmarkt verschärfen die Lage. Von den mit 200 Mio. Euro dotierten Innovations- und Zielsteuerungsfonds fließe kaum Geld in die Bundesländer, sondern ins Defizit. 2024 soll dieses bei 800 Mio. Euro liegen – bei einem Gesamtbudget von 20,2 Milliarden Euro.
Bundesländerzahlen täuschen
Dass bestimmte Bundesländer seit Jahren höhere Defizite aufweisen, als andere, führt Huss auf eine Verzerrung der Daten zurück und weist dazu das Beispiel Wien mit seinem „Großstadtfaktor“ aus. Dort gäbe es ein großes Angebot an FachärztInnen, die Universitätsklinik, mehrere MR-Geräte – „das zieht PatientInnen aus den Umlandgemeinden an.“ So hätten 2023 allein 60.000 NiederösterreicherInnen in Wien eine MR-Untersuchung gemacht. Vergleichen kann man die Zahlen seit heuer ohnehin nicht mehr. Die Einnahmen und Ausnahmen werden per Regierungsbeschluss, auf Drängen der ÖVP, künftig nur noch österreichweit erfasst.
Dass die Bundesländer für Projekte „betteln“ müssten, will Huss so nicht stehen lassen. „Wenn die Bundesländer anständige Anträge stellen und gut argumentieren, gibt es auch finanzielle Möglichkeiten.“
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