StA geht von Absicht aus

Mordanklage gegen 21-Jährigen nach tödlichem Schuss in Kärntner Türk-Kaserne

In der Türk-Kaserne kam es im Oktober des Vorjahres zum Vorfall.
© APA/GERT EGGENBERGER

Klagenfurt – Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat gegen einen 20-jährigen Grundwehrdiener Anklage wegen Mordes erhoben, der am 22. Oktober 2024 in der Türk-Kaserne in Spittal an der Drau einen um ein Jahr älteren Kollegen erschossen hatte. „Aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der Angeklagte im Zuge des Gespräches mit dem Opfer seine Dienstwaffe aus dem Holster nahm und den Abzug betätigte“, hieß es am Montag in einer Aussendung.

Der Verteidiger des Angeklagten, der Salzburger Rechtsanwalt Kurt Jelinek, trat der Darstellung der Staatsanwaltschaft entgegen, die von einem vorsätzlichen Tötungsakt ausgeht. Dass die beiden Männer aufeinandergetroffen seien, sei „bloßen Zufällen“ geschuldet, sagte Jelinek gegenüber der APA. „Es war ein tragischer schicksalhafter Unfall" erklärte er. „Sie sind damals zusammen eingerückt. Es gab keine Feindschaft zwischen ihnen.“ Sein Mandant werde sich darum zum Vorwurf des Mordes nicht schuldig, „aber im Sinne einer grob fahrlässigen Tötung schuldig bekennen“. Jelinek verwies zudem darauf, dass auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kein Motiv zutage bringen konnten.

Zu der tödlichen Schussabgabe war es knapp vor 16.00 Uhr im Wachlokal der Kaserne gekommen, wobei die Vorgänge von Überwachungskameras aufgezeichnet wurden. Der später Getötete hatte am 22. Oktober Ausgangsverbot. Er hätte sich alle zwei Stunden beim Offizier vom Tag melden sollen und begab sich daher gegen 15.50 Uhr zum Wachlokal, wo der Angeklagte seit dem Morgen Dienst versah.

Angeklagter im Umgang mit Glock geschult

Dieser hatte in der Grundausbildung eine dreiwöchige Wachkommandanten-Ausbildung durchlaufen. Er war im Umgang mit der für den Wachdienst vorgesehenen Dienstwaffe - einer Glock P80 - entsprechend geschult. Seit Juli 2024 versah er in der Türkkaserne regelmäßig Wachdienst, wobei ihm beim Dienstantritt stets eine Pistole zugewiesen wurde. Die Waffen wurden ansonsten in einem verschlossenen Spind verwahrt.

Im Wachlokal kam es zu einer kurzen Unterredung zwischen den beiden jungen Männern. Der Offizier vom Tag befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht im Raum - er war unterwegs, um die Ursache eines Stromausfalls zu klären, der gegen 14.00 Uhr den Kasernenbetrieb beeinträchtigt hatte. Über den Inhalt des Gesprächs ist laut Anklage nichts bekannt. Vor dem Grundwehrdienst hatten sich die zwei Burschen nur flüchtig gekannt. Beim Heer hatten sie dann regelmäßig Kontakt. Rund 20 Minuten vor der inkriminierten Tat hatten sie sich via Snapchat noch gegenseitig Fotos ihrer Schultern zukommen lassen, um die offensichtlich sichtbaren Resultate vom jeweiligen Krafttraining zu präsentieren.

Opfer rannte noch ins Freie und rief um Hilfe

Im Zuge des Gesprächs mit dem 21-Jährigen nahm der Angeklagte plötzlich seine Dienstwaffe aus dem Holster „und drückte den Abzug, als der Lauf der Waffe in Richtung der Brust des etwa zwei Meter Entfernten gerichtet war“, heißt es in der Anklageschrift, die der APA vorliegt. Das Projektil durchdrang die Brust bzw. Lunge des 21-Jährigen, trat im Rückenbereich wieder aus und prallte gegen die Tür. Der Angeschossene rannte aus dem Gebäude, hielt sich dabei eine Hand auf die Brust und rief dem ihm entgegenkommenden Offizier vom Tag im Schockzustand „Hilfe, Hilfe! Mi hot do hint'n wos gstochn!“ zu, ehe er zusammenbrach. Der Offizier versuchte, Erste Hilfe zu leisten und setzte die Rettungskette in Gang. Trotz rascher notärztlichen Beistands und Einsatzes eines Rettungshubschraubers starb der 21-Jährige an Verbluten infolge des Lungendurchschusses im Schockraum des Klinikums Klagenfurt.

Der Angeklagte hatte nach seiner Festnahme die Schussabgabe zugegeben, jedoch erklärt, dazu sei es unabsichtlich gekommen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war er bisher „sohin nur hinsichtlich einer fahrlässigen Tötung geständig“, wie in der elfseitigen Anklageschrift festgehalten wird. Die Anklagebehörde geht demgegenüber unter Verweis auf „glaubwürdige Aussagen der vernommenen Zeugen, den Überwachungsvideos, den Erhebungen zum Tatort, den beigeschafften Heeresunterlagen und den schlüssigen, nachvollziehbaren eingeholten Gutachten“ von einem vorsätzlichen Tötungsvorsatz aus. Sie hält die Angaben des Angeklagten für wenig glaubwürdig.

Staatsanwaltschaft spricht von „Schutzbehauptung“

Dieser hatte bei seiner formellen Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren angegeben, er habe gerade seinen Gurt samt Holster ablegen wollen, als er im Wachlokal plötzlich vom Opfer angesprochen worden sei. Darauf sei er erschrocken, habe einen „leichten Zucker“ gemacht, sich zum Opfer gedreht und gemerkt, dass „irgendetwas“ falle. In einer Reaktion auf die zu Boden gefallene Pistole sei er mit seinem „Fuß hinauf getreten auf das, was gefallen ist“ und habe die Waffe "hinaufgekickt“. Er glaube, er habe die Waffe kurz in der Hand gehabt beim Fangen, „aber nicht wirklich lange“. Dann sei der 21-Jährige schon hinausgelaufen.

„Dieser Geschehensablauf ist einerseits nicht durchgehend nachvollziehbar und wirkt andererseits konstruiert“, hält dazu die Staatsanwaltschaft in ihrer schriftlichen Anklage fest. Es handle sich um eine „Schutzbehauptung“. Die Anklagebehörde betont vor allem, dass sich der Getötete der Videoaufzeichnung zufolge zwei Minuten und sechs Sekunden im Wachlokal befunden und mit dem Angeklagten gesprochen hatte. Insofern könne von keiner vom Angeklagten behaupteten überraschenden Ansprache die Rede sein. Auch das waffentechnische Gutachten widerlege die Angaben des Beschuldigten, heißt es weiter.

„Keine ausländerfeindliche Gesinnung“ bei Angeklagtem

Zur Klärung dieser Frage wurden im Rahmen der Ermittlungen zahlreiche Zeugen vernommen, wie in der Anklageschrift betont wird: „Dennoch konnte kein Konflikt zwischen dem Angeklagten und dem Opfer erwiesen werden.“ Es sei „möglich, dass sich erst kurz vor der Schussabgabe während des Gesprächs ein Konflikt entwickelte“.

Weiters sei „aufgrund der türkischen Wurzeln des Opfers auch hinsichtlich einer tatmotivierenden ausländerfeindlichen Gesinnung ermittelt“ worden. Der Angeklagte soll sich zwar einem Kollegen gegenüber positiv über FPÖ-Obmann Herbert Kickl geäußert und einen Soldaten mit Migrationshintergrund als „Kanaken“ bezeichnet haben. Daraus lasse sich aber „keine hinreichende tatmotivierende ausländerfeindliche Gesinnung“ ableiten, resümiert die Staatsanwaltschaft.

Der Angeklagte bzw. sein Verteidiger haben 14 Tage Zeit, die nicht rechtskräftige Anklage zu beeinspruchen. Mit einem Einspruch müsste sich das Oberlandesgericht (OLG) Graz auseinandersetzen. Sollte die Anklage in Rechtskraft erwachsen, dürfte es im Sommer zu einer Hauptverhandlung vor einem Schwurgericht am Landesgericht Klagenfurt kommen. (APA)

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