Brisante Dauerbrenner

Wohnen, Energie, Arbeit: Was Tirols Bezirke auch künftig bewegen wird

Ob es in Innsbruck gelingen wird, über das Instrument der Vorbehaltsflächen für geförderten Wohnbau das Wohnen wirklich leistbarer zu machen, muss die Zukunft weisen.
© Rita Falk

Das Geld in den Gemeindekassen wird knapper, dennoch stehen in vielen Bezirken große Projekte auf der Wunschliste. Zahlreiche brisante Dauerbrenner-Themen werden die Bezirke auch in Zukunft beschäftigen. Ein kurzer Überblick.

Bezirk Innsbruck-Stadt: Kampf um Wohnraum und Platz für die Kultur

Ob im Mietbereich oder bei Eigentumswohnungen: Österreichweit gibt es kaum ein teureres Pflaster als Innsbruck-Stadt. Wie können endlich Fortschritte beim leistbaren Wohnen gelingen? Das ist und bleibt die brisanteste politische und soziale Frage in der Landeshaupt- und Studentenstadt.

Bis spätestens Anfang 2026 soll der Gemeinderat die Auflage des Örtlichen Raumordnungskonzepts mit Vorbehaltsflächen für geförderten Wohnbau beschließen. Doch die Maßnahme nebst Bausperren ist umstritten, eine Reihe betroffener Grundbesitzer dürfte sie anfechten. Ob auf diesem Weg in absehbarer Zeit wirklich leistbarer Wohnraum entsteht, ist also noch völlig offen. Doch es gibt noch viele weitere brisante Fragen rund ums Wohnen in Innsbruck: Wird die neue Vergaberichtlinie und -plattform für städtische Wohnungen so funktionieren wie erhofft? Wie kann es gelingen, einen Teil der geschätzt 7000 leerstehenden Wohnungen auf den Markt zu bringen? Geben weiter „Betongold“ und touristische Kurzzeitvermietung den Ton an?

An leistbaren Flächen fehlt es aber auch für Innsbrucks (Sub-)Kulturszene. Diverse Kulturorte und Clubs mussten schließen, zuletzt häuften sich die Proteste – und das Thema wird auch künftig brisant bleiben.

Bezirk Innsbruck-Land: Regionalbad könnte ein Luftschloss bleiben

2023 zog die Gemeinde Axams beim Hallenbad einen Schlussstrich: Die laufenden Kosten waren nicht zu stemmen, dringende Sanierungsmaßnahmen konnte sich die Gemeinde nicht leisten. Dennoch blieb die Idee eines Regionalbadbetriebes im Bezirk Innsbruck-Land bestehen. Bürgermeister Thomas Suitner präsentierte im vergangenen Jahr Pläne für ein solches mit Standort in Axams.

Das Hallenbad in Axams wurde 2023 trockengelegt. An seine Stelle könnte ein Regionalbad treten.
© Axel Springer

Der Bau würde 30 Mio. Euro kosten. Mittlerweile sind die Umlandgemeinden im Boot, positive Signale gab es auch von Land und Tourismusverband. Einzig: In der Umsetzung hat sich bislang nichts getan, weil noch konkrete Förderzusagen fehlen. Suitner drängt zur Eile, weil die Kosten steigen, je mehr Zeit verstreicht: Sollten die nötigen Zusagen nicht bald vorliegen, kann das Bad nicht umgesetzt werden, hält er fest.

Nicht nur die Frage der Schwimmflächen ist im mit Abstand einwohnerreichsten Bezirk Innsbruck-Land virulent, sondern auch ein anderer tirolweiter Dauerbrenner: der Verkehr. Vom staugeplagten Wipptal bis hin zu überlasteten Knoten wie Hall und Wattens wird um Verbesserungen gerungen – bislang meist vergeblich.

Bezirk Schwaz: Große Pläne und immer weniger Geld

Wird die neue, rund 115 Mio. Euro teure Zillertalbahn mit Akku-Hybrid-Betrieb wirklich ab 2030 durch das Tal rollen, wo doch überall Budgets gekürzt werden? Und wird es je einen Baustart für das Straßenprojekt Umfahrung Fügen-Nord geben? Das sind Themen, die das Zillertal beschäftigen – neben zwei weiteren, die auch das Achental betreffen: die vielen Staus sowie der Tourismus und dessen Lenkung.

Die Zillertalbahn soll bis 2030 erneuert sein und mit Akku-Hybrid-Antrieb fahren.
© Angela Dähling

Manche sehen die Grenze zum Overtourism in beiden Tälern schon erreicht. Jene, die selbst vermieten oder touristisch tätig sind, orten hingegen meist noch Luft nach oben. Und das sind viele, war es doch jahrzehntelang in den Tourismusregionen im Bezirk Schwaz Usus, als Häuslbauer Ferienwohnungen als Finanzierungsquelle beim Bau miteinzuplanen.

An infrastrukturelle Grenzen stößt inzwischen die im Wohnungs-Bauboom befindliche Marktgemeinde Jenbach, wo etwa die Volksschule aus allen Nähten platzt. Dass selbst Sozialwohnungen aufgrund fünfstelliger Mietkautionen inzwischen hier und in anderen Tiroler Orten für viele nicht mehr leistbar sind, verdeutlicht, was uns künftig immer mehr beschäftigen wird. Nämlich die Frage: Wer soll das ­bezahlen?

Bezirk Kufstein: Hochwasserschutz als Thema der Zukunft

Am 23. August 2005 trat der Inn nach kräftigen Unwettern in mehreren Gemeinden im Unterland über die Ufer. Besonders stark betroffen war das Gebiet rund um Wörgl im Bezirk Kufstein. Nach einem Dammbruch wurde alleine in Wörgl eine Fläche von rund 800.000 Quadratmetern geflutet – ganze Siedlungen und Gebiete mit Gewerbebauten standen unter Wasser. 200 Häuser und 30 Betriebe waren damals betroffen. Auch fast 20 Jahre nach der Katastrophe wird das Thema Hochwasserschutz die Stadt Wörgl und die umliegenden Gemeinden im Bezirk Kufstein noch lange weiter beschäftigen.

Besonders stark vom Hochwasser im Jahr 2005 betroffen war die Spar-Zentrale in Wörgl. Auch die TT war vor Ort und wurde mit einem Radlader in das immer noch überflutete Gebiet gebracht.
© Spar

Zwar wurden bereits mehrere Schutzmaßnahmen umgesetzt, der „große“ und vor allem auch dauerhafte Schutz vor einem Hochwasser lässt aber immer noch auf sich warten. Sehr zum Leidwesen von Hunderten damals Betroffenen, die bei jedem Starkregenereignis oder jeder Hochwasserwarnung in ihrem Bereich zusammenzucken.

Die Planung für den Hochwasserschutz sieht unter anderem Rettentionsräume in den Gemeinden Kramsach, Radfeld, Kundl und Angath sowie zum Teil bis zu siebeneinhalb Meter hohe Dämme in acht Gemeinden vor. Die Baukosten liegen bei etwa 210 Millionen Euro. Um die Umsetzung kümmert sich der im Jahre 2021 gegründete Wasserverband Hochwasserschutz Unteres Unterinntal.

Bezirk Kitzbühel: Ein großes Spektakel mit Ablaufdatum

Ein Winter ohne Hahnenkammrennen ist nicht nur für die Kitzbüheler unvorstellbar. Der gesamte Bezirk profitiert von der größten Sportveranstaltung Österreichs. Bereits 1931 wurde das Rennen zum ersten Mal durchgeführt. Seither hat sich viel verändert. Der Skisport im Allgemeinen, die Bedeutung der Rennen und das Klima im Speziellen.

Dreimal musste das Rennen wegen Schneemangels abgesagt werden, 1964, 1988 und 1993. Dass die Herausforderungen in Zukunft größer werden, weiß man beim Kitzbüheler Skiclub (KSC) als Veranstalter und der Bergbahn Kitzbühel (KitzSki). Deshalb wurde in den vergangenen Jahren massiv in die technische Beschneiung der Streif und des Ganslernhangs investiert.

Rund 85.000 Zuschauer kommen alljährlich nach Kitzbühel zum Hahnenkammrennen. Millionen schauen im Fernsehen zu. Es ist damit ein bedeutender Wirtschafts- und Werbefaktor für die gesamte Region.
© Böhm Thomas

Die erste Schneeanlage auf der Streif wurde 1993 errichtet und war auf 25 Schneeerzeuger ausgelegt, inzwischen sind es über 100. Zuletzt haben KSC und KitzSki knapp vier Millionen Euro in die Verbesserung der Anlage investiert. Technisch sei man aber gut aufgestellt, „und wir haben Glück mit dem Mikroklima am Hahnenkamm und mit dem Termin“, sagt Michael Huber, Präsident des Kitzbüheler Skiclubs, fügt aber hinzu: „Ich bin Realist, zehn Jahre fahren wir sicher noch. Ob wir in 20 Jahren noch fahren können, traue ich mir allerdings nicht mehr zu sagen.“

Bezirk Lienz: Tourismus soll so sanft bleiben, wie er ist

Vorteil durch Rückstand: So könnte man die touristische Lage im Bezirk Lienz beschreiben. Tourismusbooms der letzten Jahrzehnte hinterließen in Osttirol weit geringere Spuren als anderswo. Noch bis vor wenigen Jahren schauten deshalb viele Osttiroler Touristiker sehnsüchtig nach Nordtirol, wo die Feriengäste sich tummeln und der Rubel rollt.

Das hat sich aber geändert. „Früher waren wir neidisch auf die anderen“, sagte eine Unternehmerin bei einer Gesprächsrunde mit Landesrat Mario Gerber. „Inzwischen sind wir froh, dass wir die Natur so schön erhalten haben.“ Immer mehr bekannte Destinationen leiden unter „Overtourism“, also dem Gefühl, dass Einheimische durch die vielen Urlauber Nachteile haben und an Lebensqualität verlieren. In Osttirol soll es gar nicht so weit kommen, darauf pocht der Tourismusverband. Landesrat Gerber attestiert dem Bezirk eine „gute Tourismus-Gesinnung“ im Vergleich zu einigen Nordtiroler Hotspots.

Bergeinsamkeit braucht man in Osttirol nicht lange zu suchen, nicht einmal in der Hochsaison.
© Catharina Oblasser

Die Unterschiede sind markant: Osttirol hat insgesamt etwa 19.000 Gästebetten, während die Gemeinde Sölden allein schon über 15.000 Betten verfügt. Neue Hotels seien schon nötig, sagt TVB-Obmann Franz Theurl. Gleichzeitig sagt er Nein zum Massen- und zum Billig-Tourismus. Das Wachstum müsse über die Wertschöpfung kommen, also durch hohe Qualität zu angemessenen Preisen, und nicht über große Mengen.

Bezirk Imst: Zweigleisiger Ausbau beschäftigt viele

Der zweigleisige Ausbau der ÖBB im Bezirk Imst ist eines der Verkehrsthemen der Zukunft. Für die ÖBB gilt die Zielsetzung: „Eine Reisezeit von unter zwei Stunden zwischen Innsbruck und Feldkirch und somit eine Verbesserung der Verbindung zwischen Vorarlberg und Tirol. Dazu dient neben anderen Maßnahmen z. B. auch die Erhöhung der Geschwindigkeit von derzeit 100 km/h auf bis zu 160 km/h im Arlbergtunnel, wozu bereits Tests laufen. Eine Verdichtung des Nahverkehrs bis Landeck im 30-Minuten-Takt und somit noch bessere Anbindung der Gemeinden im Tiroler Oberland an die Bahn vereinfacht zudem das Pendeln.“

Bei der Gemeindeversammlung in Imsterberg stellten die ÖBB ihre Vorstellungen zum Ausbau dar.
© Gemeinde Imsterberg

Im Zuge der Sparmaßnahmen wurde der Rahmenplan korrigiert: Der Umbau des Bahnhofes Imst-Pitztal und der zweigleisige Ausbau in Richtung Imsterberg werden mit einer Fertigstellung 2034 statt 2030 angegeben.

An der Wichtigkeit des Projektes wird in der Region Imst nicht gezweifelt. Wohl aber an den Varianten. Seit einem Jahr machen die Gemeinden Mils bei Imst, Imsterberg und Schönwies gegen die mögliche Trasse durch die Milser Au und die Milser Felder mobil. Sie befürworten eine Tunnelvariante am südlichen Talrand, die bereits 1993 im Gespräch war. Zudem fordern die drei Gemeinden, dass der gesamte Ausbau von Imst bis Zams gemeinsam geplant wird. Kommt es zu einer UVP, dann hat der Imsterberger Alt-Bürgermeister eine Bürgerinitiative angekündigt.

Landeck: Ein ganzer Bezirk steht unter Strom

Er ist der Dynamo Tirols. Einige der größten Wasserkraftwerke des Landes findet man im Bezirk Landeck: vom mächtigen Gepatschspeicher bis zum Gemeinschaftskraftwerk Inn (GKI). Bei Prutz wird der Inn für die Stromerzeugung zum Kraftwerk Imst ausgeleitet, Paznauner Wasser fließt in Speicher der Vorarlberger Illwerke. Dazu kommen mehrere mittelgroße Anlagen – wie das Kraftwerk Stanzertal oder das Kraftwerk Wiesberg.

Das Platzertal oberhalb von Pfunds soll für einen großen Kraftwerksspeicher überschwemmt werden.
© Matthias Reichle

Seit Jahren ist aber Sand im Getriebe dieser Maschinerie. Unter massiven Protesten wurde 2022 das GKI in Betrieb genommen, das inzwischen über 400 Gigawattstunden pro Jahr erzeugt und als größtes Laufkraftwerk der Alpen gilt. Einen Aufstand der Anrainer gab es, als ein Kraftwerk an der Sanna gebaut werden sollte. Die alten Pläne leben derzeit wieder auf.

Nicht weniger Widerstand gibt es beim nächsten großen Vorhaben der Tiwag. Heuer wurde der Speicher Platzertal final zur Umweltverträglichkeitsprüfung eingereicht. Das Hochtal über Pfunds soll mit 42 Millionen Kubikmetern Wasser überschwemmt werden. Dagegen laufen Umweltschützer und Bürgerinitiativen Sturm. Die Verfahren werden den Bezirk noch über Jahre beschäftigen.

Bezirk Reutte: Vollbeschäftigung fordert neue Lösungen

Immer wieder glänzt der Bezirk Reutte mit niedrigsten Arbeitslosenzahlen. Vollbeschäftigung ist die meiste Zeit des Jahres gelebte Realität. Für die nordwestlichste Tiroler Region ist dieses Luxusproblem jedoch Fluch und Segen zugleich. Denn zunehmende Überalterung und geringer Zuzug sorgen dafür, dass der Bedarf an Fachkräften längst nicht mehr abgedeckt werden kann.

Personal ist kaum noch zu finden. Viele Wirtshäuser haben das À-la-carte-Geschäft bereits gestrichen.
© Boris Roessler/dpa (Symbolfoto)

Um zusätzliches Personal zu gewinnen, wurden bezirksweit bereits mehrere Initiativen gestartet. Sei es durch das Projekt „Talent for Europe“, mit dem schon 2018 versucht wurde, junge Spanier zum Länderwechsel zu animieren, oder der Kampagne „Who cares? We care“, die seit zwei Jahren auf Mitarbeiterzuwachs im Pflegebereich abzielt.

Heuer wurde zudem die Initiative „Das Außerfern. Deine Zukunft ganz nah“ vorgestellt. Die Arbeitgebermarke soll helfen, die Region branchenübergreifend als Arbeits- und Lebensraum zu bewerben. Ob die Initiativen die gewünschten Effekte bringen, bleibt abzuwarten. Für die Industrie gibt es derweil einen kleinen Hoffnungsschimmer: An der HTL Reutte feierten heuer die ersten 19 Maturanten ihren Abschluss.