Vorwurf in Israel: Premier Netanjahu führt Krieg aus persönlichem Interesse
In Israel wächst der Widerstand gegen die Wiederaufnahme der Militäroperation in Gaza. Nach mehr als tausend Soldaten stellen sich jetzt auch Hunderte Autoren in einem offenen Brief gegen den Premierminister.
Tel Aviv – Die Vorwürfe gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wiegen schwer. Er untergrabe Israels Werte als zivilisierte, demokratische Gesellschaft, schreiben 350 Autoren in einem offenen Brief.
Zu den Unterzeichnern zählen führende Köpfe des israelischen Kulturbetriebs. Sie fordern das sofortige Ende des Kriegs, den die Regierung seit Wochen wieder eskaliert, die Rückkehr aller Geiseln und einen klaren Plan für die Zukunft des Gazastreifens und seiner Bewohner.
Politisches Ende droht
Besonders brisant: Die Autoren unterstellen dem wegen Korruption angeklagten Regierungschef persönliche Motive. Netanjahu fürchte, dass das Ende des Kriegs auch das Ende seiner Herrschaft und seiner Freiheit zur Folge habe, schreiben sie.
„Um seiner eigenen Freiheit willen und aus Angst vor einer Inhaftierung wegen der Vorwürfe, die derzeit vor Gericht geprüft werden, raubt der Premierminister den Geiseln weiterhin die Freiheit, gefährdet die Soldaten der IDF (Israels Armee, Anm.) und fügt der Zivilbevölkerung im Gazastreifen unverhältnismäßigen Schaden zu.“
Massendemonstrationen
Kulturschaffende sind bei weitem nicht die einzigen Israelis, die sich gegen die Kriegspolitik stellen. Seit Monaten gibt es Demonstrationen von Angehörigen der Geiseln und von Regierungskritikern. Auch sie werfen Netanjahu u.a. vor, mit dem Militäreinsatz die Geiseln eher zu gefährden als zu befreien.
Auch viele Soldaten haben die Nase voll. Erst am Wochenende haben mehr als tausend Reservisten und Veteranen einen offenen Brief verfasst. Derzeit dienten die Kämpfe „hauptsächlich politischen und persönlichen Interessen“, nicht aber der Sicherheit des Landes, heißt es darin.
Soldaten fordern Deal
Die Unterzeichner, unter ihnen der ehemalige Generalstabschef Dan Halutz, fordern ein Abkommen zur Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen – auch wenn dies das Ende des Kriegs gegen die Hamas bedeute.
Weiter heißt es: „Wir rufen alle Bürger Israels auf, aktiv zu werden und überall und mit allen Mitteln zu fordern: Beenden Sie den Krieg und bringen Sie alle Geiseln zurück – sofort! Jeder Tag, der vergeht, gefährdet ihr Leben.“
Rechtsradikale an Bord
Netanjahus Regierungskoalition hängt an rechtsradikalen Parteien, die nicht nur die Fortsetzung des Kriegs fordern, sondern auch den Gazastreifen wieder für Israel in Besitz nehmen wollen. Ohne die Wiederaufnahme der Kämpfe am 18. März hätte der Premier womöglich das Budget nicht fristgerecht durchs Parlament gebracht.