Entscheidung am OGH

Grasser-Anwälte attackieren Erstgericht: „Das war kein fairer Prozess“

Karl-Heinz Grasser trifft mit seinem Anwalt Manfred Ainedter im Justizpalast ein. Das Medieninteresse ist enorm.
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Am ersten Tag der Berufungsverhandlung zerlegten die Anwälte von Ex-Finanzminister Grasser und den weiteren Angeklagten das Urteil des Erstgerichts. Am Montag könnte das Urteil fallen.

Wien – Eine Traube an Kameramännern, Fotografen und Journalistinnen blockiert den Liftausgang im 2. Stock im Justizpalast. Niemand will die Ankunft von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser verpassen.

Um sieben Minuten vor 10 Uhr beginnt das große Blitzlichtgewitter, Grasser bahnt sich mit Manfred Ainedter, dem ersten seiner drei Anwälte, den Weg in Richtung Sitzungssaal. Statements will der Hauptangeklagte keine abgeben. Für Grasser geht es um viel: Acht Jahre Haft lautete das nicht rechtskräftige Urteil des Erstgerichts im Jahr 2020. Ob dieses und die Urteile der weiteren Angeklagten halten, darüber soll nun der OGH entscheiden. Die Verhandlung ist auf vier Tage anberaumt.

Gegenschuss mit Smartphone

Bei all dem Trubel um Grasser kommt ein weiterer prominenter Angeklagter nahezu unbemerkt in den Verhandlungssaal: Der Tiroler Walter Meischberger, einst Grassers Freund und Trauzeuge, ikonisch geworden durch die Frage „Wo woar mei Leistung?“. Er fasste 2020 sieben Jahre Haft aus. Nicht anwesend am Donnerstag aus gesundheitlichen Gründen: Der Lobbyist Peter Hochegger, der im ersten Prozess ein Teilgeständnis abgelegt und sechs Jahre ausgefasst hatte. Meischberger, wie Grasser sichtlich angespannt, hat den Humor nicht verloren: Als die Kamerameute ihn ins Visier nimmt, setzt er mit dem Smartphone zum Gegenschuss an – und sogar ein kleines Lachen kommt ihm dabei aus.

Karl-Heinz Grasser mit seinen Anwälten Manfred Ainedter (l.) und Norbert Wess (r.), die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung eingebracht haben.
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Der Prozess mit seinen drei Themensträngen Buwog, Terminal Tower Linz und Telekom ist komplex – das erstinstanzliche Urteil umfasst 1300 Seiten – und so dauert es fast eine Stunde, bis die Berichterstatterin, ein Mitglied des fünfköpfigen Senats, die Chronologie des Falls vorgetragen hat. Grasser betreffe der Vorwurf der Untreue und Korruption als unmittelbarer Täter. Weiters gehe es auch um Beweismittelfälschung und Geschenkannahme durch Beamte. Grasser habe in Wien und an anderen Orten seine Befugnisse wissentlich zum Schaden der Republik missbraucht. Dann sind die Anwälte am Wort.

„Wenn man jemanden so lange kennt, dann ist einem das alles nicht wurscht“, beginnt Grasser-Anwalt Ainedter emotional: Er vertrete den ehemaligen Minister seit 2002. Einmal mehr spricht er von einem „politisch motivierten Verfahren“, das ihn an eine griechische Tragödie erinnere: Von Anfang an sei die Lage aussichtslos, der Protagonist werde schuldlos schuldig. Und Ainedter ist sich sicher: „Das Urteil kann einer Überprüfung nicht standhalten“.

Das Urteil ist unerträglich falsch (...) ein Blinder mit Krückstock sieht, dass da etwas nicht stimmt.
Norbert Wess (Grasser-Verteidiger)

Sein Kollege Norbert Wess legt es im Anschluss ausführlicher an und erklärt, warum das erstinstanzliche Urteil nicht halten kann: Richterin Marion Hohenecker habe keinen fairen Prozess abgehalten. Die 168 Prozesstage seien von Anfang an ein „juristischer Kampf“ gewesen: „Wir konnten ihn nicht gewinnen“. Wess und seine Kollegen werfen Hohenecker u.a. Befangenheit vor, weil ihr Mann – ebenfalls Strafrichter – Grasser-kritisch getwittert hatte.

„Es wird nur Verlierer geben“

Nach den Rechtsvertretern des Erstangeklagten Grasser war Anwalt Michael Dohr für den Zweitangeklagten Walter Meischberger am Wort. Er betonte, egal wie die Causa ausgeht, es werde nur Verlierer geben – selbst bei Freisprüchen. Dies sei der langen Verfahrensdauer und der medialen Vorverurteilung geschuldet. Richterin Hohenecker sei voreingenommen gewesen, es habe des Weiteren Verfahrensmängel gegeben, wie etwa die Sitzordnung oder Ton- und Bildmitschnitte im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts. Fazit von Dohr: „Man kann zumindest Gerechtigkeit walten lassen und meinen Mandanten freisprechen.“

Walter Meischberger verbrachte am ersten Verhandlungstag im OGH die Mittagspause mit Karl-Heinz Grasser.
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Otto Dietrich, Anwalt von Ex-Immofinanzchef Karl Petrikovics, ortete eine Vorverurteilung der Beschuldigten durch Richterin Hohenecker, außerdem seien ihr handwerkliche Fehler unterlaufen, wie bei der Unterscheidung des Kaufpreises der Buwog und der Gesamtkosten. Nach den Ausführungen von Dietrich beendete Senatsvorsitzende Christa Hetlinger den ersten Verhandlungstag.

Fortsetzung am Freitag um 10 Uhr, ein Urteil könnte am Montag fallen.