Wissenschaftlicher Durchbruch

Ein neues Bein, bitte: Geheimnis um nachwachsende Gliedmaßen des Axolotl gelüftet

Der mexikanische Lurch hat mit seiner Superkraft lange für großes Rätselraten gesorgt.
© iStockphoto

Der Axolotl gilt als Regenerationswunder: Verliert er ein Bein, wächst es einfach wieder nach. Ein Wiener Labor hat erforscht, wie das funktioniert. Das Ergebnis könnte auch für Menschen interessant werden.

Wien – Mit seinem wehenden Kiemenbüschel und dem markanten Dauergrinsen sieht der mexikanische Lurch, der Axolotl, nett aus. Doch das auffallende Tier hat auch eine geheime Superkraft: Ihm wachsen verlorene Gliedmaßen innerhalb weniger Monate nach. Ganz schön praktisch – für WissenschafterInnen lange aber auch höchst rätselhaft. Eine Wiener Forschungsgruppe konnte nun das Geheimnis des Lurchs lüften.

Moleküle als Wegweiser

Fraglich war lange, „wie eine Zelle weiß, wo sie sich im nachwachsenden Körperteil befindet und ob sie etwa einen kleinen Finger oder einen Daumen formen soll“, so Elly Tanaka, Leiterin Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Diese Positionsinformation sei ein „heiliger Gral in der Regenerationsforschung“ gewesen.

Tanakas Team fand heraus: Verliert der Axolotl einen Körperteil, bildet sein Körper zwei von Stammzellen produzierte Signalmoleküle (FGF8 und Shh). Beide Signale verstärken sich gegenseitig und weisen den Zellen den Weg, wie sie die sich regenerierende Gliedmaße formen sollen. Unklar war bisher allerdings, wer dafür sorgt, dass die beiden Signalmoleküle zur richtigen Zeit am richtigen Ort gebildet werden.

Elly Tanaka (Institut für Molekulare Biotechnologie) leitet ein Team zur Erforschung der Regenerationsprozesse des Axolotls.
© APA/Georg Hochmuth

Eine Forschungsgruppe um Leo Otsuki identifizierte außerdem einen weiteren Hauptverantwortlichen im wundersamen Prozess: das Molekül „Hand2“. Es fungiert als einer der Hauptregulatoren und sorgt dafür, dass die beiden Signalmoleküle zur richtigen Zeit am richtigen Ort gebildet werden. Auch nach erfolgreicher Nachbildung bleibt es in geringer Menge vorhanden, um bei einem neuen Verlust reagieren zu können.

Positionsgedächtnis umprogrammiert

Nach Angaben der ForscherInnen ist das ein „wichtiger Durchbruch im Bereich der Regenerationsforschung“. Denn es erlaubt ihnen, das Positionsgedächtnis umzuprogrammieren und damit die Identität von Zellen zu wechseln: Als sie Zellen von der Daumenseite in die Seite des kleinen Fingers verpflanzten, verhielten sich diese unter dem Einfluss des zuständigen Moleküls wie die Zellen des kleinen Fingers. „Wir konnten also eine Daumen-Zelle dazu bringen, die Zelle eines kleinen Fingers zu formen“, so Tanaka.

Die Möglichkeit, die Identität von Zellen zu kontrollieren und zu verändern, birgt Otsuki zufolge enormes Potenzial für die Nachzüchtung von Gewebe im Labor (Tissue Engineering) und regenerative Therapien. Als Beispiel nennt der Forscher winzige Organmodelle (Organoide) zur Untersuchung von Entwicklungs- und Erkrankungsprozessen.

Hoffnung für Säugetiere

Dass die Gliedmaßen-Regeneration beim Axolotl auf den Hand2-Shh-Signalweg angewiesen ist, sei auch vielversprechend für die Regenerationsmedizin. Schließlich würden dieselben Gene auch beim Menschen vorkommen.

„Sollte ein ähnliches Positionsgedächtnis in menschlichen Gliedmaßen vorhanden sein, könnten wir diese Signale eines Tages nutzen, um neue Regenerationsfähigkeiten in Gang zu setzen“, so Tanaka. Sie ist optimistisch, dass „Hand2“ zusammen mit anderen Erkenntnissen aus dem Axolotl-Modell es irgendwann ermöglicht, „Gliedmaßen bei Säugetieren nachwachsen zu lassen“.

Elly Tanaka erklärt die Forschungsergebnisse