Am Bedarf vorbei gebaut: Gemeinde findet zu wenig Jenbacher für neue Sozialwohnungen
Dass die Hälfte der gemeinnützigen Wohnungen am Leitner Areal nicht an Jenbacher Wohnungswerber vergeben werden konnten, liegt laut Opposition an einer mangelhaften Bedarfserhebung im Vorfeld. Der Bürgermeister dementiert.
Jenbach – In Jenbach wachsen neue Wohnbauten wie Schwammerln aus dem Boden. Gewerbliche wie gemeinnützige. Wird in der Marktgemeinde am Bedarf vorbei gebaut? Ja, meint die „Neue Mitte Jenbach“-Fraktion und kann das auch untermauern.
„Am Leitner-Areal konnte nur knapp die Hälfte der gemeinnützigen Mietkaufwohnungen durch die Gemeinde an Jenbacherinnen und Jenbacher vergeben werden“, weiß Gemeinderat Daniel Sporer („Neue Mitte Jenbach“). „Das Vergaberecht ist nun an den Bauträger zurückgefallen. Daher wird der Rest frei vermarktet – mit entsprechendem Zuzug.“ Genau das sei kontraproduktiv. Man wolle keinen Zuzug forcieren, da die bestehende Infrastruktur der Gemeinde (Kindergarten, Schule, Altersheim etc.) längst an ihre Belastungsgrenzen stoße.
Wohnungen nicht leistbar
Für gemeinnützige Wohnbauten ist eine Bedarfserhebung erforderlich. Denn nur wenn der Bedarf nachgewiesen ist, wird die Zusage über Wohnbaufördermittel erteilt. In den gegenständlichen Fällen wurden zwar Bedarfserhebungen gemacht, laut Sporer allerdings mangelhaft. „Das Thema war bereits 2023 Teil einer Anfrage von uns. Schon damals lautete die ernüchternde Antwort, dass Vergaberichtlinien bei dieser Erhebung ebenso wenig berücksichtigt würden wie die Leistbarkeit, etwa durch gestiegene Kosten“, schildert Sporer.
Heißt im Klartext: Es wird weder berücksichtigt, ob die Kandidaten auf der Wohnungswerberliste die entsprechenden Kriterien für eine Gemeindewohnung erfüllen (z. B. seit mindestens 7 Jahren ihren Hauptwohnsitz in Jenbach haben), noch ob sie sich die Wohnungen leisten können.
So sind etwa die Baukosten für die 36 Mietkaufwohnungen, 47 Tiefgaragenplätze und 4 Geschäftslokale beim Leitner-Areal beträchtlich gestiegen. Für die vom Architekturbüro des VP-Vizebürgermeisters Bernhard Stöhr konzipierten Wohnungen der „Frieden“ sind deshalb stattliche Finanzierungskostenanteile fällig.
Rund 19.000 Euro Kaution sind für eine knapp 75 m² große 3-Zimmer-Wohnung zu hinterlegen, für eine Zwei-Zimmerwohnung (ca. 53 m²) liegen die Kautionskosten bei mehr als 13.000 Euro. Ein Grund, warum die Wohnungen für viele Jenbacher nicht leistbar sind.
Bedarfserhebung fand vor Kostensteigerung statt
Auch am Rofnerfeld entstehen durch die WE und dem Tiroler Friedenswerk gemeinsam mit Stöhrs Architekturbüro insgesamt 79 wohnbaugeförderte Mietkaufwohnungen. „Auch hier läuft die Vergabe äußerst schleppend“, weiß GR Daniel Sporer. Und auch hier sei die Bedarfsprüfung mit den genannten Mängeln durchgeführt worden. Sporer kritisiert weiters, dass die Gemeinde noch immer keine Vertragsraumordnungsrichtlinien erstellt habe, um den gewerblichen Wohnbausektor besser unter Kontrolle zu bekommen.
„Im April 2024 wurden immerhin neue Bebauungsrichtlinien beschlossen. Aber hinsichtlich der Vertragsraumordnungsrichtlinien ist auch zwei Jahre nach unserem Antrag nichts passiert“, sagt der Mandatar der Neuen Mitte Jenbach.
Bürgermeister Dietmar Wallner sieht die Probleme woanders. Und zwar bei den Abbruchkosten für das Leitner-Areal. Aufgrund dieser Kosten habe die „Frieden“ anfangs kein Okay für die Wohnbauförderung erhalten. „Dafür, dass sie nicht auf der grünen Wiese, sondern mitten im Ortskern bauen und Altbestand abreißen, wurden sie bestraft“, kritisiert Wallner.
Die Bedarfserhebung für das Projekt habe vor vielen Jahren stattgefunden, aber erst vor rund zwei Jahren habe es seitens der Wohnbauförderung schließlich das Okay für die Realisierung gegeben. In der Zwischenzeit seien die Kosten und die Zinsen gestiegen und letztlich der Finanzierungsanteil so hoch, dass die Wohnungen dort für viele Gemeindewohnungswerber unerschwinglich geworden seien.
Teure Mieten für Gemeindewohnungen
Die Kosten seien auch am Rofnerfeld das Problem. „Inzwischen sind selbst Gemeindewohnungen für viele nicht mehr leistbar“, meint Wallner und verweist auf Mieten um die 1000 Euro für eine Dreizimmerwohnung am Rofnerfeld. Was die Vergaberichtlinien betreffe, sei man restriktiv. Aber wenn jemand dringend eine Wohnung brauche, die Kriterien jedoch nicht erfülle, berate man im Wohnungsausschuss, ob Ausnahmen gemacht würden. Am Rofnerfeld sei das mal der Fall gewesen.
Eine riesige Baugrube klafft auch in der Tratzbergsiedlung: Auf dem Areal entstehen um insgesamt 112 Mio. Euro in den nächsten Jahren 76 zusätzliche, gemeinnützige Wohnungen durch die Neue Heimat gemeinsam mit dem Innsbrucker Büro scharmer-wurnig-architekten. Auch ohne echte Bedarfsprüfung? Laut Wallner liege der Fall hier anders. Die Mietwohnungen seien für Umsiedler vorgesehen, die aus ihren derzeitigen Wohnungen in der Tratzbergsiedlung herausmüssen, weil Teile der Siedlung abgerissen werden.
Die Gemeinde habe vor rund zehn Jahren eine Wohnbauoffensive gestartet, weil damals rund 400 Bürgerinnen und Bürger auf Wohnungssuche gewesen seien, erklärt der Ortschef. Nun stünden noch rund 100 Namen auf dieser Liste.