Welchen Deal Syriens Kurden und die neuen Machthaber vereinbart haben
Bürgerkriegsland im Umbruch: Drei Monate nach dem Sturz des Assad-Regimes kooperieren die Kurden mit der Übergangsregierung, Alawiten fürchten hingegen weitere Racheakte.
Damaskus – Die neue Führung in Syrien hat offenbar einen Durchbruch erzielt im Bemühen, das Land zu einen. Sie unterzeichnete ein Abkommen mit der Miliz Syrische Demokratische Kräfte (SDF), die von Kurden dominiert wird und den Nordosten des Landes kontrolliert.
Der selbst ernannte Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa versucht seit dem Sturz des Assad-Regimes Anfang Dezember, die Kontrolle auf das ganze Land auszudehnen. Kleinere Milizen haben sich bereits der neuen Führung unterstellt. Mit den SDF ist nun auch die größte bewaffnete Gruppe gefolgt.
US-Unterstützung fraglich
Kurden stellen etwa zehn Prozent der Bevölkerung Syriens. Im Zuge des Bürgerkriegs errangen sie eine weitgehende Selbstständigkeit im ölreichen Nordosten. Zugleich fungierten sie als Bodentruppen der USA im Kampf gegen IS-Jihadisten. Es galt jedoch als zweifelhaft, ob die neue US-Regierung die Kurden weiterhin unterstützen würde. Außerdem war ihre Miliz zuletzt ständigen Angriffen der Türkei und von türkischen Vasallen ausgesetzt.
In dieser Situation ließ sich die kurdische Führung jetzt auf einen Deal mit den neuen Machthabern in Damaskus ein. Laut dem Dokument, das Übergangspräsident al-Sharaa und SDF-Chef Maslum Abdi unterzeichneten, sollen die Kurden ihre eigenen administrativen und militärischen Strukturen bis Ende des Jahres in die staatlichen Strukturen eingliedern.
Alle Rechte auch für Kurden
Im Gegenzug erhielten die Kurden in dem Dokument die schriftliche Zusicherung, dass alle Syrer – also unabhängig von ihrer Religion oder Volksgruppe – das Recht haben, sich am politischen Prozess zu beteiligen. Offen blieb zunächst, wie die Eingliederung der Kurden in den syrischen Staat im Detail funktionieren soll und ob nun auch die Angriffe der Türkei enden.
Das Abkommen gilt als großer Erfolg für al-Sharaa und für das Bemühen, Syrien nach 14 Jahren Bürgerkrieg zu stabilisieren. Es kam zu einem brisanten Zeitpunkt: In den Tagen davor hatten Massaker unter der Minderheit der Alawiten – zu denen auch die Familie Assad gehört – international für Schlagzeilen gesorgt. Verübt wurden sie angeblich von Kämpfern der neuen Machthaber, die außer Kontrolle geraten waren.
Al-Sharaa hat angekündigt, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch in den Siedlungsgebieten der Alawiten, die 15 Prozent der Bevölkerung stellen, geht die Angst um vor weiteren Racheakten. Viele Menschen sollen aus ihren Wohnorten geflüchtet sein und sich teilweise auf Bergen und in Wäldern aufhalten. (TT, dpa)