Empörung in EU-Ländern

Israelische Schüsse gegen Diplomaten: Auch Österreicher betroffen

Israelische Soldaten im Westjordanland (Archivbild).
© IMAGO/Nasser Ishtayeh

Ein Vorfall im Westjordanland, bei dem israelische Streitkräfte Warnschüsse in Richtung einer Delegation ausländischer Diplomaten abgaben, sorgt für Empörung in der EU. Ein österreichischer Diplomat war betroffen, blieb jedoch unverletzt. Israel erklärte, die Delegation habe sich in einem nicht genehmigten Gebiet aufgehalten. Die EU fordert eine Untersuchung des Vorfalls.

Jenin, Jerusalem – Schüsse israelischer Streitkräfte in Richtung einer Delegation ausländischer Diplomaten im besetzten Westjordanland sorgen in der Europäischen Union für Empörung. Laut dem Wiener Außenministerium (BMEIA) war auch ein österreichischen Diplomat betroffen. Dem Leiter der Vertretung in Ramallah, Marian Wrba, gehe es aber gut, hieß es am Mittwoch auf APA-Anfrage. Außenministerin Beate Meinl-Reisinger erklärte auf X: „Ich bin sehr erleichtert, dass ihm nichts passiert ist.“

„Ich habe mit unserem österreichischen Vertreter vor Ort telefoniert“, ließ Meinl-Reisinger wissen. Zudem hielt die NEOS-Außenministerin fest: „Es ist völlig klar: so etwas darf nicht passieren, genau deswegen gehen wir davon aus, dass der Vorfall auch von den israelischen Behörden aufgeklärt wird.“

Nach bisher vorliegenden Angaben hatte die israelische Armee zuvor bei einem Besuch von rund 20 Diplomaten in der Stadt Jenin Schüsse in der Nähe der Delegation abgefeuert. In der Delegation befanden sich Delegierte aus mehreren EU-Ländern, darunter Österreich sowie Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien.

📽️ Video | Israelische Schüsse bei Diplomatenbesuch

Israel: Diplomaten-Konvoi wich von Route ab

Israels Militär teilte mit, die Delegation sei von einer zuvor genehmigten Route für den Besuch von Jenin abgewichen und habe ein Gebiet betreten, in dem sie sich nicht hätten aufhalten dürfen. Israelische Soldaten hätten Warnschüsse abgegeben, um die Gruppe auf Distanz zu halten, hieß es. Nachdem sich herausgestellt habe, dass es sich um die Diplomaten handelte, habe die Armee eine Untersuchung eingeleitet.

Es solle zudem mit den Vertretern der von dem Vorfall betroffenen Länder gesprochen werden. Sie sollen über die Ergebnisse der Untersuchung informiert werden. Die Armee betonte in der Mitteilung, die entstandenen Unannehmlichkeiten zu bedauern.

„Die Delegation betrat ein Gebiet, in dem zu sein sie nicht autorisiert war“, erklärte das Militär. Soldaten hätten „Warnschüsse“ abgegeben, „um sie auf Abstand zu halten“. Israelische Soldaten hätten die Diplomaten zunächst als Bedrohung wahrgenommen und Warnschüsse abgegeben, um die Menschengruppe auf Distanz zu halten, hieß es weiter.

Keine Verletzte oder Schäden gemeldet

Verletzte oder Schäden wurden nicht gemeldet. Der Vorfall ereignete sich während eines von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) organisierten Besuchs internationaler Diplomaten in dem Gebiet. Wie mehrere Medien berichteten, befand sich die Delegation in Jenin, um das dortige Flüchtlingslager zu besichtigen und sich über die humanitäre Lage vor Ort zu informieren. Das Außenministerium der PA bezeichnete den Vorfall als einen „eklatanten und schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht“.

EU-Außenbeauftragte Kallas drängt auf Untersuchung des Vorfalls

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas forderte Israel in einer ersten Reaktion nachdrücklich auf, den Vorfall zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. „Jegliche Bedrohung des Lebens von Diplomaten ist inakzeptabel“, sagte sie.

Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot bezeichnete das Geschehen als „nicht hinnehmbar“ und kündigte die Einbestellung des israelischen Botschafters in Frankreich an. Das spanische Außenministerium erklärte: „Wir stehen in Kontakt mit anderen betroffenen Ländern, um gemeinsam auf das Geschehene zu reagieren, das wir aufs Schärfste verurteilen.“

Nach Angaben des belgischen Außenministers Maxime Prévot befand sie sich auf einem offiziellen Besuch in der Stadt, der mit der israelischen Armee koordiniert war. Die Delegation war demnach in einem Konvoi von etwa zwanzig deutlich erkennbaren Fahrzeugen unterwegs.

Aus Berlin hieß es: „Diesen unprovozierten Beschuss verurteilt das Auswärtige Amt scharf. Wir können von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert ist.“ Die israelische Regierung müsse umgehend die Umstände aufklären und die Unverletzlichkeit von Diplomatinnen und Diplomaten respektieren, hieß es zudem. Das werde Deutschlands Außenminister Johann Wadephul auch gegenüber seinem israelischen Amtskollegen zum Ausdruck bringen. Nach dem Vorfall habe er mit den betroffenen Kollegen vor Ort telefoniert.

Seit Beginn eines Militäreinsatzes im Jänner in der Stadt Jenin zur Bekämpfung von Militanten hat das israelische Militär Dutzende von Palästinensern getötet und zahlreiche Häuser im Westjordanland zerstört. (APA/dpa/Reuters)