Rufe nach Überwachung

Nach Anschlag in Villach: Tausende Menschen gedenken und trauern

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn hatten sich mehr als Tausend Besucher in der Innenstadt versammelt.
© PETER LINDNER

Villach – Nach dem Anschlag in der Villacher Innenstadt vom vergangenen Samstag haben mehr als 4000 Personen bei einem Gedenkzug in der Innenstadt teilgenommen, darunter auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) und Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Zuvor war der Ruf nach Maßnahmen gegen potenzielle Terroristen lauter geworden. Kaiser sprach sich offen dafür aus, Maßnahmen „zur verdeckten Überwachung von Messenger-Diensten einzuleiten.“

Kerzen am Tatort.
© GERD EGGENBERGER

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Kommentar

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„Dieser Anschlag war ein direkter Angriff auf unsere Grundwerte, unser Lebensmodell und unsere Freiheit. Mit dem Ziel unsere Gesellschaft mit Furcht und Schrecken zu erfüllen und uns zu spalten“, sagte Bundeskanzler Schallenberg in seiner Rede. Aber das dürfe dem Terrorismus nicht gelingen: „Und es wird ihm auch nicht gelingen. Denn unsere Gesellschaft, unsere Gemeinschaft ist stärker.“

Dieser Anschlag war ein direkter Angriff auf unsere Grundwerte, unser Lebensmodell und unsere Freiheit.
Bundeskanzler Alexander Schallenberg
Interimskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP), Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und Landeshauptmannstellvertreter Martin Gruber (ÖVP) bei den Trauerfeierlichkeiten.
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Der Gedenkzug war am Nordufer der Drau gestartet und führte in aller Stille am Tatort am Unteren Hauptplatz vorbei, wo Kränze niedergelegt wurden. Danach fand ein ökumenischer Gottesdienst mit dem katholischen Diözesanbischof Josef Marketz und dem evangelisch-lutherischen Superintendenten Manfred Sauer in der Stadtpfarrkirche statt.

Superintendent Manfred Sauer und Diözeseanbischof Josef Marketz im Gottesdienst.
© GERT EGGENBERGER

Karner für mehr Befugnisse

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte zuvor einmal mehr auf erweiterte Befugnisse für den Sicherheitsapparat gepocht. „Vor Jahrzehnten wurden Briefe geschrieben und am Festnetz telefoniert. Das gibt es heute nicht mehr“, konstatierte der Ressortchef. Maßnahmen setzen will offenbar auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne): „Wir dürfen nicht zulassen, dass Handys und Kommunikationsmittel zu Waffen werden.“

Wir dürfen nicht zulassen, dass Handys und Kommunikationsmittel zu Waffen werden.
Justizministerin Alma Zadić
Regen Zustrom gab es beim Gedenkzug.
© GERT EGGENBERGER

Der Innenminister kündigte zudem eine Beschleunigung der Personalsuche im Bereich digitaler Ermittlungen an und will auch die Errichtung weiterer Cyber-Trainingscenter für Ermittler schneller vorantreiben. Nicht zuletzt sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen für verdeckte Ermittlungen im digitalen Bereich verbessert werden, sodass die Ermittler mehr Sicherheit haben, nicht selbst straffällig zu werden.

Nach einem Kärntner Sicherheitsgipfel drängte Landeshauptmann Kaiser auf eine personelle Aufstockung sowohl bei der Polizei als auch im Nachrichtendienst. Social Media-Plattformen sollten sowohl auf demokratiefeindliche Inhalte als auch auf Algorithmen untersucht werden, die eine Radikalisierung vorantreiben. Der Attentäter von Villach hatte sich ja binnen drei Monaten über islamistische Videos auf TikTok radikalisiert.

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und Polizeidirektorin Michaela Kohlweiß im Rahmen einer Sitzung des Sicherheitsstabes des Landes Kärnten in Klagenfurt.
© GERD EGGENBERGER

Gruber für TikTok-Verbot

Noch einen Schritt weiter als Kaiser ging Landeshauptmann-Stellvertreter Martin Gruber (ÖVP): „Es braucht ein generelles Verbot von TikTok. Wenn solche Online-Medien der Nährboden für Radikalisierung sind, müssen wir sie trockenlegen.“

Es braucht ein generelles Verbot von TikTok. Wenn solche Online-Medien der Nährboden für Radikalisierung sind, müssen wir sie trockenlegen.
LH-Stellvertreter Martin Gruber (ÖVP)

Doch sind die Messenger-Dienste nicht das einzige Thema, das in Diskussion steht. Innenminister Karner erneuerte seinen Vorschlag vom Wochenende, der Polizei leichtere Möglichkeiten zu geben, auch Privatunterkünfte zu kontrollieren. Es gehe darum, „bestimmte Zielgruppen“ zu checken, die in Zusammenhang mit einer Radikalisierung aufgefallen seien. Der Innenminister nannte in diesem Zusammenhang afghanische und syrische Staatsbürger. Das sei „keine einfache Lösung und keine schnelle Lösung“, deutete Karner die Notwendigkeit einer Verfassungsbestimmung an.

Kerzen im Fenster in der Innenstadt Villachs.
© GERT EGGENBERGER

Mehr als 100 Hochgefährder

Dass die Lage in Österreich durchaus kritisch ist, zeigen Zahlen aus dem Sicherheitsapparat. Zur Zeit der Tat in Villach waren österreichweit mehr als 100 radikalisierte islamistische „Hochgefährder“ bekannt. Ihnen wird grundsätzlich ein Anschlag zugetraut. Der aus Syrien stammende Täter gehörte nicht zu diesem Personenkreis, der im Visier der Behörden steht.

Still gelegt wird zumindest fürs erste die Asylunterkunft in Villach, wiewohl der Täter dort nicht untergebracht war. Die Bundesbetreuungsagentur kommt damit einem Wunsch der Kärntner Landespolitik nach. Die 75 in Villach untergebrachten Personen werden nun in anderen Einrichtungen versorgt.

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Friedensgebet der islamischen Glaubensgemeinschaft

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) hat indes zu einem Friedensgebet in Villach eingeladen. IGGÖ-Präsident Ümit Vural wird am Freitag um 13.30 Uhr im Bosniakischen Kulturzentrum der Stadt anwesend sein. Außerdem werden beim Freitagsgebet diese Woche in allen Moscheen der IGGÖ österreichweit „Bittgebete für die Opfer des Terroranschlags und ihre Hinterbliebenen gesprochen“.

Am Dienstag waren noch zwei 15-jährige Opfer des Anschlags auf der Intensivstation im Krankenhaus. Eine weitere Person, die bis Montag intensivmedizinisch versorgt wurde, konnte unterdessen auf die Intermediate Care – das Bindeglied zwischen Intensiv- und Normalstation – verlegt werden. Laut Staatsanwaltschaft hatten die beiden 15-jährigen Jugendlichen schwerste Verletzungen erlitten, und zwar am Bauch und am Oberkörper, auch Dauerfolgen waren nicht auszuschließen. (APA)