Premier tritt zurück

Trudeau-Nachfolger und Trump-Gegner: „Kanada wird niemals Teil Amerikas werden“

Mark Carney, ehemaliger Chef der kanadischen Zentralbank, während einer Pressekonferenz.
© ANDREJ IVANOV

Justin Trudeaus Nachfolger, der ehemalige Zentralbankchef Mark Carney, will seinen Kurs fortsetzen und macht mit Blick in Richtung USA deutlich: „Kanada wird niemals in irgendeiner Form Teil Amerikas werden“.

Ottawa – Der ehemalige Zentralbankchef Mark Carney wird neuer Vorsitzender der regierenden Liberalen Partei in Kanada. Das ergab eine Abstimmung unter Parteimitgliedern, deren Ergebnis am Sonntagnachmittag (Ortszeit) bekannt gegeben wurde. Als Nachfolger von Justin Trudeau wird der 59-jährige Wirtschaftsexperte auch das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen und als Spitzenkandidat seiner Partei bei voraussichtlichen Neuwahlen im zweitgrößten Flächenstaat der Welt antreten.

Carney ließ in seiner ersten Wortmeldung keinen Zweifel daran, dass er sich den Aggressionsplänen von US-Präsident Donald Trump genauso entschlossen entgegenstellen wird wie Trudeau. „Kanada wird niemals in irgendeiner Form Teil Amerikas werden“, sagte er kurz nach Bekanntwerden der Ergebnisse der Parteiabstimmung. Seine Nation erlebe „dunkle Tage, ausgelöst durch ein Land, dem wir nicht länger trauen können“, aber man werde die Herausforderung bewältigen, sagte der 59-Jährige.

„Im Handel wie im Eishockey: Kanada wird siegen!“

Seit Wochen gibt es politische und wirtschaftliche Spannungen zwischen den USA und Kanada, befeuert davon, dass US-Präsident Trump angekündigt hatte, den Nachbarn im Norden zum „51. US-Staat“ machen zu wollen. In den vergangenen Tagen hatten die USA hohe Zölle auf kanadische Waren eingeführt, die Kanada mit Gegenzöllen beantwortete, bevor Trump sie vorerst aussetzte. „Im Handel wie im Eishockey: Kanada wird siegen!“, sagte Carney unter dem Jubel der Mitglieder seiner Mitte-Links-Partei.

Der 59-Jährige setzte sich mit 86 Prozent der Stimmen gegen die frühere Finanzministerin Chrystia Freeland durch, wie die Partei am Sonntag mitteilte. Trudeau, der 2013 Parteichef und zwei Jahre später Regierungschef wurde, hatte Anfang Jänner angesichts schlechter Umfragewerte seinen Rücktritt angekündigt. Die Wahl bei den Liberalen erfolgte inmitten massiver Auseinandersetzungen mit den USA wegen der Drohungen des neuen US-Präsident Donald Trump mit höheren Zöllen gegen Kanada.

Bis Oktober müssen im Land Parlamentswahlen stattfinden, doch könnten sie schon binnen Wochen stattfinden. Die oppositionellen Konservativen lagen ursprünglich in den Umfragen in Führung, angesichts der Konfrontation mit den USA holten die Liberalen zuletzt aber deutlich auf.

„Wir haben das hier zum besten Land der Welt gemacht und nun wollen unsere Nachbarn uns übernehmen. Auf keinen Fall!“, hatte Carney kurz vor der Bekanntgabe der Ergebnisse zu diesem Streit gesagt. Auch andere Kandidaten hatten sich in ihren Abschlussreden deutlich gegen die USA positioniert. Justin Trudeau sagte: „Wir sind ein diplomatisches Land, wenn wir können, aber wenn wir müssen, kämpfen wir – Ellenbogen nach oben!“ An der Abstimmung hatten knapp 152.000 der etwa 400.000 Mitglieder der Liberalen Partei, die Kanada seit dem Zweiten Weltkrieg mehr als 50 Jahre lang regiert hat, teilgenommen.

Wähler sehen in Carney besten Gegenspieler Trumps

Carney war mit einer wirtschaftsorientierten, zentristischen Agenda ins Rennen um den Parteivorsitz gegangen. Im Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten will er den Trudeau-Kurs des entschlossenen Widerstands fortsetzen. Einer Umfrage des Senders CTV News zufolge glauben 40 Prozent der Kanadier, dass Carney der beste Politiker für Verhandlungen mit Trump wäre – deutlich mehr als die 26 Prozent Zuspruch für den Vorsitzenden der Konservativen und seinen größten innenpolitischen Gegenspieler, Pierre Poilievre.

Carney wird auch deshalb als kompetent gesehen, weil er reichlich Erfahrung im nationalen und internationalen Krisenmanagement hat: Während der Finanzkrise leitete der in der Provinz Alberta im Westen Kanadas groß gewordene Hundefreund ab 2008 die Zentralbank seines Heimatlandes. Die verhältnismäßig gute Erholung Kanadas in den Folgejahren wird auch Carney zugeschrieben. Während des Brexits war er Zentralbankchef in Großbritannien, bis zum Jänner dieses Jahres dann UNO-Sondergesandter für Klimafinanzierung.

Engere Zusammenarbeit mit Europa und Asien geplant

Der Liberale verspricht eine grundlegende Reform der Wirtschaft mit Steuererleichterungen für die Mittelschicht und den Abbau bürokratischer Hürden sowie einer stärkeren Förderung von Innovation und Investitionen. Carney plädiert dabei für eine engere Zusammenarbeit mit Europa und Asien, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern.

In den kommenden Tagen dürfte der scheidende Premier Trudeau mit seinem designierten Nachfolger ein Datum für die Übergabe der Regierungsgeschäfte festlegen und formell zurücktreten. Der neue Premier wird möglicherweise das Kabinett anpassen wollen, wobei bestehende Minister angesichts der bald erwarteten Neuwahl auch im Amt bleiben könnten. Das Parlament in Ottawa tagt wieder am 24. März. Für diesen Tag plant die Opposition ein Misstrauensvotum, was Neuwahlen in den kommenden Monaten auslösen dürfte.

Carney könnte aber auch bereits vor diesem Termin seine Minderheitsregierung für gescheitert erklären und Neuwahlen ausrufen. Taktisch sehen Beobachter dies als möglicherweise klugen und proaktiven Zug, weil die Liberalen in den Umfragen zuletzt deutlich zulegten. (APA, dpa, Reuters)