Häufung von Anschlägen

Kurz vor der Bundestagswahl: Mutmaßlich antisemitische Attacke in Berlin

Die Berliner Feuerwehr reinigt den Tatort.
© IMAGO/Stefan Zeitz Photography

Beim Holocaust-Mahnmal wurde am Freitag ein spanischer Tourist attackiert. Er musste notoperiert werden und ist in einem stabilen Zustand.

Berlin – Der mutmaßlich antisemitische Angriff auf einen spanischen Touristen am Holocaust-Mahnmal in Berlin hat deutschlandweit Entsetzen ausgelöst. Der lebensgefährlich verletzte 30-Jährige musste nach der Messerattacke am Freitag notoperiert werden. Sein Zustand ist stabil. Ein 19 Jahre alter anerkannter syrischer Flüchtling sitzt als Verdächtiger in Untersuchungshaft. Er wurde wenige Stunden nach der Tat mit blutverschmierten Händen im Umfeld der Gedenkstätte festgenommen.

Der Mann sei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt und nicht ausreisepflichtig gewesen, teilte das sächsische Innenministerium mit. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur lebte er in einer Gemeinschaftsunterkunft in Leipzig, die am Samstag durchsucht wurde.

Mit dem mutmaßlichen Ziel, Juden zu töten, soll er im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals in Berlin auf den Besucher aus Spanien von hinten eingestochen haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft geht auch mit Blick auf den Tatort von einem antisemitischen Motiv aus. Zudem soll es eine religiöse Motivation gegeben haben. Demnach hatte der Mann neben dem Messer als mutmaßlicher Tatwaffe einen Koran, einen Zettel mit Versen daraus sowie einen Gebetsteppich in seinem Rucksack dabei.

Anschlag auf Botschaft vereitelt?

Am Donnerstag nahmen Einsatzkräfte am Hauptstadtflughafen BER einen 18-jährigen Tschetschenen fest. Er soll einen gleichfalls antisemitisch motivierten Anschlag auf die israelische Botschaft in Berlin geplant haben. Bei einer Wohnungsdurchsuchung in Potsdam fanden Beamte einen sprengstoffähnlichen Gegenstand.

Das Mehrfamilienhaus wurde evakuiert, der Gegenstand sollte dann entschärft werden. Es gab fünf weitere Festnahmen, der 18-Jährige kam in Untersuchungshaft. Er soll zudem vom BER aus den Deutschland haben verlassen wollen, um sich dem IS anzuschließen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, verurteilte den Angriff auf den Touristen als schreckliche Tat. „Die Verachtung der Erinnerung an die Schoa und der Hass auf Juden gehen Hand in Hand mit der fundamentalen Ablehnung unserer westlichen Werte und sind oft der ideologische Kern islamistisch motivierter Täter“, teilte er mit.

Weiterer Anschlag in Frankreich

In Frankreich kam es am Samstag zu einer islamistisch motivierten Gewalttat mit einem Toten. Der mutmaßliche Täter hatte am Nachmittag im elsässischen Mulhouse mehrere Menschen bei einem Markt im angegriffen und dabei „Allahu Akbar“ (etwa „Gott ist am größten“ auf Arabisch) gerufen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Einen Passanten aus Portugal, der einschritt, verletzte der Mann tödlich. Fünf Polizisten und zwei städtische Angestellte der Parkraumüberwachung wurden verletzt, einer der Angestellten schwer.

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Täter in Polizeigewahrsam

Ein Toter und sieben Verletzte bei Messerangriff im Elsass: „Islamistische Terrortat“

Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen und befindet sich in Polizeigewahrsam. Nach ersten Polizeiangaben soll die Tatwaffe bei dem Angriff in der 100.000-Einwohner-Stadt nahe der Grenze zu Baden-Württemberg ein Messer gewesen sein. Der Mann ist laut Innenministerium ein 37-jähriger, ausreisepflichtiger Algerier. Er soll demnach wegen Terrorverherrlichung verurteilt worden sein und psychische Probleme haben. Auch drei weitere Menschen kamen in Polizeigewahrsam, zwei von ihnen aus dem familiären Umfeld des Täters.

Zusammenhänge zum Nahost-Konflikt

„Nach bisherigen Ermittlungen und dem aktuellen Kenntnisstand sollen Zusammenhänge mit dem Nahostkonflikt bestehen“, teilte die Berliner Staatsanwaltschaft mit. Nach dem Angriff der islamistischen Terrormiliz Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel war die israelische Armee in den Gaza-Streifen einmarschiert. Dort wurden im Verlauf des Krieges Zehntausende Palästinenserinnen und Palästinenser getötet, vor allem Zivilisten.

Das Mahnmal für die ermordeten Juden in Europa erinnert in der historischen Mitte Berlins an die sechs Millionen Juden, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten ermordet wurden. Die Gedenkstätte hatte bereits am Sonntag wieder regulär geöffnet.

Thema Migration dominierte Bundestagswahlkampf

In den vergangenen Wochen und Monaten gab es in Deutschland mehrere auch tödliche Angriffe, deren Hintergründe allerdings unterschiedlich waren. Das Thema Migration dominierte daraufhin den Bundestagswahlkampf. So fuhr am 13. Februar ein 24-jähriger Afghane in München mit einem Auto in einen Verdi-Demonstrationszug. Ein zweijähriges Mädchen und seine 37 Jahre alte Mutter starben später im Krankenhaus, mindestens 37 weitere Menschen erlitten teils schwere Verletzungen.

In einem Park in Aschaffenburg soll ein 28 Jahre alter Afghane im Jänner ihm offensichtlich unbekannte Menschen mit einem Messer angegriffen haben. Ein zweijähriger Bub marokkanischer Herkunft und ein 41-jähriger Deutscher starben. Kurz vor Weihnachten war zudem ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt in Magdeburg gerast. Sechs Menschen kamen ums Leben, knapp 300 wurden verletzt.

Wie kommt es zu der Häufung von Anschlägen?

Zwar fragen sich viele Menschen, ob die Häufung von Anschlägen in den Wochen vor der Bundestagswahl dem Zufall geschuldet ist. Die Sicherheitsbehörden sehen bisher jedoch keine Anhaltspunkte, die auf eine Verbindung etwa zu einem ausländischen Geheimdienst hindeuten würden. Anders war es zuletzt bei verschiedenen Fake-Videos, die in Zusammenhang mit der Wahl standen und bei denen es klare Hinweise auf eine russische Urheberschaft gibt.

Zu den Faktoren, die – abgesehen von der Tat des saudischen Islam-Gegners in Magdeburg – nun beleuchtet werden, zählen der Gaza-Krieg als möglicher Auslöser sowie Nachahmereffekte. Der Verfassungsschutz teilt dazu auf Anfrage mit: „In Bezug auf die jüngsten Vorfälle steht das Bundesamt für Verfassungsschutz in engem Austausch mit den jeweiligen Ermittlungsbehörden.“ Die von den Ermittlern übermittelten Erkenntnisse würden durch den Verfassungsschutz auch über Einzelfälle hinaus ausgewertet, also mit Blick auf mögliche Zusammenhänge zur Einordnung der Taten. (APA, dpa)