Neuer Streit mit Brüssel droht

Präsidentenwahl in Polen: Rechtsruck mit Folgen für Europa

Mit Karol Nawrocki eroberte ein Rabauke mit Kontakten zur Hooliganszene das Präsidentenamt.
© AFP/Radwanski

Mit dem Sieg des Rechtskonservativen Nawrocki bei der Präsidentenwahl steht Polen ein Machtkampf bevor. Für Premier Tusk könnte es eng werden. Mit der EU droht neuer Streit.

Warschau – Der Sieg des Rechtskonservativen Karol Nawrocki bei der Präsidentenwahl in Polen ist nicht nur für Regierungschef Donald Tusk eine schlechte Nachricht, sondern auch für Brüssel, Berlin und Kiew. Polen rückt wieder nach rechts. Und der neue Präsident kann mit seinem Vetorecht Tusk dabei stoppen, die Beschädigungen der Demokratie rückgängig zu machen, welche die acht Jahre amtierende rechtskonservative PiS-Regierung hinterlassen hat.

Stellt sich Tusk Neuwahlen?

Der politisch unerfahrene 42-jährige Historiker Nawrocki verdankt seinen Aufstieg dem mächtigen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, einem Erzfeind von Tusk. Das Ziel für die ersten Monate von Nawrockis Amtszeit ist klar: die Regierung Tusk zu Fall zu bringen. Bereits am Tag nach der Wahl munkelten polnische Medien, der in Bedrängnis geratene Regierungschef werde noch in dieser Woche die Vertrauensfrage stellen. Die Reformprojekte seiner Mitte-links-Koalition seien mit Nawrockis Sieg „zusammengefallen wie ein Kartenhaus“. Neuwahlen werden nicht ausgeschlossen.

Das könnte bedeuten, dass in dem EU- und NATO-Land – Polen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Schwergewicht in Europa entwickelt – eine Zeit der politischen Grabenkämpfe droht.

Im zentralistischen Polen hat der Präsident deutlich mehr Macht als in Österreich. Er darf die Linien der Außenpolitik mitbestimmen, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und kann vom Parlament beschlossene Gesetze mit seinem Veto stoppen.

Machtkampf steht bevor

So kann er zwar nicht mitregieren, aber das Regieren erheblich erschweren. Diese Machtfülle bekommt nun ein Mann, den der Warschauer Politologe Antoni Dudek ein „klassisches Beispiel für eine autoritäre Persönlichkeit“ nennt. Der gebürtige Danziger stammt aus einfachen Verhältnissen, war in seiner Jugend Amateurboxer und jobbte als Türsteher in einem Luxushotel.

Er hat Kontakte ins Rotlichtmilieu und zur Hooliganszene. 2009 war er selbst an einer Massenschlägerei von Fußballfans beteiligt. Der Mann gilt als nicht zimperlich. Er könnte mit harter Gangart alles torpedieren, was der proeuropäische Regierungschef Tusk unternimmt, um Rechtsstaatlichkeit in seinem Land wiederherzustellen.

Konfrontation mit der EU?

Die PiS, deren Name „Recht und Gerechtigkeit“ bedeutet, regierte Polen von 2015 bis 2023. In dieser Zeit schränkte sie die Medienfreiheit ein und baute das Justizwesen um. Unter anderem brachte sie ein Gremium unter ihre politische Kontrolle, das über die Besetzung von Richterstellen entscheidet. Die EU-Kommission sah darin einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung und sperrte am Ende Fördergelder in Milliardenhöhe. Inzwischen wurden die Gelder wieder freigegeben, aber nur, weil der seit Dezember 2023 regierende Tusk Brüssel zusicherte, die Justizreformen rückgängig zu machen.

Doch dieser Prozess ist bisher nicht richtig vorangekommen. Der Grund: Der bisherige Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, blockierte die entscheidenden Gesetze mit seinem Veto. Und Tusks Regierung hat im Parlament nicht die erforderliche Mehrheit von 60 Prozent, um das präsidiale Veto aufzuheben. Setzt Nawrocki diese Blockade-Politik fort, kommt Polen nicht vom Fleck. Die Spannungen mit der EU könnten wieder zunehmen.

Auf Distanz zur Ukraine

Polen ist einer der wichtigsten Verbündeten der von Russland angegriffenen Ukraine. Es hat eine große Zahl an ukrainischen Flüchtlingen aufgenommen und dient als Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens für Kiew. Diese Linie wurde bisher von Premier Tusk und Präsident Duda gleichermaßen verfolgt, auch wenn sie sich sonst bekämpften. Nawrocki hat jedoch im Wahlkampf eine Konzession an den Rechtsextremen Mentzen gemacht, der mit 15 Prozent der Stimmen in der ersten Runde ausgeschieden war. So verpflichtete er sich, kein Gesetz zu unterzeichnen, das den Beitritt der Ukraine zur NATO ratifiziert. (TT, dpa, APA)