Von Bakterien bevölkert

Detektivarbeit im Darm

Billionen von Mikroorganismen, wie Bakterien, bevölkern den Darm.
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Abnehmen ohne Diät? Reine Haut ohne Cremes? Wer träumt nicht davon? Um diese Ziele zu erreichen – von Gesundheit ganz zu schweigen –, hilft es, wenn man seinen Darm pflegt.

Allzu behaglich ist die Vorstellung nicht, dass jeder Mensch zu mehr als 70 Prozent aus Bakterien besteht. Doch Michaela Axt-Gadermann, Professorin für Gesundheitsförderung an der Hochschule Coburg, ist von den Mikroorganismen fasziniert: „Die hunderten Billionen Bakterien im Darm, auf den Schleimhäuten und auch auf der Haut haben einen großen Nutzen für uns.“

Das Mikrobiom – die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die sich dort angesiedelt haben – bildet Antioxidantien, Vitamine, Vorstufen von Hormonen und vieles Lebensnotwendige mehr, das über die Blutbahn jede Zelle des Körpers erreicht. Der Darm kommuniziert zudem über spezielle Achsen direkt mit dem Gehirn, der Leber oder der Haut – um nur einige zu nennen. Sind dessen Bakterien im Ungleichgewicht, führe das zu weit mehr als zu Blähungen: „Wir wissen, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms bei fast allen Erkrankungen verändert ist.“

Die Bakterienstämme Demenzkranker unterscheiden sich etwa von denen Gesunder. Das gilt ebenso für von Depressionen, Arterienverkalkung oder Übergewicht Betroffene: „Eine Störung des Mikrobioms stellt einen bisher wenig beachteten Risikofaktor für viele Beschwerden dar.“ Die Zufuhr nützlicher Bakterien könne dem entgegenwirken. Studien ergaben, dass die Einnahme spezieller Bakterienmischungen bei Adipösen zu einer Gewichtsreduktion – ganz ohne Diät – führte, Depressionen oder Allergien besserte. Die äußerliche Anwendung aktiver probiotischer Bakterien in Form von Bädern und Salben kann wiederum Ekzeme bei Neurodermitispatienten zum Abheilen bringen.

Bakterien-Präparate, etwa aus der Apotheke, sollten mindestens zwei Monate, besser länger, eingenommen werden. „Man braucht etwas Geduld, bis sich das Darmmikrobiom umgestellt hat“, schildert die Autorin mehrerer Ratgeber. Schneller geht es auf der Haut. „Bei Anwendung von Kosmetika mit probiotischen Bakterien zeigen sich die Effekte oft schon nach ein, zwei Wochen.“

Die Antibiotikum-Kur

Gerade jetzt, in der Grippesaison, könnten auch Patienten, die Antibiotika eingenommen haben, von probiotischen Bakterien profitieren. Axt-Gadermann sei als Medizinerin keine Gegnerin dieses rigorosen Medikaments: „Allerdings zerstört es auch so manches effektive Bakterium.“ Um den Darm anschließend zu sanieren, rät sie zu hochdosierten Probiotika mit bis zu 20 Milliarden Bakterien und präbiotischen Ballaststoffen: „Man kann beides zusammen als Pulvermischung kaufen. Wichtig ist zudem eine ballaststoffreiche Ernährung mit Zwiebeln, Lauch, Hülsenfrüchten, Nüssen und Mandeln.“ Grundsätzlich gelte, dass große kulinarische Vielfalt dem Mikrobiom zugutekommt.

Buchtipp

Im Buch „Gesund mit Darm“ (Südwest Verlag) beschreibt Michaela Axt-Gadermann, wie das Mikrobiom Fitness und mehr beeinflusst.

Doch nicht nur die Ernährung beeinflusse die Bakterienvielfalt. Der Aufbau des Mikrobioms beginne bei der Geburt: „Bei einer natürlichen Geburt oder durch Stillen nimmt das Kind nützliche Bakterien der Mutter auf. Bei einem Kaiserschnitt sind die ersten Bakterien, mit denen ein Baby in Kontakt kommt, etwa die auf der Kleidung der Ärzte. Die wirken sich eher negativ aus.“

Auch später ist man vor Bakterien nicht gefeit: Im Rahmen einer Studie teilte man Kindergartenkinder in zwei Gruppen. Die eine spielte auf einer relativ sterilen, betonierten Außenfläche. Das Areal der anderen war mit Sträuchern, Gräsern und einer Art Waldboden ausstaffiert. Und siehe da: „Das Darm- und Haut-Mikrobiom der zweiten Gruppe hatte nach acht Wochen profitiert und war vielfältiger geworden.“

Dement wegen des Darms

Auch bei Erwachsenen zeigte sich, dass Probanden am Sportplatz oder im Büro weit weniger sinnvolle Bakterien aufgenommen hatten als während eines Waldspaziergangs. Dort atmen sie Bakterien ein oder nehmen sie über Hautkontakt auf.

Wer nun an seiner Darmgesundheit zweifelt, könne sein Mikrobiom anhand einer Stuhlprobe bestimmen lassen. Durch die Bakterienzusammensetzung kann man Rückschlüsse ziehen, etwa auf die Neigung zu Übergewicht oder auf Entzündungen. „Die Forschung ist aber nicht so weit, das Risiko für alle Erkrankungen, etwa Demenz oder Krebs, aufgrund der Mikrobiomzusammensetzung präzise vorherzusagen.“

Was sich ablesen lässt, ist die Artenvielfalt der Bakterien im Darm. Je größer, desto widerstandsfähiger.