Freispruch in Prozess um gescheiterten Mafia-Mord in Wien
Ein Verfahren in Wien gab Einblick in die Welt zweier verfeindeter Clans aus Montenegro. Sie ziehen eine blutige Spur durch Europa.
Wien – „Ich wäre Polizist, wenn ich das wüsste. Ich kenn’ mich aus mit Cevapcici“: Ein 47-Jähriger im Zeugenstand am Wiener Landesgericht konnte sich nicht erklären, warum er Ziel eines Mordkomplotts geworden sein soll. Ähnlich reagierte ein zehn Jahre älterer Mann, ebenfalls ein mutmaßliches Opfer: „Ich bin Vater von sechs Kindern. Ich habe in meinem Leben nie etwas mit einer kriminellen Organisation zu tun gehabt.“ Er gehe daher von einem „Missverständnis“ aus.
Beide leben, weil – so die Anklage – im Spätwinter 2020 ein Mordkomplott gescheitert ist. Vor Gericht stand ein 29-Jähriger, der laut Anklage an den Vorbereitungen der Tat beteiligt war.
Von der Beteiligung am versuchten Mord sprachen ihn sechs von acht Geschworenen aber frei. Sie befanden, dass das Komplott das Versuchsstadium noch nicht erreicht hatte. Wegen krimineller Vereinigung muss der 29-jährige Montenegriner allerdings drei Jahre in Haft – die Höchststrafe für dieses Verbrechen. Denn die Geschworenen waren übereinstimmend überzeugt, dass es die Mordpläne gab und dass der Mann dabei mitwirkte.
Verfeindete Clans
Der Angeklagte folgte der Urteilsverkündung in stoischer Ruhe. Er nahm die Strafe an. Das Urteil war dennoch nicht rechtskräftig, weil der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung abgab.
Auftraggeber des Mordkomplotts soll der Skaljari-Clan gewesen sein. Die Tat habe dem Kavac-Clan gegolten. Die Gruppen haben ihren Namen von Orten im Umland der montenegrinischen Küstenstadt Kotor. Die Gruppen verbindet seit dem Verschwinden einer 200 Kilogramm schweren Drogenlieferung im Jahr 2014 in Spanien eine innige Feindschaft.
Die Auseinandersetzungen forderten europaweit bereits 80 Todesopfer, berichten Ermittler des Bundeskriminalamtes. Auch ein Mord, der am 21. Dezember 2018 in Wien auf offener Straße verübt wurde, soll in diese Liste gehören. Vor einem bekannten Innenstadtlokal wurde ein mutmaßliches Mitglied des Kavac-Clans per Kopfschuss getötet und dessen Begleiter schwer verletzt.
Der 29-jährige Angeklagte des gestrigen Prozesses wird dem Skaljari-Clan zugerechnet. Er ist Montenegriner und war im März 2020 nach Wien gekommen, um beim Mord an einem mutmaßlichen Mitglied des Kavac-Clans zu helfen – so sagte es der Staatsanwalt in der Anklage.
In Wien soll er den geplanten Tatort ausgekundschaftet und Informationen über Aussehen und Kleidung der Zielperson gesammelt haben. Für den Mord selbst seien zwei Auftragskiller aus Kolumbien eingeflogen worden. Es war laut Anklage der zweite Versuch, den 57-jährigen Gegner auszuschalten. Wenige Wochen zuvor sei ein Bombenanschlag wegen technischer Probleme gescheitert.
Aber auch der zweite Anschlag gelang nicht. Laut Anklage scheiterten die Täter an der unzureichenden Weitergabe des Standorts der Zielperson sowie verspäteter Kommunikation.
Täter scheiterten an Sprache
Die Auftragsmörder aus Kolumbien sprachen kein Serbisch, die Gegenseite kein Spanisch. Die über Chats geführten Übersetzungen vom Serbischen ins Spanische hätten zu lange gedauert, berichtete der Ankläger. Als die Kolumbianer endlich instruiert waren, habe der 57-Jährige das Lokal schon wieder verlassen gehabt.
Angeklagter leugnet
„Ich bin nicht schuldig zu dem, was mir angelastet wird“, versicherte der Angeklagte dem Schwurgericht. Zu weiteren Angaben war er nicht bereit und machte von seinem Recht zur Verweigerung der Aussage Gebrauch.
Der Angeklagte wurde von den Auswertungen vermeintlich abhörsicherer Kryptohandys belastet, mit denen der Skaljari-Clan kommuniziert hatte. Ausländische Behörden entschlüsselten sie und stellten sie dem heimischen Bundeskriminalamt zur Verfügung. (TT, APA)