„Wir waren verliebt“

Zwölfjährige in Wien missbraucht und geschwängert: Prozess gegen Ex-Freund

Der Angeklagte soll als 16-Jähriger im Wissen um ihr Alter ab ihrem 13. Geburtstag einvernehmlichen Sex mit dem Mädchen gehabt haben. In der gleichen Zeit wurde die junge Wienerin von mehreren Jugendlichen missbraucht.

Wien – Am Montag ist am Landesgericht gegen den Ex-Freund jenes Mädchens verhandelt worden, das im ersten Halbjahr 2023 in Wien-Favoriten von mehreren Jugendlichen missbraucht worden sein soll. Die Betroffene war damals zwölf Jahre alt. Der Ex-Freund der Schülerin soll ab ihrem 13. Geburtstag von September 2023 bis Anfang Februar 2024 – dann ging die Beziehung in die Brüche – wiederholt einvernehmlichen Sex mit dem Mädchen gehabt haben. Der Angeklagte war dazu nicht geständig.

Das Mädchen sei auch schwanger geworden, wie die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung darlegte. Die Schwangerschaft sei abgebrochen worden. Der Angeklagte habe gewusst, dass das Mädchen erst 13 war. Damit habe sich der Jugendliche strafbar gemacht, weil er aus rechtlichen Gründen erst nach dem 14. Geburtstag mit der Schülerin intim hätte werden dürfen.

Obwohl laut Anklage gesichert ist, dass der Jugendliche das Mädchen nicht unter Druck gesetzt hatte und kein Gewaltaspekt im Spiel war, ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft aufgrund des Altersunterschieds der beiden der Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen erfüllt. Es gibt zwar eine Alterstoleranz, wenn unmündige und mündige Jugendliche miteinander intim werden – diese beträgt aber 36 Monate. Der Angeklagte liegt von den Geburtsdaten her zweieinhalb Monate über dieser Toleranzgrenze.

Angeklagter: „Es war meine erste Liebe“

Der mittlerweile 18-Jährige, der sich bisher zum zentralen Vorwurf der Anklage nicht geäußert hat, schilderte einem Schöffensenat, er sei in das Mädchen verliebt gewesen: „Es war meine erste Liebe.“ Man habe sich zunächst über Snapchat kennengelernt und dann regelmäßig getroffen: „Dann hat sich das in eine andere Richtung entwickelt. Wir waren ineinander verliebt.“

Dass das Mädchen zu diesem Zeitpunkt erst zwölf Jahre alt war, habe er nicht gewusst: „Sie hat mir gesagt, dass sie 14 ist. Erst später habe ich erfahren, dass sie 13 ist.“ Draufgekommen sei er, weil er ihren Schülerausweis gesehen habe. Bis dahin habe er „keinen Grund gehabt“, an ihren Altersangaben zu zweifeln: „Sie sah auch so aus. Sie sah auch nicht jünger aus.“

Als er wusste, dass sie erst 13 war, habe er sich erkundigt, ob der Sex mit seiner Freundin legal sei, unter anderem bei seiner Betreuerin. Er habe auch „Rechtsberatung eingeholt“, sagte der Angeklagte; „Ich war der festen Überzeugung, dass das erlaubt ist zwischen 13 und 16. Ich wusste nicht, dass es nicht erlaubt ist.“

Er habe auch regelmäßig bei der Familie seiner Freundin übernachten dürfen. Auf Wunsch der damals 13-Jährigen habe er sich ihren Eltern gegenüber jünger – nämlich als 15-Jähriger – ausgegeben und seine afghanische Abstammung geleugnet: „Ich hatte Angst vor Vorurteilen.“

Zeuge bestätigte Angeklagten

Die Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) hatte bis zu dessen 18. Lebensjahr die Obsorge für den Burschen inne. Dieser war im betreuten Wohnen untergebracht, wo er auch sexuell aufgeklärt und über Verhütung beraten wurde, wie sein ehemaliger Betreuer als Zeuge erklärte.

Als man erfuhr, dass der Jugendliche eine deutlich jüngere Freundin hatte, habe man den Altersunterschied thematisiert: „Er hat uns klar gemacht, dass er verliebt ist.“ Als man Kenntnis erlangte, dass das Mädchen erst 13 war, habe man gemeinsam mit dem Jugendlichen eine Rechtsberatung aufgesucht, bestätigte der Zeuge die Angaben des Angeklagten: „Die Rechtsberatung hat uns bestätigt, dass drei Jahre in Ordnung sind.“

Man habe die Rechtslage „falsch interpretiert“, räumte der Zeuge ein. Man sei davon ausgegangen, dass der Altersunterschied des Paares keine Strafbarkeit nach sich ziehe. Inzwischen wisse man, dass Sex für 16- oder 17-Jährige grundsätzlich erst mit Partnern nach deren 14. Geburtstag erlaubt sei. Bei 13-Jährigen gebe es einen persönlichen Schuldausschließungsgrund, wenn der Ältere nicht mehr als drei Jahre älter ist.

Der Zeuge betonte im Übrigen, die Mutter des Mädchens habe von der Beziehung gewusst und diese bis zur Schwangerschaft toleriert: „Ohne Einverständnis der Mutter geht es nicht, dass sie bei ihm schläft.“ Es habe auch direkte Kontakte mit der Mutter gegeben. Erst nach der Schwangerschaft sei es dem Burschen nicht mehr erlaubt worden, das Mädchen in seiner Unterkunft zu sehen.

„Ich konnte sie nicht verlassen“

Auf die Frage, warum ihm das Mädchen zu Beginn ihr korrektes Alter verschwiegen hätte, meinte der Angeklagte, diese habe ´„Angst gehabt“, aufgrund dessen von ihm verlassen zu werden. Als er ihr wahres Alter erfahren habe, „war ich schon verliebt. Ich konnte sie nicht verlassen.“

Er habe auch weiter Sex mit ihr gehabt. Bis zur Schwangerschaft habe er ein gutes Verhältnis mit den Eltern seiner Freundin gehabt und sei dort regelmäßig ein- und ausgegangen: „Ich durfte bei ihnen sein. Die haben mich auf Essen eingeladen.“

Neben Missbrauch auch versuchte Nötigung

Neben dem Missbrauchsdelikt wird dem nunmehr 18-Jährigen auch versuchte Nötigung angekreidet. Er soll nach dem Ende der Beziehung dem Mädchen mit dem Weiterleiten bzw. Öffentlichmachen von Bildmaterial mit geschlechtlichen Handlungen gedroht haben, um einen Ring zurückzubekommen, den er ihr geschenkt hatte.

Das gab der 18-Jährige zu. „Ich habe mit dem letzten Geld den Ring gekauft, weil ich sie so geliebt habe“, erläuterte er. Dann habe sie mit ihm Schluss gemacht: „Sie hat gesagt, sie hat keinen Bock mehr auf mich. Ich war sehr verletzt.“

Die Videos vom gemeinsamen Sex habe er mit Einverständnis seiner Freundin angefertigt, versicherte der 18-Jährige. Er hätte diese unmittelbar nach dem Beziehungsende gelöscht, behauptete er.

Vor der Zeugenaussage des Mädchens wurde die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen.

Für die Verhandlung gilt im gesamten Gerichtsgebäude ein absolutes Film- und Fotoverbot, das sich ausdrücklich auch auf Mobiltelefone bezieht. Medienschaffende wurden seitens des Gerichts ersucht, den Namen der vorsitzenden Richterin in der Prozessberichterstattung nicht zu nennen. (APA)