ÖRK: "Zu Weihnachten kämpfen Millionen Kinder ums Überleben"
Der "Heilige Abend" ist für viele Buben und Mädchen in Österreich und anderen vor allem westlichen Staaten mit Geschenken und einem trauten Abend im Familienkreis verbunden. Doch gibt es am 24. Dezember nicht überall eine freudige Bescherung, warnt der Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), Gerald Schöpfer, zu Weihnachten: "Vergessen wir nicht, dass die bevorstehenden Feiertage für Millionen Kinder auf dieser Welt ein tägliches Kämpfen ums Überleben bedeuten!"
Das Rote Kreuz will weltweit helfen, erinnerte Schöpfer anlässlich des Weihnachtsfests per Aussendung aber auch an die Hilfsbereitschaft vieler Bürgerinnen und Bürger: "Die Umsetzung einiger unserer wichtigsten Projekte verdanken wir Partnern wie ORF Nachbar in Not oder der Austrian Development Agency. Ich bedanke mich auch bei allen Menschen in Österreich, die mit ihrer Spende unsere Hilfe in Krisen- und Konfliktgebieten möglich machen."
Krisen- und Konfliktgebiete gibt es viele. Zuletzt war beispielsweise Christopher Friedrich im Gazastreifen im Einsatz, der von Israel als Folge der verheerenden Anschläge der islamistischen Terrorgruppe Hamas vom 7. Oktober 2023 mit Angriffen überzogen wird. Der gebürtige Vorarlberger ist WASH (Water, Sanitation & Hygiene)-Experte beim Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK) und erst kürzlich aus dem Gazastreifen zurückgekehrt. Seine Eindrücke sind erschütternd.
Das Rote Kreuz zitiert diese in seinem Bericht so: "Die Kinder schlafen im Freien auf nassem Boden und im Dreck, weil es keine richtigen Zelte gibt. Ein paar Stück Holz und Decken sind alles, was sie schützen soll. Es regnet ständig und nachts hat es weniger als 10 Grad. Die meisten Kinder erkranken an Husten oder Lungenentzündung",
Die Hygiene- und Wassersituation in Gaza ist katastrophal: Familien teilen sich eine Toilette, oft handelt es sich nur um ein Loch im Boden. Überall liegen Berge von Müll. Im verschmutzten Grundwasser lauern gefährliche Krankheitserreger. "Nicht nur Waffen sind tödlich. Atemwegsinfektionen, Lungen- und Durchfallerkrankungen breiten sich rasant aus", so Friedrich. Nur ein halber Liter Trinkwasser steht pro Kopf und Tag zur Verfügung.
Das Rote Kreuz versorgt die Menschen mit medizinischer Hilfe, Trinkwasser und Toiletten, errichtete bereits mehr als 5.000 Latrinen für 70.000 Menschen im Gazastreifen. WASH-Experte Friedrich: "Wir geben den Menschen damit ein Mindestmaß an Würde zurück. Wenn wir nur einem Menschen helfen können, hat sich unser Einsatz gelohnt."
Für sauberes Wasser im Rotkreuz-Feldspital in Rafah hat das Österreichische Rote Kreuz eine Wasseraufbereitungsanlage gestellt. Menschen werden mit massiven Blutungen und schweren Verbrennungen eingeliefert, einige Verletzte brauchen Amputationen. 97 Prozent aller Operationen wurden wegen Verletzungen durchgeführt, die durch Kampfhandlungen entstanden sind. Ein Drittel der Patient:innen ist jünger als 14 Jahre.
"Während der Eskalation im Herbst haben uns viele libanesische Kinder gefragt, was diese Explosionen sind", sagt Simona Mencinger, Delegationsleiterin des ÖRK im Libanon. "Wie erklärt man einem Kind, dass ein Militärflugzeug die Schallmauer durchbricht?" Einen geregelten Alltag gab es kaum, Schulen dienten als Notunterkünfte, der Unterricht fiel aus. "Seit dem Ende der Kampfhandlungen kehrt Normalität zurück. Als Rotes Kreuz bleiben wir vor Ort - tausende Kinder zählen auf unsere Unterstützung beim Wiederaufbau."
Nach 13 Jahren Konflikt in Syrien sind 16,7 Millionen Menschen - darunter 7,5 Millionen Kinder - auf Hilfe angewiesen. Seit 2011 unterstützt das Österreichische Rote Kreuz mit seinen Partnerorganisationen die syrische Bevölkerung. Nach dem Erdbeben im Februar 2023 wurde etwa das Wassernetz für 2,5 Millionen Menschen in Aleppo wiederhergestellt. "Eine wichtige Maßnahme für Sicherheit und Stabilität", so Mencinger.
In der Ukraine steuert der Krieg auf seinen dritten Jahrestag zu. "Eine Generation wächst im Krieg auf, viele Kinder können sich nicht an friedliche Zeiten erinnern. Sie und ihre Familien sind auf unsere Hilfe angewiesen. Besonders jetzt, wo es bei eisigen Temperaturen wegen großflächiger Stromausfälle oft an Heizung, Strom und sauberem Wasser fehlt", sagt Walter Hajek, Bereichsleiter Internationale Zusammenarbeit beim ÖRK. Kürzlich erhielten 4.500 Menschen in der am stärksten vom Krieg betroffenen Region Donezk Hilfsgüter wie Lebensmittel, warme Decken und Notfall-Hygienepakete.
Derzeit unterstützen 14 aus Österreich entsandte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Ukrainische Rote Kreuz bei humanitärer und medizinischer Hilfe. Die "Mobile Health Units", mobile Gesundheitsteams, etwa versorgen Menschen in abgelegenen Regionen mit Medikamenten und medizinischen Behandlungen und transportieren sie zu Gesundheitszentren. Insgesamt sind 124 dieser Teams landesweit im Einsatz.
Für viele Ukrainerinnen und Ukrainer ist das Rote Kreuz die einzige Verbindung zur Außenwelt, oft leisten sie "nur" Gesellschaft. Etwa der alleinerziehenden Olena, die gemeinsam mit ihren vier Kindern aus Bachmut fliehen musste. Zu Weihnachten träumt die 12-jährige Tochter Polina von Reisen und Süßigkeiten. Sie vermisst ihre Freunde. "Ich würde sofort meinen Koffer packen und nach Hause zurückkehren. Aber ich weiß, dass dort nichts mehr übrig ist", sagt Polina. Der größte Wunsch zu Weihnachten: "Ein Leben ohne Krieg."
Viele Kolleginnen und Kollegen in Konfliktgebieten würden täglich ihr Leben riskieren, um anderen zu helfen, hielt das Rote Kreuz zudem in seiner Bilanz rund um Weihnachten fest und mahnt zur Einhaltung des Humanitären Völkerrechts. Präsident Schöpfer erinnerte: "Wir können Menschen in Not nur helfen, wenn wir geschützt sind und sicheren Zugang haben. Hilfsorganisationen, Krankenhäuser und Zivilbevölkerung dürfen nicht angegriffen werden!"