Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine: Durchbruch außer Reichweite
Die Ukraine sprach nach den Verhandlungen mit Russland in Istanbul von „inakzeptablen Bedingungen“. Beide Seiten vereinbarten den Austausch von jeweils 1000 Kriegsgefangenen.
Istanbul, Tirana – Die ersten direkten Gespräche zwischen der Ukraine und Russland seit über drei Jahren, die gestern mit einem Tag Verspätung in Istanbul über die Bühne gingen, haben offensichtlich zunächst keine Annäherung bei der Frage einer Waffenruhe zwischen den Kriegsparteien gebracht. Aus ukrainischen Verhandlungskreisen verlautete, die Forderungen Russlands bei den Gesprächen seien unrealistisch und gingen weit über alles bisher Besprochene hinaus. Russland zeigte sich hingegen zufrieden. Der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski sagte, eine Fortsetzung der Verhandlungen sei möglich. Medinski bestätigte zudem, dass beide Seiten vereinbart haben, in den kommenden Tagen jeweils 1000 Kriegsgefangene auszutauschen. Die unter türkischer Vermittlung geführten Verhandlungen über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs dauerten rund eineinhalb Stunden.
Die Forderungen aus Moskau „beinhalten Ultimaten, dass die Ukraine sich von ihrem eigenen Territorium zurückzieht, um eine Waffenruhe zu erreichen, sowie weitere inakzeptable Bedingungen“, sagte ein Insider aus dem Umfeld der ukrainischen Delegation der Nachrichtenagentur Reuters.
Chance auf Frieden vergeben
„Wir hatten diese Woche eine echte Chance, uns auf ein Ende des Kriegs hinzubewegen – hätte Putin nicht davor Angst gehabt, in die Türkei zu kommen“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Plattform X am Rande eines Gipfeltreffens europäischer Staats- und Regierungschefs in der albanischen Hauptstadt Tirana. Er selbst sei zu einem direkten Treffen mit dem Kremlchef bereit gewesen, um die wichtigsten Fragen auszuräumen. „Er hat aber zu nichts zugestimmt.“ Die Ukraine fordere auch weiterhin ein Treffen der beiden Staatsoberhäupter, hieß es aus ukrainischen Diplomatenkreisen.
Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sagte zu den Verhandlungen: „Die Ukraine hat viel Entgegenkommen gezeigt und deutlich gemacht, dass sie zu einem Waffenstillstand bereit ist. Der Ball liegt nun bei Russland.“ Sein deutscher Amtskollege Friedrich Merz bewertete die Gespräche als „ein sehr kleines, aber erstes positives Signal“. Die europäischen Partner der Ukraine haben den Beginn der Friedensgespräche in Istanbul mit lautstarken neuen Sanktionsdrohungen gegen Russland begleitet. Bei dem Treffen in Tirana kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein neues Paket mit Strafmaßnahmen an.
Maximalforderungen
Russland hatte vor den Gesprächen erklärt, man wolle ohne Vorbedingungen verhandeln. Von seinen Maximalforderungen ist Moskau bisher aber nicht abgerückt. So soll die Ukraine aus Moskauer Sicht auf die seit 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim und ihre teils besetzten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson sowie auf einen NATO-Betritt verzichten.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte sprach unterdessen von einem Fehler Putins: „Ich denke, Putin hat einen Fehler gemacht, indem er eine Delegation auf niedriger Ebene entsandt hat – angeführt von diesem Historiker, der bereits 2022 an den Gesprächen beteiligt war“, sagte Rutte in Tirana. Deswegen laste nun der ganze Druck auf Russlands Präsidenten. (TT, APA, dpa, Reuters, AFP)