Österreicher Tal Shoham und fünf weitere Hamas-Geiseln frei
Insgesamt kamen am Samstag sechs israelische Geiseln frei. Im Gegenzug sollen mehr als 600 Palästinenser freikommen. Familie und Außenministerium über Freilassung Shohams erleichtert.
Gaza – Die Hamas hat am Samstag im Gazastreifen den Österreicher Tal Shoham und fünf weitere Geiseln an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben. Fünf Männer sind mittlerweile in Israel. Dort würden sie medizinisch untersucht, ehe sie ihre Angehörigen träfen, teilte das israelische Militär mit. Die sechste Geisel wurde am frühen Nachmittag freigelassen. Im Gegenzug kommen 602 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen frei, darunter 50 lebenslänglich Verurteilte.
Vermummte und bewaffnete Hamas-Kämpfer in Uniformen inszenierten die Übergabe erneut mit einer Bühne, lauter Musik und palästinensischen Fahnen. Shoham war seit über 16 Monaten im Palästinenser-Gebiet festgehalten worden. Er wurde mit seiner Frau, ihren beiden Kindern und weiteren weiblichen Angehörigen entführt. Frauen und Kinder kamen im November 2023 als Teil eines damaligen Abkommens zwischen Israel und der Hamas frei.
Insgesamt sollen am Samstag sechs israelische Geiseln entlassen werden. Im Gegenzug kommen 602 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen frei. Darunter 50 mit lebenslangen Haftstrafen.
Neben dem austro-israelischen Familienvater Shoham (40) und Mengistu (39) kamen bisher auch die drei vom Nova-Festival entführten jungen Israelis Omer Shem-Tov (22), Omer Wenkert (23) und Eliya Cohen (27) frei. Die andere Langzeitgeisel Hisham al-Sayed (36) soll auch noch im Laufe des Samstags freikommen. Sayed und Mengistu wurden seit rund zehn Jahren im Gazastreifen festgehalten. Die als psychisch krank beschriebenen Männer waren 2015 bzw. 2014 in das Gebiet eingedrungen.
Familie Tal Shohams über Freilassung erleichtert
Die Familie Shohams zeigte sich am Samstag in einer Aussendung erleichtert über die Freilassung. „Nach den tragischen Ereignissen des 7. Oktober, bei denen drei unserer Familienmitglieder ermordet wurden, nach 50 Tagen, in denen acht von uns – einschließlich unserer kleinen Kinder Naveh (8) und Yahel (4) – selbst in Gaza als Geiseln festgehalten wurden, und nach über 500 Tagen der Ungewissheit über Tals Schicksal können wir nun langsam beginnen, die Scherben unseres Lebens aufzusammeln, zu heilen, aber auch endlich die Ruhe finden, um für unsere Verluste zu trauern. Wir sind Österreich unendlich dankbar für die unglaubliche Unterstützung, die wir in dieser Zeit erhalten haben“, hieß es in der Stellungnahme.
„Während wir überglücklich sind, Tal wieder bei uns zu haben, sind wir uns schmerzlich bewusst, dass viele Familien in Israel noch immer auf die Rückkehr ihrer Lieben warten, darunter auch Väter mit kleinen Kindern. Wir fühlen ihren Schmerz, und unsere Gedanken und Gebete sind bei ihnen. Wir werden ihren Kampf weiter unterstützen, bis jede Geisel nach Hause zurückkehrt. Ihr Kampf bleibt auch unser Kampf“, so die Familie.
Außenministerium über Freilassung Shohams erleichtert
Erleichtert über die Freilassung von Shoham zeigte sich das Außenministerium in Wien. „505 Tage lang haben wir mit der Familie gebangt, gehofft und gewartet. Wir sind unglaublich erleichtert und überglücklich, dass Tal Shoham endlich freigelassen wurde und nun zu seiner Familie zurückkehren kann. Wir wünschen Tal und seinen Lieben, dass sie das Erlittene gemeinsam fernab der Öffentlichkeit verarbeiten können“, hieß es in einer Aussendung am Samstag.
Österreich habe sich seit dem 7. Oktober 2023 auf allen politischen und diplomatischen Ebenen sowie im Sicherheitsbereich intensiv für die Freilassung von Shoham und der anderen Geiseln eingesetzt. Bundeskanzler und Außenminister Alexander Schallenberg sowie sein Vorgänger Karl Nehammer (beide ÖVP) seien dazu in engem, vertrauensvollen Kontakt mit Partnern aus der Region gewesen. Der Dank Österreichs gelte allen Partnern, insbesondere Katar, Ägypten und den USA, denen man für die enge Zusammenarbeit danken möchte, so das Außenministerium weiter.
Auch Grünen-Chef Werner Kogler zeigte sich in einer Stellungnahme gegenüber der APA erleichtert. „Es ist eine riesige Erleichterung, dass unter den heute freigelassenen Geiseln der Hamas nun auch Tal Shoham, ein österreichisch-israelischer Staatsbürger, nach fast eineinhalb Jahren in den Tunneln der Hamas endlich wieder in die Freiheit entlassen wurde. Die Freude über seine Rückkehr ist groß. Ein herzliches Dankeschön an die Familie, die Freund:innen und die Angehörigen, die in dieser schwierigen Zeit nie aufgegeben haben, und an Karl Nehammer und Alexander Schallenberg für ihre unermüdlichen Bemühungen“, so Kogler.
Kibbuz in Israel: Frauenleiche ist die von Shiri Bibas
Unterdessen wurde eine am Freitagabend von der Hamas übergebene Frauenleiche identifiziert. Der Kibbuz Nir Oz bestätigte am Morgen, es handle sich um die Leiche der verschleppten Geisel Shiri Bibas. Die sterblichen Überreste der Deutsch-Israelin hätten eigentlich zusammen mit denen ihrer beiden kleinen Söhne am Donnerstag an Israel übergeben werden sollen. In dem Sarg, den die Hamas an dem Tag an das Rote Kreuz ausgehändigt hatte, befand sich jedoch die Leiche einer anderen, unbekannten Frau. Die Terrororganisation räumte später einen möglichen Irrtum ein. Die Vertauschung - ob wissentlich oder versehentlich – hatte in Israel große Empörung ausgelöst.
Schon in der Nacht auf Freitag hatte die israelische Armee den Tod von Shiris beiden kleinen Kindern Ariel und Kfir Bibas bestätigt. Sie seien bereits im November 2023 von den Kidnappern ermordet worden. Nach Darstellung der Hamas waren sie bei einem israelischen Luftangriff getötet worden.
Mann soll während gesamter Geiselhaft angekettet gewesen sein
Palästinensische Terroristen entführten Shem-Tov, Wenkert und Cohen vom Nova-Musikfestival in der Negev-Wüste. Cohens Partnerin überlebte das Massaker nach Angaben des Forums der Geiselfamilien, in dem sie sich unter Leichen versteckte. Cohen soll während seiner gesamten Geiselhaft angekettet gewesen sein, wie israelische Medien unter Berufung auf Berichte von jüngst freigelassenen Geiseln meldeten.
Sayed ist ein israelischer Araber, der die Grenze in den Gazastreifen 2015 auf eigene Faust überquert hatte. Gleiches gilt für den in Äthiopien geborenen Mengistu, der bereits seit 2014 in der Gewalt der Hamas ist. Die Hamas veröffentlichte auch Aufnahmen der beiden, im Jahr 2022 wurde Sayed etwa in einem Bett mit Sauerstoffmaske gezeigt. In Israel sorgte dies für Entsetzen.
Freilassung von drei Geiseln vorgezogen
Die Hamas ließ drei der sechs Geiseln früher als geplant frei. Drei Männer sollten gemäß dem Waffenruhe-Abkommen ursprünglich erst kommendes Wochenende freigelassen werden. Die Islamisten wollten, dass die Freilassung Dutzender hochrangiger Mitglieder der Terrororganisation aus israelischen Gefängnissen nicht in letzter Minute scheitert, berichteten mehrere Medien. Laut der US-Nachrichtenseite „Axios“ gibt es sowohl aufseiten der palästinensischen Terrororganisation als auch innerhalb der israelischen Regierung Befürchtungen, dass die erste, sechswöchige Phase der Waffenruhe nicht wie verabredet bis Anfang März halten könnte – und wichtige Forderungen dann unerfüllt bleiben.
Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Jänner hatten Islamisten im Gazastreifen in mehreren Runden bisher 19 Geiseln freigelassen. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.
Erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden
Das mehrstufige Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass während einer ersten, sechswöchigen Phase nach und nach insgesamt 33 Geiseln, darunter acht Tote, im Austausch gegen 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen. Vier weitere Leichen sollen laut Hamas kommende Woche übergeben werden. Damit wird der Austausch von Geiseln gegen Inhaftierte der ersten Phase abgeschlossen. Die erste Phase des Deals soll offiziell in einer Woche enden.
Berichten zufolge haben beide Kriegsparteien bisher, anders als vorgesehen, noch keine ernsthaften Verhandlungen über die zweite Phase der Vereinbarung geführt. Ob sie zustande kommt, ist ungewiss. Sie soll zu einem endgültigen Ende des Krieges sowie zur Freilassung der noch verbliebenen Geiseln führen. Im Gazastreifen werden noch mehr als 60 Geiseln festgehalten, etwa die Hälfte davon ist nach israelischen Informationen nicht mehr am Leben.
Auslöser des Krieges war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 48.300 Menschen getötet, darunter auch viele Frauen und Minderjährige. (APA)
Krieg in Nahost
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Verstoß gegen Waffenruhe