Weit über Masstricht-Grenze: Budgetdefizit in Österreich auf 4,7 Prozent des BIP gestiegen
Österreich verpasst das Masstricht-Ziel von drei Prozent mit dem Defizit von 2024 weit. Die Schuldenquote stieg ebenfalls und beträgt nun 81,8 Prozent. Acht Milliarden Euro wurden laut Statistik Austria-Chef Tobias Thomas zu viel ausgegeben.
Wien – Das gesamtstaatliche Defizit ist im Vorjahr auf 4,7 Prozent des BIP geklettert. Das gab die Statistik Austria in einer Pressekonferenz Montagvormittag bekannt. Damit wurde die Maastricht-Grenze von drei Prozent klar verfehlt. Die Staatsschuldenquote stieg auf 81,8 Prozent. Grund für die Entwicklung ist, dass das Einnahmen-Plus von 4,9 Prozent deutlich geringer war als jenes bei den Ausgaben (8,8 Prozent).
Der Anstieg des Defizits im Vergleich zu 2023 ist gewaltig. Da lag das Defizit nämlich noch bei 2,6 Prozent des BIP und damit innerhalb der Maastricht-Regeln. Die 4,7 Prozent des Vorjahres entsprechen in absoluten Zahlen 22,5 Milliarden Euro. Der öffentliche Schuldenstand lag bei 394,1 Milliarden. Damit erhöhte sich die Schuldenquote (Verhältnis der Staatsschulden zur nominellen Wirtschaftsleistung) von 78,5 auf 81,8 Prozent. Von den EU-Vorgaben her wären gerade einmal 60 Prozent erlaubt.
Wie Statistik Austria-Chef Tobias Thomas ausführte, hätte der Staat acht Milliarden weniger ausgeben müssen, um unter der Maastricht-Grenze von drei Prozent zu bleiben. Diese ist auch relevant für das mittlerweile erwartete Defizit-Verfahren der EU.
Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen im Minus
Schaut man die einzelnen Gebietskörperschaften an, ist am ersten Blick überall ein Minus zu vermerken. Beim Bund ging es von minus 1,9 Prozent des BIP auf minus 3,5 Prozent, bei den Bundesländern ohne Wien von minus 0,1 auf minus 0,4 Prozent und bei Gemeinden und Sozialversicherungsträgern blieb zwar die gerundete Prozentzahl mit minus 0,5 bzw. minus 0,2 Prozent, doch in absoluten Zahlen gab es auch hier ein höheres Defizit.
Bei den Gemeinden ist allerdings auch ablesbar, dass diese, wenn man die Bundeshauptstadt abzieht, solide bilanzierten: „Das Gemeinde-Ergebnis ist von Wien getrieben“, erklärte Kerstin Gruber von der Direktion Volkswirtschaft der Statistik Austria. Denn während die übrigen Kommunen kumuliert ihr Ergebnis 2024 verbessern konnten, verschlechterte es sich in Wien um fast 400 Millionen. Gruber begründete die Entwicklung zu einem Teil mit einem hohen Ausmaß an Offensiv-Maßnahmen wie Kindergarten-Offensive und U-Bahn-Ausbau.
Auch andere Bundesländer waren tief im Minus, speziell die Steiermark mit über 525 Millionen Euro, aber auch Niederösterreich mit 486 Millionen. Im Plus lag mit knapp 30 Millionen lediglich Oberösterreich. Schaut man den Schuldenstand insgesamt an, liegt die Hauptlast jedoch beim Bund: 86,6 Prozent der Gesamtschulden „gehören“ ihm.
Defizit Anlass zur Sorge
Die veröffentlichten Defizit-Zahlen haben für Betroffenheit gesorgt. Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr bezeichnete sie als „schockierend“. Ein EU-Defizitverfahren sei „wohl unausweichlich, weil auch 2025 die Zahlen schlecht sein dürften“.
Auch für Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) ist die Ausgangslage „ernst“. Für die Budgetsanierung werden „alle ihren Beitrag leisten müssen“, erklärte Marterbauer in einer Stellungnahme. Der Finanzminister erinnerte daran, dass das Defizit im Zuge der Bankenkrise im Jahr 2009 bei 5,38 Prozent des BIP lag.
Für Finanz-Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) brauche es in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten „Zuversicht, Zusammenhalt und das Bauen von Brücken“ und einen „gemeinsamen Kraftakt“ von Bund, Ländern und Gemeinden. Für rasche Entlastung bei „überbordender Bürokratie“ will NEOS-Staatssekretär Josef Schellhorn sorgen.
AK-Präsidentin Renate Anderl sieht „klare Verantwortliche“ für das „überraschend hohe“ Defizit: „Die vorigen Regierungen haben ohne Gegenfinanzierung auf die Senkung von Steuern und Abgaben gesetzt. Die Wirtschaftspolitik hat die Inflation durchrauschen lassen (...) und keine Eingriffe in die Preise gesetzt“, kritisierte Anderl. In der aktuellen Lage mit schwacher Konjunktur weiter auf „radikale Sparmaßnahmen“ zu setzen, wäre nun jedenfalls „absolut der falsche Weg“.
Die Industriellenvereinigung (IV) mahnt konsequente und effiziente Einsparungsmaßnahmen ein. Mit 51,6 Prozent habe Österreich die zweithöchste Staatseinnahmenquote in der EU nach Finnland, so IV-Generalsekretär Neumayer: „Einmal mehr zeigen die Zahlen, dass Österreich ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem hat.“ Daher sei konsequentes Einsparen und Reformen in den Strukturen nötig, von den Pensionen über Bildung und Gesundheit bis zur Verwaltung.
Wirtschaftsentwicklung schwach
Starken Einfluss auf die negative Entwicklung hat gemäß Statistik Austria die schwache Wirtschaftsentwicklung. Immerhin sind trotz dieser die Einnahmen gewachsen. Grund dafür sind die hohen Lohnabschlüsse, die wiederum stärkere Einnahmen über Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer zur Folge hatten. Insgesamt liegt die Einnahmenquote bereits bei 51,6 Prozent. In diesen Sphären bewegen sich in der EU sonst nur noch Frankreich und Finnland.
Das Problem ist nur, dass die Ausgaben noch stärker steigen. Verantwortlich dafür sind in erster Linie Gehaltsabschlüsse und Pensionen. Rund vier von zehn Euro gehen in die soziale Sicherung. Davon fließen wiederum fast zwei Drittel in die Kategorie Alter. Auch die Gesundheitsausgaben bleiben ein wesentlicher Faktor, umso mehr als sie auch nach Bewältigung der Coronakrise weiter steil ansteigen, im Vorjahr um 6,3 Prozent. Noch immer relativ weit unten ist man bei den Verteidigungsausgaben, die bis 2023 bei 0,6 Prozent des BIP lagen. Der leichte Anstieg im Vorjahr auf 0,7 Prozent ist in erster Linie höheren Lohnabschlüssen geschuldet. (APA)
Streit ums Bundesbudget