Ignoriert Regierung Hinweise? 134 Ex-Schüler erstatteten in Frankreich Anzeige wegen Missbrauchs
Über 130 ehemalige Schüler erstatteten bisher Anzeige wegen Vergewaltigung und schwerer Misshandlung. Drei Männer sollen die grausamen Taten zwischen 1957 und 2004 verübt haben. Der damaligen Regierung wird vorgeworfen, die Missstände verschleiert zu haben.
Pau – Im Missbrauchsskandal an einer katholischen Internatsschule in Frankreich, der auch bis in die Pariser Regierung Wellen schlägt, hat die Polizei drei Tatverdächtige festgenommen. Den 1931, 1955 und 1965 geborenen Männern werde schwere Vergewaltigung, schwere sexuelle Nötigung sowie schwere Gewaltanwendung vorgeworfen, teilte die Staatsanwaltschaft im südwestfranzösischen Pau mit. Zu den Taten soll es zwischen 1957 und 2004 gekommen sein.
Inzwischen haben 134 ehemalige Schüler Anzeige erstattet, weil sie in dem bekannten Gymnasium Notre-Dame-de-Bétharram nach ihren Angaben körperlich misshandelt und sexuell missbraucht wurden. Medien berichten von einem „Terrorregime“ in der Schule und einem „Gulag in den Pyrenäen“.
Vergewaltigungsvorwurf und schwere Misshandlung
Premier François Bayrou wehrt sich gegen den Vorwurf, auf Missstände in dem Gymnasium, an dem auch seine Frau unterrichtete und das einige seiner Kinder besuchten, als Bildungsminister zwischen 1993 und 1997 nicht reagiert zu haben.
1996 gab es eine Anzeige gegen einen Schulbeschäftigten, der einen Schüler halb gehörlos prügelte, und 1997 folgte eine Anzeige gegen den ehemaligen Schuldirektor wegen Vergewaltigung. Der Mann nahm sich danach das Leben.
Dem Premier, der seit Jahren auch Bürgermeister von Pau ist und in dessen Wahlkreis sich die Schule befindet, wird vorgeworfen, den Skandal damals unter den Teppich gekehrt zu haben. Bayrou bestreitet das ausdrücklich und will von Missständen an der Schule nichts gewusst haben. Ein damaliger Untersuchungsrichter sowie ein Polizist schilderten Medien aber, dass Bayrou sie damals zu den Ermittlungen befragt hat.
Ignorierte Regierung Hinweise auf Missstände?
Der Premier warf nun seinerseits der sozialistischen Regierung Ende der Neunzigerjahre vor, mehrere explizite Hinweise der Staatsanwaltschaft auf schwere Missstände in der Schule ignoriert zu haben.
Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, die sich Zugang zu den Hinweisen verschafft hat, war darin von „einer möglichen großen Affäre“ die Rede. In großem Stil kamen Ermittlungen aber erst ab 2024 ins Rollen, nachdem ein ehemaliger Schüler eine Facebook-Gruppe gründete und immer mehr Betroffene Anzeige erstattet hatten. (APA, dpa)