„Anora“ räumt ab, Demi Moore geht leer aus und weitere Überraschungen: Das war die 97. Oscar-Nacht
Bei den Oscars hat die Tragikomödie „Anora“ über eine Sexarbeiterin in den USA gleich fünf Auszeichnungen gewonnen, darunter für den besten Film. Die 25-jährige Mikey Madison gewann den Oscar als beste Hauptdarstellerin und setzte sich damit unter anderem gegen Favoritin Demi Moore („The Substance“) durch. Was sonst noch passiert ist …
Das Indie-Werk „Anora“ ist der große Gewinner der 97. Oscars: Die Tragikomödie um eine Sexarbeiterin hat sich bei der Gala in Hollywood die Königskategorie Bester Film gesichert. Das Werk hatte Sean Baker zuvor bereits die Auszeichnungen als bester Regisseur sowie als Autor des Originaldrehbuchs und als Editor im Schnitt eingebracht. Und Nachwuchsschauspielerin Mikey Madison setzte sich überraschend gegen Altmeisterin Demi Moore bei den Hauptdarstellerinnen durch.
Mit fünf Ehrungen bei sechs Nominierungen lag die Produktion damit klar an der Spitze des Feldes. Auf immerhin drei Oscars brachte es das Monumentalwerk „Der Brutalist“ von Jungregisseur Brady Corbet. Die fiktive Biografie eines Architekten und Holocaustüberlebenden brachte Adrien Brody seinen zweiten Hauptdarsteller-Oscar nach „Der Pianist“. Und auch in den Sparten Soundtrack und Kamera holte sich „Der Brutalist“ die Auszeichnungen.
Favoritensturz im Vorfeld
Ursprünglich hatte lange Jacques Audiards Narco-Musical „Emilia Pérez“ mit 13 Nominierungen als ein Topfavorit des Abends gegolten. Wegen beleidigender Tweets durch Trans-Hauptdarstellerin Karla Sofía Gascón verlor das Werk seine Favoritenrolle aber. Immerhin wurde aus „Emilia Pérez“ der Song „El Mal“ gekürt. Auch setzte sich Zoe Saldaña gegen die starken Konkurrentinnen durch und holte die Trophäe als beste Nebendarstellerin. Bei den Herren indes sicherte sich wie prognostiziert Kieran Culkin den Oscar als bester Nebendarsteller in Jesse Eisenbergs „A Real Pain“.
Immerhin eine seiner acht Nominierungen konnte der Thriller „Konklave“ des österreichisch-schweizerischen Regisseurs Edward Berger in eine Trophäe umsetzen – die für das beste adaptierte Drehbuch. Als bester Animationsfilm wurde mit „Flow“ erstmals überhaupt ein Film aus Lettland gewürdigt, der auch in der Sparte Auslandsoscar nominiert war. Hier obsiegte aber das Drama „I'm Still Here“, das somit erstmals Brasilien die Ehrung einbrachte. Gänzlich leer ungeachtet acht Nominierungen ging indes die Bob-Dylan-Biografie „Like A Complete Unknown“ aus.
Besondere Momente: Ein ungewollter Kuss
Während der Verleihung kamen mehrere Feuerwehrleute auf die Bühne, die nach den Waldbränden von O'Brien als Helden gewürdigt wurden. Hollywoodstar Morgan Freeman erinnerte an Schauspieler Gene Hackman, der mit seiner Ehefrau Betsy tot in seinem Anwesen aufgefunden worden war.
Während der Show gab es eine Hommage an die „James Bond“-Filme. Die langjährigen Bond-Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson gaben zuletzt die kreative Kontrolle über das Franchise an Amazon ab.
Oscar-Gewinner Adrien Brody hat kurz vor seiner Dankesrede für einen heiteren Moment bei der Preisverleihung gesorgt. Auf dem Weg zur Bühne bemerkte Brody, dass er noch einen Kaugummi im Mund hat – und warf diesen kurzerhand seiner Partnerin Georgina Chapman zu. Sie versuchte, ihn aufzufangen.
Heftigen Applaus und eine der längsten Standing Ovations bekam eine Gruppe von Menschen, die als Ersthelfer bei den Los Angeles Waldbränden aktiv waren. „Im Namen aller Menschen im Großraum Los Angeles danke ich Ihnen für alles, was Sie tun“, sagte Moderator Conan O'Brien zu der Gruppe.
Auf dem roten Teppich revanchierte sich Hollywoodstar Halle Berry auf überraschende Weise mehr als 20 Jahre nach einem stürmischen Kuss von Brody und küsste ihn auf den Mund.
Wenige politische Momente
Moderator Conan O'Brien hat für einen markigen Satz über den Widerstand gegen einen „mächtigen Russen“ Zustimmung bei der Oscar-Verleihung bekommen. Der US-Comedian sprach über den Film „Anora“, in dem sich eine Sexarbeiterin in den Sohn eines russischen Oligarchen verliebt und der Familie auch Paroli bietet.
O'Brien sprach nach den ersten Auszeichnungen in Los Angeles darüber, dass der Film einen Lauf hatte. „Ich denke, Amerikaner sind begeistert, dass jemand endlich einem mächtigen Russen die Stirn bietet.“
Ein Oscar ging an den Dokumentarfilm „No Other Land“ eines palästinensisch-israelischen Teams, der von der Räumung palästinensischer Dörfer im Westjordanland erzählt. Der Film war auch bei der Berlinale 2024 ausgezeichnet worden. Den Filmemachern wurde damals nach der Verleihung eine einseitige Positionierung im Nahost-Konflikt und teils auch Antisemitismus vorgeworfen.
Die Regisseure nutzten die Bühne in Los Angeles, um auf die Situation in ihrer Region hinzuweisen. „No Other Land“ spiegelt die harte Realität wider, die wir seit Jahrzehnten ertragen und gegen die wir uns immer noch wehren“, sagte der palästinensische Filmemacher Basel Adra, „während wir die Welt auffordern, ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, um die Ungerechtigkeit zu beenden und die ethnische Säuberung des palästinensischen Volkes zu stoppen.“
Schauspielerin Daryl Hannah erinnerte auf der Bühne an die Ukraine, die sich seit drei Jahren gegen einen Angriffskrieg Russlands verteidigt. Zuletzt hatte es im Weißen Haus einen beispiellosen Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gegeben.
Viel Musik im Spiel
Musikalisch ging es dabei mehr zu als sonst, auch wenn die Organisatoren heuer auf die Liveperformance der nominierten Oscar-Songs verzichtet hatten. So wurde der Abend mit einem Medley aus dem am Ende zweifach gewürdigten Musical „Wicked“ eröffnet, bei dem Ariana Grande und Cynthia Erivo ihre Parts aus dem zehnfach nominierten Film interpretierten.
Auch das James-Bond-Franchise bekam angesichts der Übernahme durch Amazon ein musikalisches Medley spendiert, während Queen Latifah den verstorbenen Quincy Jones ehrte.
Die Siegerliste der 97. Oscar-Verleihung
Bester Film: „Anora"
Bester internationaler Spielfilm: „Für immer hier", Brasilien (Originaltitel: „Ainda estou aqui"; internationaler Titel: „I’m Still Here")
Beste Regie: Sean Baker („Anora")
Beste Hauptdarstellerin: Mikey Madison („Anora")
Bester Hauptdarsteller: Adrien Brody („Der Brutalist")
Beste Nebendarstellerin: Zoe Saldaña („Emilia Pérez")
Bester Nebendarsteller: Kieran Culkin („A Real Pain")
Bestes Originaldrehbuch: Sean Baker („Anora")
Bestes adaptiertes Drehbuch: Peter Straughan („Konklave")
Beste Kamera: Lol Crawley („Der Brutalist")
Bestes Szenenbild (Production Design): „Wicked" (Nathan Crowley, Lee Sandales)
Bestes Kostümdesign: Paul Tazewell („Wicked")
Bestes Make-up und beste Frisuren: „The Substance" (Pierre-Olivier Persin, Stéphanie Guillon, Marilyne Scarselli)
Beste Filmmusik: Daniel Blumberg („Der Brutalist")
Bester Filmsong: „El Mal" aus „Emilia Pérez" (Musik und Text: Clément Ducol, Camille und Jacques Audiard)
Bester Schnitt: Sean Baker („Anora")
Bester Ton: „Dune: Part Two" (Gareth John, Richard King, Ron Bartlett, Doug Hemphill)
Beste visuelle Effekte: „Dune: Part Two" (Paul Lambert, Stephen James, Rhys Salcombe, Gerd Nefzer)
Bester Animationsfilm: „Flow" des lettischen Regisseurs Gints Zilbalodis (Produzenten: Matīss Kaža, Ron Dyens, Gregory Zalcman)
Bester animierter Kurzfilm: „In the Shadow of the Cypress", Iran – Shirin Sohani, Hossein Molayemi
Bester Kurzfilm: „Ich bin kein Roboter", Niederlande (I’m Not a Robot/Ik ben geen robot) – Victoria Warmerdam, Trent
Bester Dokumentarfilm: die palästinensisch-norwegische Doku „No Other Land" (Basel Adra, Rachel Szor, Hamdan Ballal, Yuval Abraham)
Bester Dokumentar-Kurzfilm: „Die einzige Frau im Orchester" (The Only Girl in the Orchestra) – Molly O’Brien, Lisa Remington
(APA, dpa, TT.com)
Emotional und komisch