Unterdrückung in Russland

Tod im Straflager: Hunderte Menschen erinnerten an Kremlgegner Nawalny

Trauer um Alexej Nawalny ein Jahr nach seinem Tod. Wer das Grab besucht, wird von der Polizei dokumentiert und muss mit Konsequenzen rechnen.
© AFP/Nemenov

Wer die Staatsmacht kritisiert, lebt in Russland gefährlich. Trotzdem demonstrierten am Jahrtag des Todes von Alexej Nawalny viele Menschen ihre Solidarität mit dem Kremlgegner – streng beobachtet von der Polizei. Derzeit soll es in Russland fast 800 politische Gefangene geben.

Moskau – Ein Jahr nach dem Tod des Oppositionsführers Alexej Nawalny in einem russischen Straflager haben Hunderte Menschen Blumen am Grab des Kremlgegners niedergelegt. Die Polizei gewährte ihnen Zutritt zum Borissowskoje-Friedhof, doch wurden die Trauernden von Beamten gefilmt, wie unabhängige Medien meldeten. Unter den Besuchern waren demnach auch ausländische Diplomaten, darunter die US-Botschafterin Lynne Tracy und EU-Botschafter Roland Galharague.

Den Berichten zufolge bildete sich eine Schlange von Wartenden. Auch in anderen russischen Städten gab es demnach Gedenkaktionen, darunter in St. Petersburg und Jekaterinburg. In der Millionenstadt Nowosibirsk habe es mindestens fünf Festnahmen bei einer Gedenkveranstaltung für Nawalny gegeben, teilte das Bürgerrechtsprojekt OWD-Info mit.

„Ich vermisse dich so sehr“

Nawalnys Witwe, Julia Nawalnaja lebt im Exil in Deutschland. Sie schrieb auf Instagram, es habe keinen Tag in diesem Jahr gegeben, an dem sie sich nicht an ihren Mann gedacht, mit ihm gelacht, sich innerlich mit ihm beraten, aber auch mit ihm diskutiert habe. „Ich liebe dich sehr, vermisse dich sehr, du fehlst mir so." Später rief sie dazu auf, für ein freies und friedliches Russland zu kämpfen.

Nawalny war der bekannteste Gegner von Kremlchef Wladimir Putin. 2020 wurde er bei einem Aufenthalt in Sibirien zur Vorbereitung von Regionalwahlen vergiftet. Nachdem er im Koma liegend zur Behandlung nach Deutschland ausgeflogen wurde, diagnostizierte die Berliner Charité-Klinik einen Nervenkampfstoff als Ursache. Die russische Regierung wies jede Beteiligung an dem Anschlag zurück.

Straflager am Polarkreis

Bei seiner Rückkehr nach Moskau wurde Nawalny auf dem Flughafen festgenommen und wegen Verstoßes gegen Meldeauflagen aus einem früheren Verfahren in Haft genommen. Später verurteilten ihn russische Gerichte wegen angeblicher Veruntreuung und Beleidigung einer Richterin zu neun Jahren Haft. Nach einem weiteren Prozess wegen Extremismus wurde die Freiheitsstrafe auf 19 Jahre erhöht, die er in einem Straflager am Polarkreis absitzen sollte. Zum Zeitpunkt des Todes war Nawalny erst 47 Jahre alt.

Indessen geht die russische Staatsmacht weiter rigoros gegen Andersdenkende vor. Die Liste der inhaftierten Gegner von Kremlchef Wladimir Putin und seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine ist lang. Die in Moskau verbotene, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Menschenrechtsorganisation Memorial listet 785 politische Gefangene auf.

Wer Nawalny als Vorbild stilisiert oder auch seinen Anti-Korruptions-Fonds FBK unterstützt, riskiert viele Jahre Haft wegen Extremismus. Allein im Jänner wurden drei Anwälte von Nawalny zu langen Haftstrafen verurteilt, weil sie den Putin-Gegner verteidigt hatten. Und Nawalny ist auch nicht der Einzige, der in Gefangenschaft starb.