Ran an den Dreck! Warum „Überhygiene“ kleinen Kindern schaden kann
Liebe Eltern! Liebe LeserInnen!
Die Inspiration zum heutigen Thema hat mich vor ein paar Tagen durch folgende Szene am Spielplatz ereilt: Ein etwa einjähriges Kind verkostet eine Handvoll Sandkistensand, verzieht das Gesicht und spuckt ihn wieder aus. Die Mutter springt auf, wäscht ihm sofort den Mund aus, ruft etwas wie "Grausig, bäh!" Der Papa kommentiert, dass "das bissl Dreck doch nix tut" – im Gegenteil, es sei gar nicht so schlecht für’s Immunsystem. "Und was, wenn ein Hund hineingemacht hat?" argumentiert die Mama.
Interessante Diskussion. Ich zücke mein Smartphone, google "Kinder Dreck Immunsystem", stecke das Handy gleich wieder weg. Strenge Selbstermahnung: 'Ich will kein Smartphone-Dad am Spielplatz sein.' Die Recherche wird auf später vertagt.
Am Abend mit Laptop auf der Couch die Bestätigung meiner Annahme: Ärzte sagen, dass der frühe Kontakt mit Dreck Vorteile für die Entwicklung des Immunsystems bringt. Der "Bauernhof-Effekt" wurde vor einigen Jahren sogar von Forschenden der Unispitäler Genf wissenschaftlich bestätigt. In ihrer Studie zogen sie Mäuse parallel in einem Kuhstall und im Labor auf. Als sie die Tiere mit Allergenen in Kontakt brachten, reagierten die Hof-Mäuse weniger stark als jene im Labor. Auch die Darmflora der Stallmäuse war gesünder.
Eine Zunahme von Allergien und chronisch-entzündlichen Krankheiten wie Asthma durch übertriebene Hygienemaßnahmen bzw. seltenen Kontakt zu Erregern im Kleinkindalter gilt als nachgewiesen. Das bestätigt auch der Kinder- und Jugendarzt Burkhard Rodeck: Wer im frühen Kindesalter mehr Bakterien und anderen Keimen ausgesetzt ist, mag zwar in dem Zeitraum häufiger krank sein, trainiert aber seine Abwehrkräfte und ist damit später besser geschützt.
"Das Immunsystem hat dann weniger Fehlreaktionen, die sich sonst etwa durch Allergien zeigen können", erklärt Rodeck. Körperhygiene und regelmäßiges Händewaschen ist natürlich trotzdem angesagt, doch mit der Sauberkeit übertreiben sollte man es nicht. Letztlich leidet die Gesundheit des Kindes, wenn das Umfeld in eine zu sterile Richtung tendiert.
„Eltern sind nicht alleine“
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Aber was ist jetzt in extremeren Fällen, wenn das Kind etwa in einen Hundehaufen und dann in den Mund greift? Auch wenn der Ekelfaktor in dem Fall enorm steigt, gilt: Rasch reinigen, aber kein Grund zur Panik. Denn die Gefahr, dass sich das Kind durch Kot eine Infektion holt, ist sehr gering. Die Magensäure ist hoch ätzend und wird fast mit allen Erregern fertig. Ein Restrisiko gibt es immer, etwa wenn der Hund Innenparasiten wie Spulwürmer hatte. Bei Symptomen wie Bauchschmerzen oder Durchfall sollte man natürlich zum Arzt.
Zu einem Problem können auch verdreckte Wunden werden. Diese sollten immer gut mit Wasser ausgespült, nach Möglichkeit desinfiziert und danach "dreckdicht" verbunden werden, ehe das Kind weiter draußen herumtobt, sagt Mediziner Rodeck.
Eine weitere Gefahr ist Gift, in welcher Form auch immer. Beeren wie die roten Eibenfrüchte oder schwarzen Ligusterbeeren sind verlockend für Kleinkinder. Auch bei Schimmel oder anderen giftigen Pilzen heißt es aufpassen, dass nichts im Mund landet. Ganz schlimm, und leider auch immer wieder auf Spielplätzen zu finden, sind Zigarettenstummel. Theoretisch kann schon das Essen einer einzigen Zigarette aufgrund des hochgiftigen Nikotins tödlich für ein Kleinkind sein.
Ein Resümee könnte also so lauten: "Überhygiene" ist auf lange Sicht schädlich, kleine Kinder brauchen auch den Kontakt mit Dreck für ihre gesundheitliche Entwicklung. Eltern sollten trotzdem wachsam bleiben, was sich die Sprösslinge so in den Mund stecken. Und Wunden gehören rasch gereinigt.
Veranstaltungen für Familien in Tirol am Wochenende
Wer am wettertechnisch durchwachsenen Wochenende Lust auf die ein oder andere Veranstaltung hat, dem sei etwa die Ausstellung „Ostern feiern – hier und anderswo“ im Volkskunstmuseum in Innsbruck ans Herz gelegt. Woher kommt der Osterhase? Was hat ein blauer Hirsch mit Ostern zu tun? An zehn Mitmach-Stationen gibt es dort viel Erstaunliches zu entdecken. Noch einen spannenden Termin gibt es am Samstagnachmittag im Kaiserjägermuseum, wo sich Kinder ihren eigenen Orden designen dürfen.
Im Kultursaal Zams halten am Samstag um 17 Uhr die„Sieben Zwerge“ (ab 4 Jahren) Einzug. Die örtliche Theatergruppe inszeniert das Schauspiel mit Musik. Bestimmt viel gelacht wird am Samstag in Buch bei Jenbach mit Herbert und Mimi, die bei „Kultur am Land“ auftreten. Ab 15 Uhr entführt das bekannte Clown-Duo dort ins „Träumeland“ (ab 3 Jahren).
Eine weitere Empfehlung im Unterland ist der Kinderflohmarkt in Kirchbichl am Samstagvormittag. Auch beim zweitägigen Tauschmarkt in Volders werden wieder viele Baby- und Kindersachen die Besitzer wechseln.
Am Sonntag um 15 Uhr lädt das Mezzanin Theater zum Stück „Früher“ (ab 6 Jahren) ins Stromboli in Hall. Im Mittelpunkt steht dort eine Berufs-Oma, die aus ihrer Kindheit in den 1960er Jahren erzählt.
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Stubaicup, Frühlingskonzerte und Indie-Pop: Das ist los in Tirol am Wochenende
Nach ein paar trüben Tagen soll sich kommende Woche die Sonne in Tirol wieder richtig durchsetzen, ich freue mich schon auf viele schöne Frühlingserlebnisse mit den Kindern in der Natur. Mögen sie ordentlich im Dreck wühlen! 😉
Eine gute Zeit mit euren Liebsten wünscht euch,
Simon Hackspiel
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