„ÖVP wird Stocker entsorgen“

FPÖ-Chef Kickl wettert im Interview gegen JJ und Song Contest

FPÖ-Obmann Herbert Kickl wirft der ÖVP mit ihren Personalrochaden eine Wählertäuschung vor.
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FPÖ-Obmann Kickl will nicht am Kanzler-Trauma leiden. Er sei eben nicht machtgeil und sagt: „Für die ÖVP ist die Macht und die Position der Zweck. Für mich sind Macht und Position nur das Mittel.“

Leiden Sie immer noch an einem Trauma, nicht Kanzler geworden zu sein?

Herbert Kickl: Daran habe ich nie gelitten. Das ist eine Unterstellung von Leuten, die keine Ahnung haben von dem, was vorgefallen ist. Ich habe auch nicht den Kanzlersessel verloren. Man kann nur verlieren, was man schon hatte. Ich habe aber viel gewonnen. Und zwar an Vertrauen. Viele Menschen sagten mir, dass sie beeindruckt sind, einen Politiker zu kennen, der zu seinen Positionen steht und sie nicht für irgendwelche Posten opfert.

Sie haben in erster Linie der ÖVP die Schuld gegeben, dass die Koalitionsverhandlungen gescheitert sind. Trifft Sie denn keine Schuld?

Kickl: Wir haben in Österreich ein Grundproblem: Die Politik koppelt sich immer mehr vom Souverän ab. Politische Entscheidungen werden im Interesse von wem auch immer getroffen, aber nicht im Interesse der Bevölkerung. Aus dieser Überlegung ist die Idee der Volkskanzlerschaft entstanden. Es ist ja nichts anderes als die Rückkoppelung der politische Entscheidungen an den Souverän. Die Politik muss sich fundamental ändern.

Nennen Sie ein Beispiel?

Kickl: Nehmen wir die gesamten Asylpolitik, wo wir einen ganz anderen Zugang haben als alle anderen Parteien. Eine grundlegende Änderung soll es bei der direkten Demokratie geben, bei der Absicherung der Neutralität. Wir wollen die Politik wieder dahin bringen, dass die Leute sagen: Ja, das würde ich auch so machen, wenn ich entscheiden könnte. In den Koalitionsverhandlungen sind wir rasch daraufgekommen, dass die ÖVP an so einem Umdenken überhaupt kein Interesse hat. Für die ÖVP ist die Macht und die Position der Zweck. Für mich sind Macht und Position nur das Mittel.

Also Sie sehen keine Fehler in den Verhandlungen auf Seiten der FPÖ?

Kickl: Nein. Denn wenn die ÖVP sagt, ich sei machtgeil gewesen, dann hätte ich doch mit beiden Händen den Kanzlersessel ergreifen müssen. Da hat sich die ÖVP getäuscht. Sie glaubte, ich opfere für die Kanzlerschaft alle unsere Inhalte.

Der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt sieht das anders. Er verglich Sie mit dem rachsüchtigen Zwerg aus dem Nibelungenlied, nannte Sie „Unser Alberich von Radenthein“.

Kickl: Ich gönne dem Lothar Höbelt auch einmal einen Funken öffentlicher Aufmerksamkeit. Höbelt ist Historiker. Von dem, was gegenwärtig vor sich geht, hat er keine Ahnung.

Er hat immerhin am FPÖ- Programm unter Jörg Haider mitgeschrieben.

Kickl: Das ist schon viele Jahre her. Auch da kann ich mich erinnern, dass er mit seiner Meinung oft alleine war

Er sieht bei sich keinen Fehler, dass er heute nicht im Kanzleramt sitzt. Herbert Kickl gibt einzig und allein hierfür der ÖVP die Schuld.
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Wie beschädigt ist Ihr Verhältnis zur ÖVP, wenn Sie an die nächsten Wahl denken?

Kickl: Die ÖVP behauptet doch immer so gerne, dass der Unterschied zwischen ÖVP und FPÖ nicht so groß ist. Deshalb braucht sich auch nicht viel ändern. Wir werden bei der nächsten Wahl versuchen, den Unterschied beim Ergebnis zu vergrößern.

Was ist Ihnen denn wichtiger? Für die FPÖ die Kanzlerschaft zu erobern oder dass Sie Kanzler werden?

Kickl: Ich habe bereits davon gesprochen, dass die Politik ihre Beziehung zur Bevölkerung verloren hat. Und jetzt stellen Sie sich vor, jemand geht in die Wahl, führt erfolgreiche Koalitionsverhandlungen und übergibt dann das Amt einem anderen. Das ist Betrug am Wähler. Die ÖVP machte diesen Betrug. Und deshalb ist Christian Stocker heute Kanzler. Die ÖVP wird übrigens die erste Gelegenheit nützen, um Stocker zu entsorgen, weil sie mit ihm in keine nächste Wahl gehen wird. Es können die anderen Parteien die Wählerschaft für dumm verkaufen, wir machen da nicht mit.

Ihr Generalsekretär verwendet sehr gerne den Verschwörungs-Begriff des tiefen Staates. Gemeint ist die ÖVP. Jetzt will die FPÖ in einem U-Ausschuss sich mit diesem tiefen Staat beschäftigen. Das verstehe ich jetzt nicht: In fünf Bundesländern regiert die FPÖ doch mit der ÖVP.

Kickl: Es gibt mehrere ÖVPs. Wir wollen die ÖVP auf Bundesebene untersuchen. Ich verstehe ja die ganze Aufregung der ÖVP nicht. Sie spricht doch immer von Transparenz. Und sie sprechen von Verantwortung. Im Fall Christian Pilnacek und bei den Corona-Maßnahmen geht es um Transparenz und Verantwortung.

Den Zusammenhang zwischen dem Tod des früheren Sektionschefs im Justizministerium, Christian Pilnacek, und den Corona-Maßnahmen kann ich nicht nachvollziehen.

Kickl: In beiden Fällen geht es um Machtmissbrauch. Wir wollen im U-Ausschuss aufklären, sachlich agieren und keine Inquisition veranstalten.

Und Nationalratspräsident Walter Rosenkranz soll im U-Ausschuss „ÖVP-Machtmissbrauch“ den Vorsitz übernehmen?

Kickl: Warum denn nicht?

Weil er als FPÖler mitunter parteiisch agiert?

Kickl: Das ist typisch. Bevor der Untersuchungsausschuss noch mit der Arbeit beginnt, will man ihn schon desavouieren. Aber was ist die Alternative? Peter Haubner oder Doris Bures? Die sind beide Vertreter von Parteien, die diesen Untersuchungsausschuss ablehnen.

Diese Woche hat der Zillertaler FPÖ-Abgeordnete Steiner im Parlament behauptet, ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS tragen Schuld an Massenvergewaltigungen.

Kickl: 2025 ist das Jahr der Jubiläen. Für einen Jahrestag genieren sich die Einheitsparteien aber offenbar. Das ist der 10. Jahrestag „Wir schaffen das“. Darauf hat Christoph Steiner hingewiesen. Er erinnerte an die Bahnhofs-Klatscher. Und ja, für die Zustände im Lande gibt es eine politische Verantwortung

Steiner sprach nicht von politischer Verantwortung, sondern von Massenvergewaltigungen, für die die anderen Parteien verantwortlich sind.

Kickl: Aber so hat er es gemeint. Ich werde keiner Entwicklung Vorschub leisten, damit die freie Rede im Parlament unter die Räder kommt. Was kommt als Nächstes? Müssen Parlamentarier dann zuvor ihr Redemanuskript abgeben?

Waren Sie stolz, als Österreich den Song Contest gewonnen hat?

Kickl: Der Song Contest interessiert mich überhaupt nicht. Der Song Contest ist eine Bühne für eine kleine, aber schrille und laute Community. Ganz ehrlich, wenn du heute als Mann keinen Rock trägst, als Frau keinen Bart, wenn du nicht trans oder sonst was bist, bist du beim Song Contest chancenlos.

Nächstes Jahr findet der ESC in Österreich statt?

Kickl: Ist das so? Mit Ausnahme der Staatsbürgerschaft des Sängers JJ kann ich ja keinen bestimmten Österreich-Bezug erkennen. Aber aus Ermangelung an sonstigen Erfolgen machte die Regierung Selfies mit dem Sänger. Und jetzt haben sie nach seinen unqualifizierten Aussagen zu Israel ein großes Problem. Das zeigt aber auch, in welchem Zustand wir schon sind.