Großmacht-Träume

25 Jahre Kremlherrscher: Wie Putin vom Freund zum Feind wurde

Imperiales Gepräge: Wladimir Putin im Vorjahr im Kreml.
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Am 26. März 2000 wurde Wladimir Putin zum ersten Mal zum russischen Präsidenten gewählt. Der umworbene Partner der Europäer entpuppte sich als ihr gefährlichster Gegenspieler.

Moskau – Im Kreis der Mächtigen gibt es schon lange keinen mehr, der vor dem russischen Präsidenten im Amt war. Als Wladimir Putin vor 25 Jahren zum ersten Mal in den Kreml einzog, hätten wenige geglaubt, dass er einmal eine weltpolitische Wende provozieren würde. Russlands Eliten und westliche Spitzenpolitiker unterschätzten zunächst den scheuen Ex-Spion mit dem Gossen-Jargon.

Im Rückblick wird deutlich: Putin, heute 72, hat von Anfang an daran gearbeitet, eine autoritäre Großmacht zu restaurieren. Sie ist machtpolitisch und ideologisch gegen Europa gerichtet.

Putin und die Diktatur

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem chaotischen Umbruch der neunziger Jahre sehnten sich viele Russen nach Ordnung und einem starken Mann. Zum Narrativ der frühen Putin-Jahre gehört, dass er das taumelnde Riesenreich stabilisiert und auf Wachstumskurs gebracht hat.

Putin inszeniert gern seine Männlichkeit und körperliche Fitness. Das Foto zeigt ihn beim Reiten im Urlaub in Südsibirien im Sommer 2009.
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Doch der Druck auf Medien, Opposition, Zivilgesellschaft, Unternehmer und Abtrünnige aus dem Machtapparat wuchs. Kreml-Gegner wurden ermordet, weggesperrt oder ins Exil getrieben. Putin ließ Wahlen, die er wahrscheinlich gewonnen hätte, zu Krönungen manipulieren. Heute kann jede Kritik an ihm hinter Gitter führen. Die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung spricht von einer Führerdiktatur.

Putin und der Westen

Als Putin ins Amt kam, galt Russland als strategischer Partner des Westens. Es gab intensive Kontakte auf allen Ebenen – bis hin zur NATO – und immer engere wirtschaftliche Verflechtungen. Mitteleuropa bezog aus Putins Reich billige Energie. Der damalige US-Präsident George W. Bush sagte 2001 nach seinem ersten Treffen mit Putin: „Ich habe dem Mann in die Augen gesehen. Ich halte ihn für (...) vertrauenswürdig.“ Dass der neue Kremlchef mit harter Hand für Ordnung sorgte, wurde im Westen zunächst begrüßt und als „gelenkte Demokratie“ beschönigt.

Ein Jahr nach Amtsantritt als Präsident kam Putin 2001 zur alpinen Ski-WM nach Tirol. Das Foto zeigt ihn mit dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel am Skilift in St. Christoph am Arlberg.
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In Putin jedoch stieg der Zorn hoch. Schon in seiner Antrittsrede als Ministerpräsident 1999 hatte er erklärt: „Russland war und ist eine Großmacht.“ Nun aber integrierten sich ehemalige Vasallen Russlands in die westlichen Strukturen. Für Putin waren das keine souveränen Entscheidungen, sondern Angriffe des Westens auf Russlands Größe und Stolz.

Als Bedrohung versteht der Kreml auch westliche Werte wie Demokratie, Rechtsstaat und Gleichberechtigung. Er bekämpft sie nicht allein in Russland, sondern schickt seine Cyberkrieger mit Desinformation als Waffe auch in westliche Gesellschaften.

Putin und der Krieg

Nach dem Ende der Sowjetunion blieb Russland vor allem ein Mittel zur Machtprojektion: sein Militär und sein Atomarsenal, bis heute das größte der Welt. Putin demonstrierte gleich zu Beginn, dass er keine Skrupel hat, es einzusetzen.

2018 wurde der Knicks der damaligen Außenministerin Karin Kneissl zum Symbol für eine anhaltende Anbiederung an den Kreml – vier Jahre nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim.
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Seine Politik ist untrennbar mit Krieg verknüpft. Noch als Premier begann Putin den Zweiten Tschetschenienkrieg und gewann damit seine erste Präsidentenwahl. Später intervenierten seine Militärs u. a. in Georgien, Syrien und schon ab 2014 in der Ukraine. Erst der Großangriff 2022 erzeugte im Westen eine entschlossene Gegenreaktion.

Während die Europäer noch die Friedensdividende kassierten, verordnete Putin eine massive Aufrüstung – bis hin zu taktischen Atomwaffen. Der Kreml setzte die nukleare Drohung gezielt ein, um die Hilfe des Westens für die Ukraine einzudämmen.

Putin und die Zukunft

Aus der Sicht des Kremls sieht die Zukunft ganz ähnlich aus wie die Vergangenheit – angesiedelt irgendwo zwischen dem imperialen Zarenreich und der Supermacht Sowjetunion. Putin sieht sich in einer historischen Mission, „Land zurückzuholen, das nach seiner Ansicht immer zu Russland gehört hat“, sagt Gerhard Mangott, Politik-Professor an der Universität Innsbruck.

Im Zentrum von Putins Weltbild stehe eine eigenständige russische Zivilisation, so Mangott, „die einer aggressiven, aber dekadenten westlichen Zivilisation gegenüberstehe und sich wehren müsse“. Der Kreml hat sich dafür mit der orthodoxen Staatskirche verbündet.

Im Kontrast zu Putins Großmacht-Anspruch steht die Perspektivenlosigkeit im Inland. Als Legitimation seiner Herrschaft diente Putin am Anfang ein steigender Lebensstandard, später ersetzt durch Nationalstolz. Heute hält er sich vor allem durch Gewalt an der Macht.

Viele Russen haben ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Im Gegenzug hat der Kremlchef neue Fans im Ausland gewonnen. Mit seinem antiberalen und nationalistischen Kurs dient er Gleichgesinnten im Westen als Ikone.