Zahlreiche Tote nach gegenseitigen Attacken Indiens und Pakistans
Der Jahrzehnte alte Konflikt zwischen den Atommächten Indien und Pakistan ist erneut eskaliert. Das indische Militär griff am Mittwoch Ziele in Pakistan und im pakistanischen Teil der zwischen beiden Ländern umstrittenen Himalaya-Region Kaschmir an, was zu den schwersten Kämpfen zwischen beiden Staaten seit mehr als 20 Jahren führte. Beide Seiten meldeten getötete Zivilisten. International wird Zurückhaltung gefordert.
Pakistan erklärte zudem, fünf indische Kampfjets abgeschossen zu haben. Indien bestätigte diese Angabe zunächst nicht. Die Regierung in Neu-Delhi sprach von einem Angriff auf Terrorziele. Pakistan verurteilte den Angriff als „offenkundigen Kriegsakt“. Zudem informierte Pakistan den UNO-Sicherheitsrat über sein Recht, angemessen auf die indische Aggression zu reagieren. Bei einem der indischen Angriffe in Pakistan wurden nach Angaben der islamistischen Extremistengruppe Jaish-e-Mohammad zehn Verwandte ihres Anführers Masood Azhar getötet.
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Auslöser der Eskalation war ein Anschlag im indischen Teil Kaschmirs im April, für den Indien muslimische Extremisten aus Pakistan verantwortlich macht. Die Regierung in Islamabad bestreitet eine Verwicklung. Mehrere Fluggesellschaften strichen Flüge nach Indien und Pakistan. Flughäfen und der Luftraum wurden gesperrt. Pakistan schloss nach den Angriffen aus Indien seinen Luftraum für 48 Stunden.
In Islamabad kam später das Sicherheitskabinett zusammen, um über Pakistans weiteres Vorgehen im Konflikt mit Indien zu beraten, wie es aus Kreisen des Außenministeriums und des Geheimdienstes hieß. Die Ergebnisse werde Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif nach der Sitzung verkünden, hieß es weiter.
„Ehre verteidigen“
„All diese Einsätze wurden als Verteidigungsmaßnahme durchgeführt“, sagte der pakistanische Militärsprecher Ahmed Sharif Chaudhry bezüglich der Angriffe. „Pakistan bleibt ein sehr verantwortungsvoller Staat. Wir werden jedoch alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Ehre, Integrität und Souveränität Pakistans um jeden Preis zu verteidigen.“ Entlang großer Teile der De-facto-Grenze in Kaschmir kam es zu intensivem Beschuss und schwerem Gewehrfeuer, wie Polizei und Augenzeugen berichteten.
Nach Angaben der indischen Polizei wurden durch Beschuss der pakistanischen Armee zehn Zivilisten im indischen Teil Kaschmirs getötet, 48 Menschen wurden demnach verletzt. Auf pakistanischer Seite wurden den Behörden zufolge mindestens sechs Menschen getötet.
In Muzaffarabad, der Hauptstadt von Pakistanisch-Kaschmir, waren bei Sonnenaufgang Schäden der Angriffe sichtbar. Sicherheitskräfte sperrten eine kleine Moschee in einem Wohnviertel ab, die getroffen worden war. Das Minarett war eingestürzt. Ein pakistanischer Militärsprecher teilte dem Sender Geo mit, dass zwei Moscheen zu den von Indien angegriffenen Zielen gehörten. Der pakistanische Verteidigungsminister erklärte, alle Ziele seien zivil gewesen. Er wies damit anderslautende indische Angaben zurück.
Nach den Angriffen wurden alle Schulen in Pakistanisch-Kaschmir, der Hauptstadt Islamabad, weiten Teilen des indischen Kaschmirs und der bevölkerungsreichen pakistanischen Grenzprovinz Punjab geschlossen. Der pakistanische Regierungschef Shehbaz Sharif sagte, seine Regierung werde auf die indischen Angriffe reagieren. Er nannte jedoch keine Einzelheiten. Die Provinz Punjab rief den Notstand aus. Krankenhäuser und Notdienste wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Nach den Angriffen erklärte die indische Armee auf der Online-Plattform X: „Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan.“
Terrorvorwürfe
Indien erklärte, neun pakistanische „terroristische Infrastruktureinrichtungen“ angegriffen zu haben. Einige davon stünden in Verbindung mit dem Angriff islamistischer Militanter auf hinduistische Touristen, bei dem am 22. April 26 Menschen im indischen Kaschmir getötet worden waren. Indische Streitkräfte zielten auf die Hauptquartiere der Militanten Islamistengruppen Jaish-e-Mohammed und Lashkar-e-Taiba ab, wie es in indischen Sicherheitskreisen hieß.
Das indische Verteidigungsministerium erklärte, es sei bei der Auswahl der Ziele und der Ausführung der Angriffe größtmögliche Zurückhaltung geübt worden. Die Regierung in Islamabad meldete, dass sechs pakistanische Standorte angegriffen worden seien. Dabei habe es sich nicht um Anlagen militanter Gruppen gehandelt. Nach Angaben eines pakistanischen Militärsprechers wurden mindestens 26 Zivilisten getötet und 46 verletzt. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar schrieb auf der Plattform X: „Die Welt darf dem Terrorismus keine Toleranz zeigen.“ (APA, dpa, Reuters, TT.com)