Trump attackiert Selenskyj

Schock in Europa nach beispiellosem Eklat im Weißen Haus: So reagieren die EU-Spitzen

Bei einem Treffen im Weißen Haus warf US-Präsident Donald Trump dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj am Freitag mangelnde Dankbarkeit vor.
© SAUL LOEB

Die Folgen des beispiellosen Streits zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Staatschef Selenskyj sind unab­sehbar – auch für die EU. Macron, Starmer, Meloni und Co. versichern der Ukraine ihre volle Unterstützung. Freude herrscht allein in Moskau.

Washington – Nach dem explosiven Zerwürfnis vor den Augen der Welt beharren sowohl US-Präsident Donald Trump als auch sein ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj auf ihren Positionen. Der Eklat beim Zusammentreffen der beiden im Weißen Haus könnte dramatische Folgen für das von Russland angegriffene Land haben. Kiew ist auf die Unterstützung des Westens – und vor allem der USA – angewiesen, um den Angriff abzuwehren.

„Das war kein Mann, der Frieden schließen wollte, und ich bin nur interessiert, wenn er das Blutvergießen beenden will“, sagte Trump. „Ich will jetzt einen Waffenstillstand.“ Selenskyj habe „die Karten nicht in der Hand“. Dieser dankte in einem Fox-Interview den USA, Trump und dem Volk für die bisherige Hilfe. Eine Entschuldigung an Trump lehnte er jedoch ab.

Freude über das Zerwürfnis herrscht wohl allein in Moskau. Der Kreml sprach Selenskyj den Willen zum Frieden ab. Er wolle den Krieg fortsetzen, so die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sa­charowa.

Der Kölner Politikwissenschafter Thomas Jäger hält den Eklat beim Treffen von Trump mit Selenskyj für eine geplante Aktion des US-Präsidenten. „Da stand der Reality-Star Donald Trump und hat genau das gemacht, was er kann: vor der Kamera jemanden fertigmachen.“ Selenskyj sei in die Falle gelaufen. „Das ist kein Zufall, das ist keine Provokation. Da ist ein Manuskript abgespielt worden.“ Trump sei Wladimir Putins Mann im Weißen Haus. Das Verhältnis von Putin zu Trump komme aber bei der Bevölkerung nicht gut an. Aus diesem Grund habe Trump die Erniedrigung geplant.

„Sind wieder im 19. Jahrhundert“

Für den Bundesheeroffizier und Historiker Markus Reisner ist in der derzeitigen Situation mit dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie der Kehrtwende der USA klar, „dass wir wieder im 19. Jahrhundert sind: Wer in der Lage ist, mehr militärische Macht zu produzieren, gibt den Ton an.“ Europa sei hingegen noch immer in einem Schockzustand und habe noch nicht verstanden, was da gerade passiere. „Auf der Münchner Sicherheitskonferenz haben die USA uns den Spiegel vorgehalten und wir haben gesehen: Wir haben wirklich keine Hose an.“

Als Vermittler im Konflikt brachte sich erneut die Türkei ins Spiel. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán forderte die EU auf, dem Beispiel der USA zu folgen und direkte Gespräche mit Russland über einen Waffenstillstand und eine Einigung in der Ukraine zu führen. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock fordert angesichts der Eskalation zwischen den USA und der Ukraine rasche Antworten für mehr Sicherheit in Europa. „Eine neue Zeit der Ruchlosigkeit hat begonnen.“ Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Nie hätte ich geglaubt, dass wir einmal die Ukraine vor den USA in Schutz nehmen ­müssen.“

London gibt Kiew Milliardenkredit für Verteidigung

Großbritannien gibt der Ukraine einen Kredit über 2,74 Milliarden Euro zur Stärkung seiner Verteidigung. Die beiden Finanzminister Rachel Reeves und Serhii Marschenko unterzeichneten die Vereinbarung am Samstag. Zuvor hatte der britische Premierminister Keir Starmer den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in London empfangen. Der Premier kam Selenskyj entgegen und empfing ihn mit einer Umarmung.

Schaulustige hatten Selenskyjs Konvoi zuvor zugejubelt. Der Kontrast zu Selenskyjs Besuch in Washington am Vortag könnte kaum größer sein. In einem kurzen Gespräch vor laufenden Kameras bekräftigte Starmer die Bereitschaft Großbritanniens, die Ukraine "so lange es nötig ist", in ihrer Abwehr gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen.

Man sei außerdem entschlossen, "einen dauerhaften Frieden für die Ukraine, basierend auf Souveränität und Sicherheit für die Ukraine" zu erreichen. Das sei nicht nur für Kiew, sondern auch für Europa und das Vereinigte Königreich wichtig. Selenskyj schien sichtlich gerührt.

Macron zur Diskussion über nukleare Abschreckung bereit

Der französische Präsident Emmanuel Macron ist indes bereit, Gespräche über eine nukleare Abschreckung für Europa zu beginnen. Macron sagte dem portugiesischen Sender "RTP" in einem Interview, dass Europa, wenn es bei der Verteidigung und der nuklearen Abschreckung eine "größere Autonomie" anstrebe, eine Diskussion darüber starten sollte. Macron veröffentlichte das Interview auf X. "Ich bin bereit, diese Diskussion zu eröffnen, wenn sie den Aufbau einer europäischen Streitmacht ermöglicht", ergänzte er.

Meloni schlägt sofortigen Sondergipfel vor

Wie groß die Sorge in Europa nach dem verpatzten Treffen in Washington ist, zeigt ein Vorstoß der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Sie schlug einen sofortigen Gipfel zwischen Europa und den USA vor. „Jede Spaltung des Westens macht uns alle schwächer und begünstigt die, die den Untergang unserer Zivilisation herbeiführen wollen“, mahnte Meloni.

Polens Präsident Andrzej Duda legte Selenskyj eine Wiederaufnahme von Verhandlungen mit den USA nahe. Außer den USA gebe es weltweit keine andere Macht, die die russische Aggression gegen die Ukraine stoppen könne, erklärte Duda. (TT, APA/dpa/Reuters)

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