Trotz Minus hält rote Bastion: Wiener SPÖ hat leichtes Spiel bei der Partnersuche
Die Roten verlieren zwar leicht in Wien, haben aber alle Trümpfe in der Hand. Sie können mit den NEOS weiterregieren oder die wiedererstarkten Grünen oder die geschwächte ÖVP in die Stadtregierung holen.
Wien – Selten hat eine Niederlage den Roten so gut getan wie die am Sonntag in Wien. Zuerst hat Bürgermeister und Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig die Gemeinderatswahl vorverlegen lassen. Er rechnete mit Blau-Türkis im Bund – und wollte sich als Gegengewicht inszenieren. Doch diese Verhandlungen scheiterten auf der Zielgerade. Der Wiener Wahltermin aber war schon fixiert.
Die SPÖ wurde sodann in allen Umfragen als klare Siegerin ausgewiesen. Die Sorge der SPÖ: Gehen ihre Wählerinnen und Wähler auch zur Urne?
Dann am Sonntag, die Wahlprognose um 17 Uhr. Eine Koalition mit den NEOS sollte sich nicht mehr ausgehen.
📽️ Video | SPÖ bejubelte Hochrechnung
Doch eineinhalb Stunden später war die Welt des Michael Ludwig wieder in Ordnung. Die SPÖ hat die Wien-Wahl gewonnen und bleibt trotz leichter Verluste klar die Nummer eins. Laut Foresight-Hochrechnung erreichen die Sozialdemokraten 39,3 Prozent und liegen klar vor der FPÖ, die sich auf 20,5 Przent steigert. Während die Grünen ihr Ergebnis von 2020 überraschend halten können, dürfte die ÖVP in die Einstelligkeit abstürzen.
Da die NEOS zulegten, dürfte die rot-pinke Koalition weiter eine Mehrheit haben. Auch mit den Grünen und der ÖVP sollte Bürgermeister Ludwig eine Mehrheit zusammenbringen, womit die gleiche Situation wie vor fünf Jahren vorliegt. Eine Koalition mit der FPÖ hat die SPÖ ja ausgeschlossen.
🔴 Der Liveblog zur Wienwahl:
🔴 Der Liveblog zur Wien-Wahl
SPÖ bei Wien-Wahl klar Erste, FPÖ knapp verdreifacht, ÖVP verliert
Ludwigs Demut
Ludwig (SPÖ) hat sich trotz leichter Verluste „in aller Demut“ sehr zufrieden mit dem Ergebnis gezeigt. Das Ergebnis sei ein „starker Vertrauensbeweis der Wiener Bevölkerung“, sagte Ludwig nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnung. Auf eine Fortsetzung der Koalition mit den NEOS wollte er sich aber doch nicht festlegen und ließ sich alle Optionen offen.
„Mein Ziel ist es, dass wir vor dem Sommer eine starke Stadtregierung bilden können“, sagte Ludwig. In den Sondierungsgesprächen werde „sich zeigen, wo es die stärksten Übereinstimmungen inhaltlicher Natur gibt“. Nur eine Koalition mit der FPÖ schloss der Wiener SPÖ-Chef kategorisch aus. Dies muss der freiheitliche Spitzenkandidat Dominik Nepp trotz der Zugewinne zur Kenntnis nehmen.
Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer gestand die Niederlage ein. In den kommenden Tagen wird mit seinem Rücktritt gerechnet.
Dankbar über das Ergebnis der Grünen zeigte sich Spitzenkandidatin Judith Pühringer, die eine beispiellose Aufholjagd sah. Sie würde gerne mit der SPÖ koalieren und sieht beispielsweise beim Wohnen und in der Bildung durchaus Überschneidungen. Wiens Vizebürgermeisterin Bettina Emmerling (NEOS) freute sich über das beste Ergebnis, das es für die Liberalen in Wien jemals gegeben hat. „Natürlich“ sei es weiter Anspruch der NEOS, mit der SPÖ die gute Arbeit fortzusetzen.
Trotz verpasstem Einzug in den Gemeinderat zeigt sich auch die Wiener KPÖ zufrieden mit dem Ergebnis. 4,2 Prozent bedeutet eine Verdoppelung gegenüber dem Ergebnis der letzten Wien-Wahl. Es reichte aber nicht, um die in Wien geltende Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen.
Klar gescheitert ist Heinz-Christian Strache mit seiner neuen Partei. Er kam nur auf 1,1 Prozent. Strache schaffte 2015 für die Wiener FPÖ das bis dato beste Ergebnis mit 30,3 Prozent. Strache war aber auch für den Absturz 2020 verantwortlich. Damals stand die Republik noch unter dem Ibiza-Schock.
Obwohl die FPÖ weit von den 30 Prozent unter Strache entfernt ist, spricht FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker von einem „klaren Auftrag“ für seine Partei sowie einem „Dämpfer“ für die Regierungsparteien. Es sei der „unehrlichen Politik“ der ÖVP zu verdanken, dass diese ein einstelliges Ergebnis erzielt habe. Der rote Bürgermeister Ludwig wiederum müsse sich überlegen, ob er die Ausgrenzungspolitik gegenüber den Freiheitlichen weiter betreiben wolle.
🗳️ Nächste Wahl in Tirol
Nach der Wiener Gemeinde- und Landtagswahl gibt es nun auf Bundesländer-Ebene eine knapp zweijährige Wahlpause. Dies kommt vor allem der neuen Dreierkoalition im Bund zugute. Müssen doch geplante Reformen nicht auf laufende oder beginnende Wahlkämpfe Rücksicht nehmen.
Wenn es zu keinen vorgezogenen Landtagswahlen kommt, dann dürfte die nächste reguläre (fünf Jahre Legislaturperiode) in Tirol im Herbst 2027 stattfinden. Es könnte sein, dass die Tiroler Wahl eingebettet wird in einen Super-Wahlsonntag. Denn auch der Landtag in Oberösterreich (sechs Jahre Legislaturperiode) muss im Herbst 2027 neu gewählt werden.
Das sagen die Bundesparteien zum Wahlergebnis
ÖVP: Der ÖVP-Generalsekretär war von den Verlusten der türkisen Landespartei sichtlich getroffen: „Natürlich ist es ein schmerzliches Ergebnis. Da gibt es nichts schönzureden.“
SPÖ: „Wien bleibt rot“, freut sich der SPÖ-Chef. „Ich gratuliere Michael Ludwig und dem gesamten Team der SPÖ Wien zum klaren Platz 1. (...) Fest steht: Wien bleibt Vorzeigestadt!“
NEOS: „Das Ergebnis ist eine Bestätigung, unseren Kurs fortzusetzen, auf Reformen zu drängen und weiter aktiv mitzugestalten“, sagt NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos.
Grüne: „Eine Sensation ist gelungen, wenn man bedenkt, dass uns die Umfragen vor einem Jahr noch zehn Prozent gegeben haben“, konstatiert Olga Voglauer, die Generalsekretärin der Grünen.
FPÖ: Generalsekretär Christian Hafenecker sieht im Wahlergebnis einen „klaren Auftrag“ für seine Partei sowie einen „Dämpfer“ für die Regierungsparteien.