"Raus aus der Komfortzone": ORF-"Pratersterne" kehren zurück
In der Roten Bar des Wiener Volkstheaters leuchten ab sofort die "Pratersterne": Am 7. Jänner kehrt die ORF-Kabarettsendung mit neuen Folgen zurück und bietet wieder eine Mischung aus bekannten Namen sowie Newcomern. Moderator Hosea Ratschiller begrüßt u.a. Toxische Pommes, Christian Dolezal, Sonja Pikart und Malarina. Mit der APA sprach er über sein Fremdeln mit der neuen Umgebung, die Herausforderung von fünf Minuten und Politik als Humorsujet.
APA: Für Sie geht es vom Prater ans Volkstheater. Stand der Name der Sendung jemals zur Diskussion?
Hosea Ratschiller: Wir wurden eingeladen, wie vom Onkel mit der großen Brieftasche: Die räudigen Praterstrizzis gehen in einen Saal mit Marmor, Kristallluster und Gold. So ungefähr war das Gefühl. Natürlich haben wir uns überlegt, ob es noch "Pratersterne" heißen kann. Dann sind wir draufgekommen, dass die transparente, aufrichtige Information nicht unsere Kernkompetenz ist. (lacht) Es ist günstig, dass Leute, die das mochten, sich auskennen. Daher ist der Kompromiss: Pratersterne aus der Roten Bar.
APA: Haben Sie sich in der neuen Location sofort wohlgefühlt?
Ratschiller: Es hat ein Fremdeln gegeben, vor allem bei mir. Wenn ich es wo gemütlich habe, neige ich dazu, dass ich dort bleiben mag. Rebecca Truska, die verantwortliche Redakteurin im ORF, die auch durchgekämpft hat, dass es die "Pratersterne" überhaupt wieder geben kann, hat gemeint: Man muss aus seiner Komfortzone raus, damit sich was weiterentwickelt. Zuerst habe ich mich gewehrt. Als ich aber das erste Mal dringestanden bin, dachte ich: Es ist so schön! Mir ist nie so richtig aufgefallen, was der Raum alles kann. Jetzt haben wir die interessante Situation, dass auf der Bühne Leute erzählen, wie Menschen in diesen Zeiten versuchen, weiter ihr Leben zu führen. Und der Saal ist wie im Hochadel. Das ist ein ganz spannender Kontrast.
APA: Was hat sich denn seit dem Beginn der Sendung 2017 für Sie verändert?
Ratschiller: Ich bin sehr viel dünner geworden in der Zeit. Als ich mich das erste Mal im Fernsehen gesehen habe, habe ich wirklich Körperscham entwickelt. Ich habe sie nicht überwinden können, sondern meine Ernährungsgewohnheiten verändert und mehr Sport gemacht. Man fängt an, Hautcreme zu verwenden. Meine Familie ist sehr glücklich damit. (lacht) Und ansonsten: Als wir begonnen haben, war die Möglichkeit des Scheiterns im Fünf-Minuten-Auftrittsformat gut angelegt. Das ist nicht leicht, besonders eine dichte Atmosphäre zu halten. Das war damals in Österreich nicht so verbreitet. Wir brauchen aber diesen Abwechslungsreichtum. Die Jungen, die sich auf Social Media ein Publikum erspielt haben und seither Karriere machen in diesem Comedy-Fernseh-Kosmos, haben das drauf. Sie wissen, wie man fünf Minuten anlegen muss, dass es knallt. Vielleicht haben anfangs viele Leute wegen großen Namen eingeschalten. Mittlerweile hat sich aber rumgesprochen, dass die Sendung selber lässig ist.
APA: Was nehmen Sie denn selbst mit von den Auftritten der Kolleginnen und Kollegen?
Ratschiller: Mein Ziel war, eine Plattform zu schaffen, die eine große Öffentlichkeit erreicht und mit der wir beweisen können, dass die vielen, vielen Leute, die in Österreich Kabarett machen und oft völlig unter dem Radar laufen, genauso funktionieren wie die Großen. Als wir dann Thomas Stipsits und Stefanie Sargnagel, als sie noch nicht so bekannt war, in einer Sendung hatten und beide ähnlich gut angekommen sind, dachte ich mir: Jetzt haben wir was geschafft. Unterschiedlicher als die beiden geht es kaum noch. Es ist von Staffel zu Staffel mehr so geworden, dass es keine große Sensation ist, dass bei uns auch Frauen auftreten, auch Menschen mit Migrationshintergrund oder einer anderen Hautfarbe. Wir haben uns sozusagen der Realität angenähert, ohne uns das groß auf die Fahnen zu schreiben. Das war mit das Schönste an der Arbeit.
APA: In dieser Staffel gibt es auch viel Musik. Wie kam es zu diesem Fokus?
Ratschiller: Es hat sich immer mehr in die Richtung entwickelt. Wir hadern damit. (lacht) Wir sind ja eigentlich eine Humorsendung. Wir freuen uns aber total, dass Endless Wellness, Rahel oder Clara Luzia bei uns auftreten wollen. Das ist eine Bestätigung, dass wir nicht vollkommen uncool sind. Für sie ist es gar nicht so einfach, in diesem Humorkontext stattzufinden, aber es geht sich gut aus. Es hilft der Sendung und macht sie bunter. Und die österreichische Popszene hat zurecht gesagt: Warum haben wir nicht auch so eine Plattform? Ich finde, das ist ein berechtigter Einwand.
APA: Das Jahr 2024 wurde von politischen Umwälzungen dominiert, weltweit konnten sich Rechtspopulisten bei Wahlen durchsetzen. Nun ist Politik für das Kabarett zwar ein großes Feld, das bearbeitet werden kann. Aber nutzt es sich irgendwann auch ab?
Ratschiller: Wo setzt man da an? Ich habe mit Kabarett begonnen, weil du dort ein Publikum findest, das so divers ist wie kein anderes Kunst- und Kulturpublikum. Dass wir in Österreich nicht differenzieren zwischen Comedy, Kabarett und Satire hat den enormen Vorteil, dass die verschiedensten Leute kommen. Das hat mich interessiert. Ich komme aus einer Kabaretttradition, in der man dem Publikum eigentlich ein Theaterstück bieten möchte. Es ist kein tagesaktuelles Abarbeiten von Ministerinnennamen, sondern immer die Auseinandersetzung damit, wo das Zeitgeschehen auf den Alltag trifft. Das wird nie fad. In einer Welt, in der sich die Katastrophen häufen, ist es immer noch so, dass die allermeisten Menschen damit beschäftigt sind, ein Leben zu führen. Die Nummern, die in der Sendung gespielt werden, sind in hohem Ausmaß politisch, aber nicht tagespolitisch. Sie erzählen von diesen Versuchen, ein Leben zu führen.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)