Heute vor 80 Jahren

Holocaust-Gedenktag: Boykott-Aufruf für Veranstaltung mit Rosenkranz

Eine Veranstaltung im Parlament und eine am Heldenplatz: Bei beiden steht die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren im Mittelpunkt. Die Zweiteilung hat mit dem FPÖ-Parlamentspräsidenten zu tun.

Wien – Die Teilnahme von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) an einer Parlamentsveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag am heutigen Montag sorgt für Unmut: Die Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH) und der Verein Gedenkdienst haben Abgeordnete von SPÖ, Grüne und NEOS dazu aufgerufen, nicht an der Diskussionsveranstaltung teilzunehmen, sondern stattdessen am Gedenken der Plattform „Jetzt Zeichen Setzen“ am Heldenplatz. „Wir werden kein Feigenblatt für die FPÖ sein“, erklärten sie.

Stargast Erika Freeman

Am Montag jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 80. Mal. Rosenkranz hat zu einer Veranstaltung ins Parlament geladen, wo er nicht das Wort ergreifen wird, sondern Schüler und Schülerinnen mit der Zeitzeugin Erika Freeman diskutieren.

Die NS-Vertriebene Erika Freeman mit ihrem Fremdenpass des Deutschen Reiches, den sie dem „Haus der Geschichte Österreich“ überlassen hat. Die US-amerikanisch-österreichische Psychoanalytikerin und Zeitzeugin diskutiert heute mit SchülerInnen im Parlament.
© APA/Schlager

„Wir rufen alle Nationalratsabgeordneten dazu auf, die Teilnahme an der Rosenkranz-Veranstaltung zu verweigern und sich unserer Zeremonie am Heldenplatz anzuschließen“, meinte Alon Ishay, Präsident der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH), im Vorfeld. Er bezeichnete Rosenkranz als „rechtsextrem“ und warf ihm vor, „verurteilten Naziverbrechern“ gehuldigt zu haben – mit ihm könne es kein Gedenken an den Holocaust geben.

„Kein Erinnern mit Rechtsextremen“

Auch der Verein Gedenkdienst ließ am Sonntag vorab wissen, man sehe „keine Möglichkeit darin, Seite an Seite mit Walter Rosenkranz“ der Opfer des Holocaust zu gedenken. „Damals wie heute pflegt die FPÖ eine revisionistische Erinnerungskultur und einen problematischen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit“, hieß es in der Aussendung. „Für uns ist klar – kein Erinnern mit Rechtsextremen“, meinte Vize-Vereinsobfrau Marie Lang.

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) wird heute an einer Holocaust-Gedenkveranstaltung im Parlament teilnehmen, was Angehörige der Jüdischen Gemeinde nicht in Ordnung finden.
© APA/Schlager

Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) hat in den vergangenen Monaten scharf kritisiert, dass mit Rosenkranz ein Freiheitlicher und Burschenschafter an der Spitze des Nationalrats steht. So wurde der Nationalratspräsident etwa von der JöH daran gehindert, mit einer Kranzniederlegung am Judenplatz der Opfer der Novemberpogrome zu gedenken, nachdem er zuvor von der IKG explizit nicht zur Veranstaltung bei der Shoah-Namensmauer eingeladen worden war.

Kein Platz für Hass und Ausgrenzung

Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) betonte anlässlich des Gedenktags Österreichs Verantwortung im Umgang mit seiner Geschichte: „Es liegt an jedem Einzelnen von uns, dass wir Hass und Ausgrenzung keinen Platz bieten“, appellierte er. Es gelte, gegen Antisemitismus „entschieden aufzustehen“.

„Lange Zeit hat Österreich sich davor gescheut, sich dem dunkelsten Kapitel seiner eigenen Geschichte zu stellen“, erklärte Schallenberg. „Aber heute stellen wir uns dieser Verantwortung – vollumfänglich“, versicherte er. Die Verantwortung beziehe sich beileibe nicht bloß auf die Vergangenheit, sondern bedeute „ein aktives Handeln im Jetzt und in der Zukunft“, befand er.

„Niemals davor gefeit, dass sich Geschichte wiederholt“

„Gerade jetzt, wo wir sowohl in Österreich als auch weltweit einen massiven Anstieg an antisemitischen Vorfällen verzeichnen, gilt es klar Position zu beziehen und gegen jede Form von Antisemitismus und Antizionismus entschieden aufzustehen – egal wann, egal wo“, mahnte Schallenberg. „Denn wir sind niemals davor gefeit, dass sich Geschichte wiederholt. Das muss uns wachrütteln.“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen reist am Montag gemeinsam mit der österreichischen Delegation nach Polen und wird an der Befreiungsfeier auf dem Gelände des ehemaligen KZ teilnehmen. Bei der offiziellen Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung lässt sich Schallenberg durch Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) vertreten, weil zeitgleich der Rat der EU-Außenminister in Brüssel stattfindet.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen (l.) reist am Montag nach Polen zur Befreiungsfeier auf dem Gelände des ehemaligen KZ Auschwitz. Bundeskanzler Alexander Schallenberg (r.) muss nach Brüssel und lässt sich vertreten.
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Die Delegation des Bundespräsidenten besteht nach Angaben der Präsidentschaftskanzlei aus Raab, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, der Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, Hannah Lessing, der Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Barbara Glück, und Andreas Kranebitter, Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands, sowie Emmerich Gärtner-Horvath, Beiratsvorsitzender der Volksgruppe der Roma. Zur Befreiungsfeier werden Vertreterinnen und Vertreter aus über 45 Staaten erwartet. (TT, APA)